Kommunikationswissenschaft. Wolfgang Sucharowski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wolfgang Sucharowski
Издательство: Bookwire
Серия: bachelor-wissen
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9783823300816
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ein Zustandswandel der gegenwärtigen Situation sein.

      Wenn von Handeln die Rede ist, lässt sich in der wissenschaftlichen Diskussion ein begriffliches Umfeld beobachten, das durch immer wieder auftretende Eigenschaften charakterisierbar ist.

      Definition

      Teleologisch: griechisch telos, Ziel, auf ein ideales Ergebnis ausgerichtet

      Habermas (1995, S. 185–189) beschreibt dieses mit vier typischen Merkmalen:HandlungMerkmale

       teleologisch

       normreguliert

       dramaturgisch

       kommunikativ

      Jürgen Habermas (*1929)

      Philosoph und Soziologe, Schwerpunkt: Theorie kommunikativen Handelns

      1. Eine Handlung ist teleologisch: Ein Aktor stellt einen Bezug zur objektiven Welt her. Er handelt, weil er einen Erfolg wünscht. Handlungen sind zweckrational. 2. Eine Handlung ist normenreguliert: Ein Aktor stellt einen Bezug zur sozialen und objektiven Welt her. Er handelt, weil etwas erwartet wird. Handlungen sind wertrational. 3. Eine Handlung ist dramaturgisch: Ein Aktor stellt sich in seinen Bezügen auf eine soziale, objektive und subjektive Welt ein. 4. Eine Handlung ist kommunikativ: Die Aktoren haben einen reflexiven Weltbezug und ihre Verständigung ist abhängig von der Stimmigkeit dieser Bezüge.

      Handlungen sind mit Kontexten verbunden, die in der Welt verankert sind und Bezüge zur sozialen und gesellschaftlichen Wirklichkeit besitzen. Sie sind mit einer subjektiven Perspektive auf den jeweiligen Weltausschnitt hin ausgerichtet, sie sind standort- bzw. standpunktgebunden. Sprachliche HandlungenHandlungSprache unterscheiden sich hierbei von nichtsprachlichen, weil der Akteur des Handelns mit einem tatsächlichen oder gedachten Gegenüber konfrontiert wird und dessen Sicht auf die Welt bei den eigenen Handlungen mitreflektiert werden muss. Wie bewusst das geschieht, ist von den Akteuren und Situationen abhängig, in denen sie sich befinden.

      Das Handeln setzt KontexteKontext voraus, die im Zusammenwirken mit einer Zielfixierung oder zumindest Zielauseinandersetzung entstehen. Jemand tut etwas, weil er sich damit auseinandersetzen will oder muss. Die Anderen erkennen sein Verhalten als Handlung, wenn sie Erwartungen aufbauen können, die sich aus ihnen bekannten Werte- bzw. Handlungskontexten herleiten lassen. Einem Verhalten kann unabhängig davon Handlungscharakter unterstellt werden, weil die Akteure eine solche Handlung wollen und im Verhalten dazu keinen Widerspruch sehen. Kommunikation wird für die Akteure konkret fassbar, wenn eine Verständigungsinteraktion nötig ist.

      Max Weber (1864–1920)

      Soziologe und Nationalökonom, Schwerpunkt: Herrschafts- und Religionssoziologie

      Weber (1922) Weberhat die Bedeutung des Themas früh erkannt und den Begriff Handlung wissenschaftlich zugänglich gemacht. Er bezeichnet Verhalten als Handeln, wenn der Handelnde einen subjektiven Sinn, d.h. eine Intention, damit verbindet:HandlungBegriff

      „… Handeln soll … ein menschliches Verhalten (einerlei ob äußeres oder innerliches Tun, Unterlassen oder Dulden) heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden. Soziales Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist.“ (Weber 1922, 1)

      Parsons (1937, S. 44) Parsonsdifferenziert den Definitionsvorschlag dahingehend, dass es kleinste Elemente einer Handlung gibt, die ihr einen Sinn geben (unit actunit act) und mindestens die folgenden Elemente haben: einen Handelnden (actoractor) und einen Zweck bzw. ein Ziel (endend), d.h. den zukünftigen Status der Angelegenheiten, an dem die Handlung orientiert ist – in diesem Sinne ist das Schema „teleologisch“. Die Handlung muss zudem in einer Situation begonnen werden, die sich vom zukünftigen Status in einem bedeutenden Aspekt unterscheidet. Hinzukommen die Bedingungen (conditionsconditions) des Handelns, die sich nicht ändern lassen, und die Mittel (meansmeans), über die der Handelnde die Kontrolle hat.

