Es stellt sich die Frage, inwieweit die epistemische Funktion des Schreibens für inhaltlich-kognitive Aufgaben auch von Fremdsprachenlernern genutzt werden kann. Schmölzer-Eibinger schreibt mit Bezug auf Deutsch als Zweitsprache, dass es sich bei Textkompetenz um eine transferierbare Fähigkeit handele, die von der Erst- auf die Zweitsprache weitgehend übertragbar sei:
So können etwa Lernende, die in ihrer Erstsprache effiziente Strategien des Lesens entwickelt haben, diese auch beim Lesen in der Zweitsprache nutzen. Eine Voraussetzung dafür ist, dass sie eine sprachliche Basis aufgebaut haben, d.h. dass sie grundlegende sprachliche Mittel in der Zweitsprache beherrschen. (Schmölzer-Eibinger 2010, 1132, Hervorhebung im Original)
Es kann daher auch davon ausgegangen werden, dass auch die Fähigkeit zum epistemischen Schreiben transferierbar ist. Göpferich und Nelezen (2013) haben anhand von populärwissenschaftlichen Texten von deutschen Anglistik-Studierenden untersucht, ob das Schreiben in der Fremdsprache der epistemischen Funktion von Schreiben abträglich ist, wobei angenommen wird, dass die Textproduktion in der L2 mit einer Beeinträchtigung der epistemischen Funktion des Schreibens einhergeht bzw. dass in der L2 erst eine bestimmte Kompetenzstufe erreicht werden muss (vgl. Göpferich/Nelezen 2013, 168f). Sie kommen zu folgendem Ergebnis:
Beschränkte Ausdrucksmöglichkeiten in einer Fremdsprache können dabei der epistemischen Funktion des Schreibens abträglich sein, und zwar deshalb, weil die beschränkten Ausdrucksmöglichkeiten dazu führen, dass das Gestalt annehmende Wissen nur verzerrt versprachlicht werden kann, was einer Weiterentwicklung und Präzisierung abträglich ist. (Göpferich/Nelezen 2013, 196)
Für die weitere Studie bleibt also festzuhalten, dass das epistemische Schreiben in kreativen und personalen Schreibansätzen auch im Fremdsprachenunterricht eine feste Rolle hat. In Bezug auf kognitiv-inhaltliches Lernen ist es außerdem notwendig, dass die Lernenden sowohl ein hohes sprachliches Niveau besitzen als auch dass sie in ihrer Erstsprache die Fähigkeit des epistemischen Schreibens haben.
Es soll hier zudem argumentiert werden, dass auch die sogenannte „knowledge-telling-strategy“ (Scardamalia/Bereiter 1987, 142f), bei der, im Gegensatz zum wissenstransformierenden epistemischen Schreiben, das vorhandene Wissen lediglich abgerufen und in Text verwandelt wird, ein Potenzial für das inhaltliche Lernen besitzt. In Texten, in denen zuvor gelesenes Sachwissen zusammengefasst wird, findet durch das schriftliche Rekapitulieren gelesener Informationen eine „intensivere Verarbeitung des Lernstoffs dadurch [statt], dass er nicht nur verstanden, d.h. aus dem Verbalen ins Mentale übersetzt werden muss, sondern beim Schreiben auch wieder in umgekehrter Richtung bearbeitet, d.h. wieder verbalisiert werden muss“ (Molitor-Lübbert 2002, 38). Studierenden, die in der Lage sind, selbständig kohärente Texte zu produzieren, können so Lücken auffallen, die sie im Laufe des Schreibprozesses durch unterschiedliche Hilfsmittel schließen können.
Die Überlegungen zur Bedeutung von epistemischem Schreiben für (inhaltliches) Lernen werden vor allem in den Kapiteln 6.2 und 6.5.3 relevant sein, und zwar in Bezug auf personales, kreatives und inhaltlich-kognitives Schreiben. Da aber in der Analyse nur die Schreibprodukte berücksichtigt werden, können die Annahmen über die tatsächlichen Schreibprozesse nur tentativ formuliert werden.
2.5 Zusammenfassung und Ausblick
In der theoretischen Basis dieser Arbeit wurden die drei Bereiche der Fremdsprachendidaktik skizziert, die den Hintergrund für die empirische Untersuchung darstellen. Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem Fremdsprachenlernen mit digitalen Medien und der Landeskundedidaktik, es muss aber, um dem untersuchten Unterricht in seiner Komplexität gerecht zu werden, am Rande auch auf das Forschungsgebiet des integrierten Fremdsprachen-Sachfach-Unterrichts sowie das epistemische Schreiben eingegangen werden. Es zeigt sich, dass sich diese Arbeit auf verschiedenen Ebenen auf Schnittstellen bewegt; auf theoretischer Ebene verbindet sie die Landeskundedidaktik mit der Frage, wie Fremdsprachenlehr- und -lernprozesse durch digitale Medien optimiert werden können. Darüber hinaus führt der untersuchte Unterricht als integrierter Fremdsprachen- und Fachunterricht eben auch inhaltliches und fremdsprachliches Lernen zusammen.
