Sprachendidaktik. Johannes Wild. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johannes Wild
Издательство: Bookwire
Серия: narr studienbücher
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823301394
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Bezeichnungen zu finden. Dazu mehr im folgenden Abschnitt zur VDG.

      Unter Satzglied versteht man einen Satzbaustein, der aus einem oder mehreren Bestandteilen besteht und der einen inneren Zusammenhalt aufweist. Dieser innere Zusammenhalt zeigt sich darin, dass diese Bausteine – von Ausnahmen abgesehen – nur als Gesamtheit im Satz verschoben werden können. Weitere Nachweismöglichkeiten für Satzglieder sind, dass sie in ihrer Gesamtheit ersetzbar und erfragbar sind. Im Deutschunterricht sind diese Analyseverfahren als sogenannte Glinz’sche Proben bekannt und bereits Lerninhalt des Grundschulunterrichts.

      An der traditionellen Grammatikbeschreibung des Deutschen ist zu kritisieren, dass sie nicht eindeutig beschreiben bzw. vorhersagen kann, welche Satzglieder in einem Satz repräsentiert sein müssen, damit er vollständig und akzeptabel ist. Diesen Makel beseitigt die VDG, indem sie die zentrale Funktion des Prädikats bei der Festlegung von notwendigen Satzgliedern betont.

      3.2.2 Valenz- und Dependenzgrammatik (VDG)

      Die VDG hebt die Sonderstellung des Prädikats im Satz heraus, indem diese Grammatiktheorie davon ausgeht, dass die Verbvalenz festlegt, welche Satzglieder in einem vollständigen Satz mindestens vorhanden sein müssen oder zumindest vorhanden sein können. Dabei wird auch die Sonderrolle des Prädikats betont, da es selbst in dieser Theorie nicht als Satzglied aufgefasst wird. Dies ist insofern überzeugend, als die bereits oben erwähnten Satzgliedproben/Glinz'schen Proben für das Prädikat nicht funktionieren. Diese Theorie ist somit in sich konsistent.

      Im Zentrum dieses Grammatikmodells steht das Verb, das durch seine Valenz (seine Wertigkeit) Leerstellen für Satzglieder öffnet, d.h. das Verb legt Anzahl und Art einer Gruppe von Satzgliedern fest, die als Ergänzungen bezeichnet werden.

      Diese Festlegung von Seiten des Prädikats bezieht sich auf die Ergänzungen, die in der traditionellen Grammatik als Subjekte und Objekte bezeichnet werden. Die in der traditionellen Grammatik als Adverbiale bezeichneten Satzglieder bleiben davon unberührt, da sie frei sind und nicht vom Prädikat gefordert werden. Diese veränderte Funktion der einzelnen Bausteine zeigt sich in der VDG auch darin, dass traditionelle Termini ersetzt werden. In dieser Theorie wird aus dem Subjekt eine Nominativergänzung (ENOM), aus den Objekten dementsprechend Akkusativ-, Dativ-, Genitiv- und Präpositionalergänzungen (EAKK, EDAT, EGEN, EPRÄP). Die nicht vom Prädikat geforderten Adverbialien werden in der VDG als Angaben bezeichnet. Folgende Gegenüberstellung illustriert dies:

Max liest ein Buch im Garten
Traditionelle Schulgramatik Subjekt Prädikat Akkusativobjekt Lokaladverbiale
VDG ENOM Prädikat EAKK ALOK

      Tab. 3.1:

      Vergleich der Kategorien der traditionellen Schulgrammatik mit denjenigen der VDG

      Wir haben zudem in der VDG eine Dichotomie zwischen Ergänzungen (vom Prädikat als Satzbausteine gefordert bzw. ermöglicht) und Angaben (vom Prädikat nicht gefordert). Zu dieser Differenzierung erfahren Sie im Folgenden mehr.