      Talcott Parsons (1902–1979)

      Amerikanischer Soziologe, Schwerpunkte: Handlungstheorie und soziologische Systemtheorie

      Für Parsons gibt es Beziehungen zwischen ihren Elementen: Im Falle der Wahlmöglichkeit zwischen alternativen Mitteln zur Zielerreichung besteht eine normative Orientierung. Dieses grundlegende Konzept impliziert: 1. Handlung ist immer ein Prozess in der Zeit. 2. Die Tatsache, dass dem Handelnden Wahlmöglichkeiten zur Verfügung stehen, schließt die Möglichkeit von Irrtum ein. Parsons entwirft so eine Handlungstheorie, in der Handlungen als System beschrieben werden, das verschiedene Funktionen umfasst: Anpassung, Zielerreichung, Integration und Inhalte latenter Muster. Diese Funktionen werden genutzt, um Probleme der Umwelt bewältigen zu können. Sie dienen den Betroffenen als Rahmen. Der Bezugsrahmen ist subjektiv,

      „denn die Phänomene sind Dinge und Ereignisse, wie sie in der Sichtweise des Handelnden erscheinen, dessen Handlung analysiert und betrachtet wird. […]Die prinzipielle Bedeutung dieser Betrachtung ist, dass der Körper des Handelnden für ihn ebenso wie die Handlungssituation die ‚äußere Umwelt‘ bilden“ (Parsons 1937, 47).

      Kommunikation als HandlungHandlungBegriff

      HandlungMerkmaleEin so ausdifferenzierter Handlungsbegriff stellt für das Verständnis von Kommunikation als Handeln ein Problem dar. Denn ParsonsParsons Definition bleibt innerhalb eines individualistischen Ansatzes, der an einer der Teleologie des Handelns verpflichteten Theorie orientiert ist. Handeln ist laut Parsons das Tun eines Einzelnen, der seinen Interessen nachgeht. Ausgangspunkt ist also ein monadisch agierendes Individuum, das ein Ziel ganz allein für sich verfolgt. Frei nach dem Motto: Ich will mit meinem Handeln etwas für mich. HabermasHabermas (1995, Bd. II, S. 320) sieht in einem solchen Verständnis von Handeln einen Mangel und begründet dies so:

      „Da die regulierende Kraft der kulturellen Werte die Kontingenz der Entscheidungen nicht berührt, steht jede Interaktion zwischen zwei Aktoren, die eine Beziehung eingehen, unter der Bedingung ‚doppelter Kontingenz‘“.Kontingenz

      Definition

      Monadisch: griechisch monas, Einheit, das Einfache

      Interaktive RahmungHandlungInteraktionDas besagt: Handeln wird nach Habermas erst als Handlung identifiziert, wenn es ein Gegenüber gibt, dem in der durchgeführten Aktion das zu sehen unterstellt werden kann, was auch der Handelnde als Handlung erkennt. Denn dieser unterstellt wiederum dem Akteur dasselbe, auch er geht davon aus, dass ihm unterstellt wird, was der Andere ihm unterstellt. Für HabermasHabermas (1995, Bd. II, S. 320) gilt daher ein „immer schon“ intersubjektiv geteiltes kulturelles Wertesystem als notwendige Voraussetzung für kommunikatives Handeln.

      Bereits Durkheim und Conrad (1982) Durkheimverweisen auf ein solches intersubjektives Konzept. Der Bezug zur Welt ist nämlich stets von unterschiedlichen Horizonten, die der Einzelne einbringt, bestimmt. Jeder kennt das Phänomen des Perspektivenwechsels, wenn er ein Haus betritt. Das Haus hat eine Vorder- und eine Rückseite, ein Innen und ein Außen. Wir sehen den Bau stets nur aus einer Perspektive. Durkheim spricht in diesem Zusammenhang von einem Innen- und einem Außenhorizont. Darüber hinaus wird das Betreten des Hauses immer von vielen weiteren Vorstellungen begleitet und bewertet: Der Blick kann sich auf die Lage und die Wohngegend richten, der Baustil kann uns interessieren, wir vergleichen es mit den Häusern, die wir kennen. Auf diese Weise entsteht eine Struktur vieler möglicher Verweise zur Welt und sie bilden einen Sinnhintergrund, der als objektive Welt nicht angemessen umschrieben werden kann.

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