Zugleich wird in der theoretischen Basis ein Ungleichgewicht deutlich, das sich für die Konzeption von universitärem Landeskundeunterricht, sofern eine theoretische Verankerung angestrebt wird, als problematisch erweist: Der Einsatz von asynchroner computervermittelter Kommunikation im Fremdsprachenunterricht ist relativ gut erforscht, ebenso auch der Einsatz von CMC in anderen Szenarien, was im Abschnitt zum allgemeindidaktischen Potenzial erkennbar wurde (vgl. Kapitel 2.1.2). Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass man relativ sicher weiß, wie Aufgaben zu gestalten sind und welche Rolle die Lehrenden möglichst einnehmen sollten. Auf der anderen Seite steht die kulturwissenschaftlich orientierte Landeskunde, deren Theorielegung zwar gut fundiert ist, der es aber bislang an entsprechenden Überlegungen und Forschungsergebnissen zu geeigneten Aufgaben, ja Methoden überhaupt mangelt. Ein Desiderat im Bereich der Landeskundedidaktik ist somit die Entwicklung von Aufgaben, die helfen, die weitgesteckten Ziele der kulturwissenschaftlich orientieren Landeskunde zu erreichen. In der vorliegenden Arbeit beruhten die Aufgabenstellungen auf meinen subjektiven Theorien, wie landeskundliches Lernen gefördert werden kann – was vermutlich für das Fach symptomatisch ist. Im empirischen Teil dieser Arbeit wird sodann heuristisch vorgegangen, da für die Analyse der Aufgaben nicht nur auf die Merkmale und Gütekriterien von Aufgaben 2.0 eingegangen wird, sondern auch auf Merkmale guter historischer Lernaufgaben. Insgesamt ist es aber wünschenswert, dass die Landeskundedidaktik in einer interdisziplinären Herangehensweise auch die Frage nach geeigneten Aufgaben ins Blickfeld nimmt.
Es folgt nun ein kontextualisierendes Kapitel zur Didaktik des Landeskundeunterrichts an der Universität Stockholm. Zunächst wird das Fach Deutsch beschrieben und in groben Zügen die Verortung des Landeskundeunterrichts im Germanistik-Studiengang, wobei auch curricular vorgegebene Lernziele erläutert werden. Den Hauptteil stellen Kapitel 3.2.3 und 3.2.5 dar, da dort auf Lerninhalte, didaktische Prinzipien, die Wahl der Lernform Blended Learning und die Rolle asynchroner computervermittelter Kommunikation eingegangen wird.
3 Der Landeskundeunterricht an der Universität Stockholm
In diesem Kapitel steht das Seminar zur Landeskunde der deutschsprachigen Länder im Fokus, in dessen Rahmen die im Rahmen dieser Arbeit analysierten Daten erhoben wurden. Nach einer einleitenden Beschreibung des Faches Deutsch an der Universität Stockholm folgt eine Darstellung des Landeskundeseminars. Berücksichtigt werden zunächst in aller Kürze Lehr- und Lernziele, Prüfungsform, Erwartungen und technische Medienkompetenzen der Studierenden. Sodann wird ausführlicher auf die Themenauswahl, die Integration von sprachlichem und inhaltlichem Lernen sowie den Einsatz der Lehr- und Lernform Blended Learning und asynchroner computervermittelter Kommunikation eingegangen.
3.1 Das Fach Deutsch an der Universität Stockholm
Innerhalb des schwedischen Studiensystems sind zwei verschiedene Studienwege möglich: Neben mehr oder weniger in sich geschlossenen Studiengängen (z.B. Medizin, Jura, Lehramtsstudiengänge) kann man außerdem ‚freistehende Kurse‘ (fristående kurser) absolvieren, die in der Regel 7,5, 15 oder 30 ECTS umfassen. Die freistehenden Kurse kann man studieren, ohne einen Abschluss anzustreben, sie führen aber in relativ frei wählbaren Kombinationen auch zu B.A.- und Magister- bzw. Masterabschlüssen.
In der Germanistik werden alle Kurse als freistehende Kurse angeboten, was dazu führt, dass die Mehrzahl der Studierenden lediglich ein oder zwei Semester Deutsch studiert. Dieses System hat sowohl Vor- als auch Nachteile: So