      3.2.2.1 Ergänzungen und Angaben

      Die Anzahl der Ergänzungen in einem vollständigen Satz wird von der Wertigkeit des Verbs festgelegt. Das Konzept der Wertigkeit wurde vom Begründer der VDG – Lucien Tesnière (1893–1954) – eingeführt und als Valenz bezeichnet. Eisenberg (1999, 57) wählt hierzu folgenden Vergleich: „Man spricht vom Verb als vom strukturellen Zentrum des Satzes und vergleicht seine Rolle mit der des Atomkerns, der Elektronen als Satelliten an sich bindet.“

      Ein einwertiges Verb fordert eine Ergänzung, zwei- und dreiwertige dementsprechend zwei oder drei Ergänzungen:

       Die Katze Luna schläft. (schlafen = einwertig)

       Onur isst Steinpilze. (essen = zweiwertig)

       Nadja stiehlt Theresa das Vorlesungsskript. (stehlen = dreiwertig)

      Die Anzahl der möglichen Ergänzungen ist somit durch die Valenz des Verbs bestimmt. Wird dies bei der Satzformulierung missachtet, so können ungrammatische Sätze entstehen. Allerdings lassen Verben zum Teil einen unterwertigen Gebrauch zu, d.h. nicht alle im Stellungsplan des Verbs vorgesehenen Ergänzungen müssen auch tatsächlich im Satz vorkommen. Folgende Beispiele illustrieren dies. Mit Asterisk (*) gekennzeichnete Sätze sind ungrammatisch:

       *Die Katze Luna schläft Nudeln. (schlafen als einwertiges Verb kann keine zweite Ergänzung in den Satz einbinden)

       Die Katze Luna schläft den ganzen Tag. (den ganzen Tag ist keine Ergänzung, sondern eine Angabe und wird nicht vom Verb gefordert)

       Nadja stiehlt das Vorlesungsskript. (stehlen als dreiwertiges Verb kann unterwertig verwendet werden, d.h. die Dativergänzung Theresa muss nicht im Satz erscheinen)

       *Stiehlt Theresa das Vorlesungsskript. (stehlen kann zwar unterwertig verwendet werden, die Nominativergänzung Nadja ist jedoch obligatorisch, d.h. sie muss im Satz repräsentiert sein)

      Bei der Analyse eines Satzes geht man bei diesem Grammatikmodell so vor, dass zunächst die Wertigkeit des Verbs bestimmt wird:

Jemand liest etwas. (lesen = 2-wertig: Wer? Wen/Was?)
Jemand schenkt jemandem etwas. (schenken = 3-wertig: Wer? Wem? Was?)
Jemand schnarcht. (schnarchen = 1-wertig: Wer?)

      Wichtig ist dabei, dass bei der Analyse immer von der Bedeutung im konkreten Satz ausgegangen wird, denn die Valenz des Verbs ist von seiner Bedeutung abhängig. Hierzu erfahren Sie mehr auf S. 35f. Zudem ist zu beachten, dass auch Nebensätze als Satzglieder des Hauptsatzes fungieren können:

        Kevin liest, dass etwas Schlimmes passieren wird.

      Innerhalb dieses Satzgliedes – also innerhalb des Nebensatzes – lassen sich wiederum Satzglieder bestimmen. Das finite Verb im Nebensatz eröffnet aufgrund seiner Valenz wiederum zu besetzende Stellen für Ergänzungen. Dies bezeichnet man als Feinstruktur des Satzes.

      Um Satzglieder zu bestimmen, verwendet man verschiedene Tests, die als Operationen bezeichnet werden. Diese in Schule und Didaktik auch als Glinz’sche Proben (basierend auf Glinz 1952) bekannten Verfahren sind in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ent- und weiterentwickelt worden und finden heute in folgenden Formen Verwendung:

       Umstellprobe/Verschiebeprobe: Es wird erprobt, welche Wortgruppen gemeinsam verschoben werden können.Die Katze Luna spielt mit dem kleinen Hund Nikos hinter dem Haus. <=> Mit dem kleinen Hund Nikos spielt die Katze Luna hinter dem Haus.

       Spitzenstellungstest: Nur Elemente eines Satzes, die die Position vor dem finiten Verb einnehmen können, sind Satzglieder.Die Katze Luna spielt danach mit ihren Ratten. <=> Danach spielt