Forschen. Niklaus Meienberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Niklaus Meienberg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783038551652
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viel und ich bitte Euch betet recht viel für mich damit die Sache gut gehe. Ich wünsche Euch allen meine Lieben eine schöne Ostern und ganz besonders meinem lieben Mueti und dem lb. Vater und bitte Euch nochmals betet für mich, damit ich nicht ganz unglücklich werde. Jetzt eine Bitte. Sendet mir Wäsche und zwar: 1 Hemd (nur ein älteres), 2 Paar Socken, und ein Nastuch. Damit ich Euch die schmutzige Wäsche bald wieder zustellen kann, so sendet mir alles in einem Schachteli. Sendet mir noch einen alten Kamm, wenn es auch nur ein Stück ist von einem Kamm. Ich musste meinen bei der Verhaftung abgeben und habe jetzt keinen, ich habe mich noch nie gekämmt. Johann.»

      Vor seiner Verhaftung war Schläpfer im Militär recht glücklich gewesen, er hatte endlich eine feste Stelle und blühte auf. Nur der Urlaub machte ihm Sorgen, da war er arbeitslos. Deshalb verdingte er sich in den Militärferien im Zivilverhältnis als militärische Bürohilfe, bezog vom 3. Armeekommando einen Monatslohn von 320 Fr., wovon er den Eltern 150 Fr. ablieferte und ausserdem für seine Geschwister etwas Sackgeld beisteuerte. Sein Urlaubsvorgesetzter war mit «seinen Leistungen und seiner Führung ausserordentlich zufrieden, und können wir auf Grund dieser Tatsache Herrn Schläpfer für jede einschlägige Stelle, die sein Fach betrifft, nur bestens empfehlen». Als Schläpfer später in den Geruch des Landesverrats kam, lautete das militärische Führungszeugnis seines Kompaniekommandanten Rupp ganz anders: «Charakter: Jung und unfertig. Dienstliche Führung: Unzuverlässig. Eignung: Unselbständig. Disziplinarstrafen: 1941 drei Tage scharfen Arrest wegen Alkoholgenusses während der Arbeitszeit. Signiert: Hauptmann Rupp, Verpflegungsabt. 9.» In der Verpflegungsabteilung 9 hatte Schläpfer bei seinen Kollegen einen guten Ruf, er war als hilfsbereit bekannt.

      Schläpfer befreundete sich schon in den ersten Monaten des Aktivdienstes mit dem Fourier Zaugg. Dieser sei immer «gut bei Kasse» gewesen, was auf den bedürftigen Schläpfer Eindruck machte. Auch habe er immer sehr hübsche Freundinnen gehabt, während Schläpfer auch in dieser Beziehung nicht viel Erfolg hatte. Als nun Schläpfer wieder einmal Dienst hatte im Minenbüro, wo die Pläne für alle Sprengobjekte der Innerschweiz ausgearbeitet wurden, fragte Zaugg ihn beiläufig: Wenn es jetzt «klöpfen» würde, ob dann die Sprengobjekte geladen seien? Schläpfer antwortete, seines Wissens nicht. Im Laufe der Zeit kam Zaugg dann noch mit weiteren Fragen betreffend Munitionsdepots, Sprengobjekte und Truppenstandorte, auch die Zusammensetzung der Sprengstoffe Trotyl und Chlorat interessierte ihn. Die gewünschten Informationen lagen offen herum auf den Pulten des Minenbüros, und Schläpfer wollte seinem Freund den Gefallen gern tun. Er überreichte ihm einige handgeschriebene und maschinengeschriebene Zettel, ohne Geheimnistuerei, manchmal in einem Restaurant, manchmal auf dem Bahnhofperron, jedenfalls ziemlich naiv. Dafür bezog Schläpfer von Zaugg insgesamt 150 Franken, die er aber später zurückzahlen wollte. Er habe das Geld lediglich bei Zaugg gepumpt, gab er zu Protokoll. Manchmal habe er die Informationen auch Zauggs Braut übergeben, als Belohnung durfte er dann ein wenig mit ihr ausgehen. Diese schöne Begleitung für einen Abend hat ihn immer ganz aufgestellt. Jedenfalls habe er bei der ganzen Sache nicht recht gewusst, dass es um Spionage gegangen sei, er habe gar nichts dahinter vermutet. Unter Fourieren, die ja öfter unterwegs waren, habe man sich gern mit Angaben über Truppenstandorte und andern geographischen Hinweisen ausgeholfen. Wenn es ihm ums Geld gegangen wäre, so hätte er vielleicht 4000 bis 5000 Franken verlangt, und dann wäre ihm finanziell geholfen gewesen. Politische Interessen habe er auch nicht, die diesbezügliche Einstellung des Zaugg sei ihm unbekannt gewesen. Jedoch «jetzt ist mir klar, warum Zaugg ein so guter Kamerad zu mir war, damit er mich ins Unglück stürzen konnte und unser liebes schönes Vaterland verraten. Nie hätte ich an einen Verrat meines schönen Vaterlandes gedacht. Meine finanziellen Verhältnisse sind nicht so gross …, aber nicht im geringsten habe ich an Landesverrat gedacht.» Nachdem Schläpfer vom routinierten Untersuchungsrichter lange genug verhört worden und «weinend zusammengebrochen war und vor sich hin sinniert hatte», gibt er zu Protokoll: «Ich wusste, dass ich einen Verrat militärischer Geheimnisse mit der Abgabe der Auskünfte an Zaugg begangen habe. Ich habe einfach zu wenig überlegt …» Dieses Geständnis wurde später vom Divisionsgericht so interpretiert, dass Schläpfer «objektiven und subjektiven Landesverrat» betrieben habe. Schläpfer hat dieses Geständnis widerrufen, was aber keinen Eindruck auf das Gericht machte. Der Auditor (= Staatsanwalt) beantragte, ihn zum Tode und zu den Kosten zu verurteilen; eventuell zusätzlich zur Degradation, zum Ausschluss aus dem Heer und zu zehn Jahren Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit …

      Die Meinung der militärischen Experten über den Stellenwert der verratenen Objekte war geteilt. Major Vontobel, im Zivilberuf Bauingenieur, sagte: «… Menznau ist ein Armeedepot, von dem übrigens jedes Kind Kenntnis hat … Das Chlorat ist zusammengesetzt aus 90 Prozent Kalium oder Natriumchlorat und 10 Prozent Parafin … Jeder Mineur sollte die Zusammensetzung wissen. An der Instruktion wird das mitgeteilt. Das gehört zu Waffenlehre und Sprengstoffkenntnis.» Der Oberstleutnant Troxler war anderer Ansicht: «Der Landesverrat beginnt mit der unbekümmerten ersten Diskussion über militärische Belange mit unbekannten Dritten, er steigert sich zur bewussten Bekanntgabe gleicher Tatsachen an Drittpersonen, die als Agenten oder Vertreter fremder Nachrichtendienste erkannt sind, und gipfelt in der Entgegennahme von Entschädigungen für solche Dienstleistungen … Versetzen Sie sich einen Augenblick in den Gedankenkreis des Objektchefs, dessen Name nebst andern auf einer Liste gegen ein paar lumpige Franken verschachert wurde, damit ihn gegebenenfalls irgendein anderer verräterischer Schurke vor Erfüllung seiner soldatischen Aufgabe hinstrecken könne aus Deckung und Hinterhalt, dann werden Sie leicht ermessen können, was er von Ihrem Richtspruch erwartet.»

      Das Divisionsgericht 9 «erkannte mit Urteil vom 25. Sept. 1942 Schläpfer der wiederholten Verletzung militärischer Geheimnisse schuldig und verurteilte ihn, gestützt auf Art. 2 Ziff. 1 und 8, 3 Ziff. 1, 218, 86, 106, 27, 49 MStrG, Art. 6 der Verordnung des Bundesrates vom 28. Mai 1940 betr. Abänderung und Ergänzung des MStrG, 1. zum Tode durch Erschiessen, 2. zu den Verfahrenskosten, inbegriffen eine Gerichtsgebühr von 100 Fr., zusammen 549.75 Fr.» In der Urteilsbegründung heisst es unter anderem: «… Aber auch subjektiv wiegt das Verbrechen nicht weniger schwer: Schläpfer hat als Fourier eine vermehrte militärische Ausbildung genossen, und er hat den von ihm geleisteten Fahneneid auf das schändlichste gebrochen. (…) Zu diesem Entscheide gelangt das Gericht nicht etwa, um einer vorhandenen Strömung im Volke zu willfahren, sondern weil es der Auffassung ist, dass die Ausfällung der Todesstrafe im Interesse der Armee und Unabhängigkeit des Landes nicht umgangen werden kann.»

      Dem Zivilverteidiger Schläpfers, Kuno Sonderegger, wurden zwei Tage eingeräumt zur Begründung der Kassationsbeschwerde. In einem Brief, der an den Grossrichter der 9. Division gerichtet ist, begründet Sonderegger die Beschwerde. Erstens sei ihm nur ein Auszug aus den Akten freigegeben worden, damit würden wesentliche Vorschriften des Verfahrens verletzt. Zweitens sei Schläpfer offensichtlich der Verführte gewesen, seine Kenntnisse über die Verwendung der von ihm gemachten Angaben seien völlig unabgeklärt, und er habe sein Geständnis aus glaubhaften Gründen widerrufen. Eindeutig stärker belastete Angeklagte seien zu milderen Strafen verurteilt worden. Eine Verletzung der gesetzlichen Gleichheit beweise auch der Fall eines Hauptmanns, dessen Name der Öffentlichkeit nicht bekannt wurde. Drittens habe Schläpfer in einer unklaren Ideologie gehandelt, wie solche im politischen Leben häufig seien. Viertens könne Schläpfer höchstens nach Kenntnis der Tatbestände, die ihm erst in der Untersuchung klar geworden seien, einsehen, dass seine Handlungen in Wirklichkeit Landesverrat waren.

      Die Kassationsbeschwerde ging mit einem Schreiben des Grossrichters, der Nichteintreten empfahl, an den Oberauditor der Armee nach Bern und von dort mit einem Schreiben des Oberauditors, der Nichteintreten empfahl, an den Präsidenten des Militärkassationsgerichts. Der Oberauditor schrieb unter anderem: «… Vergleiche mit den Straftaten anderer Verurteilter können im Kassationsverfahren, das lediglich Rechtsüberprüfung ist, keine Berücksichtigung finden. Die Beschwerde des Fouriers Schläpfer ist aus diesen Gründen in vollem Umfang abzulehnen.»

      Das Kassationsgericht lehnte die Beschwerde in vollem Umfang ab. Jetzt musste Schläpfer in vollem Umfang den Tod erwarten. Nur die Bundesversammlung stand noch zwischen ihm und den Henkern. Aber sie war eben in die Sommerferien gegangen, als das Urteil eingetroffen war. Also musste Schläpfer auf die Herbstsession warten, wo er auf der Traktandenliste stand. Auf Antrag der Begnadigungskommission der Vereinigten Bundesversammlung lehnte die Vereinigte