Manchmal heckte ich da oben neue Ideen aus, die ich dann zusammen mit Dennis und Tim ausprobieren musste. Stephanie hatte mich schneller durchschaut und ließ sich nicht mehr so einfach für all meine verrückten Ideen begeistern wie die zwei Kleinen. Beispielsweise wollte ich meinen eigenen kleinen Gemüsegarten mit Tomaten, Bohnen und verschiedenen Kräutern anlegen, aber da ich mich fürchterlich vor Würmern und Schnecken ekelte, mussten meine beiden Brüder diese schleimigen Viecher dann für mich aus dem Weg räumen. Als wir unser neues Gummiboot im Bach testen wollten, waren es wieder Dennis und Tim, die als Erste einsteigen mussten. Schließlich wollte ich nicht untergehen. Aber immer passte ich auf uns auf.
Wir vier ließen uns in dieser besonderen Umgebung neu inspirieren. Wir lachten zusammen, hatten Spaß und spielten gerne Streiche – eine unserer Nachbarinnen war unser Lieblingsziel. Inmitten unserer Nachbarschaft fühlten wir uns sehr wohl, nur sie nannten wir «die alte Hexe», weil sie jeweils hinter dem Vorhang auf uns lauerte und das Fenster öffnete, sobald wir in die Nähe kamen. Doch wir waren schneller und schon landete wieder einer unserer Wasserballone in ihrer Stube.
Unsere Eltern bekamen während unserer Kinder- und Jugendjahre wohl viele Anrufe und mussten sich oft für unsere Streiche entschuldigen, welche aber nie aus böser Absicht waren. Sie hatten wirklich enorm viel Geduld mit uns und ließen uns große Freiheit. Wir vier wuchsen in einer Zeit auf, in welcher Kinder noch Kinder sein durften. Das hat uns enorm zusammengeschweißt und ein festes Band um uns gelegt. Wir vier – eine wilde Truppe mit viel Herz.
Ich und mein Name
Interessanterweise habe ich den englischsten Namen von uns vier Kindern. Manchmal fragen mich Leute, ob Jason mein Künstlername sei. Und weil er in der Schweiz nicht so geläufig ist, wird er auch oft falsch ausgesprochen. Aber ich wurde auf genau diesen Namen getauft: Jason Lukas. Lukas, wie mein Vater. Ich denke oft, dass der Name viel über einen Menschen aussagt und vielleicht gar einen Einfluss auf dessen Werdegang hat, auch wenn ich mich noch nie eingehend damit auseinandergesetzt habe. Aber ich frage mich doch, was aus mir geworden wäre, wenn ich Urs oder Paul geheißen hätte.
Als kleiner Junge klebte ich immer an meiner Mutter, erzählt man mir immer wieder. Ich war eben ein richtiges Mami-Kind. Wir beide sind uns sehr ähnlich, pflegen denselben englischen Humor und können uns über Situationen kaputtlachen, die für andere gar nicht lustig sind – eben den schwarzen Humor. Meine Mutter ist gebürtige Engländerin, hatte da oft die Schule und den Wohnort gewechselt. Als sie mit 17 Jahren in die Schweiz gekommen war, hatte sie kein einziges Wort Schweizerdeutsch gesprochen, und dies, obwohl ihr Vater Schweizer ist – ohne den sie aber bei ihrer Mutter in England aufgewachsen ist. Und weil sie durch das ständige Umziehen selbst erfahren hatte, wie schwierig es ist, als Außenseiterin zu leben, sprach sie mit uns Kindern fast kein Englisch. Wir sollten dazugehören – überall. Das wünschte sie sich. Auch für mich. Leider gehen im Leben nicht alle Wünsche in Erfüllung. Vielleicht warten dafür aber umso größere …?
Gemeinsam können sich meine Mutter und ich uns über Dinge amüsieren, welche unsere Umwelt nicht versteht. Beispielsweise über einen gewöhnlichen Kokosnusskuchen, der halt auch nach dem Backen noch immer einen schwimmenden Teig darstellt und Mama und mich dadurch zum Tränenlachen bringt. In Momenten, in denen wir ernst und schweigsam sein sollen, schauen wir uns dann besser nicht an. Diese Vertrautheit in der Familie ist für mich unglaublich wertvoll. Da ist dieser Zusammenhalt, dieses Verständnis, eine unglaublich starke Familienbande – eben Löwenfamilie.
Die Beziehung zu meinem Vater veränderte sich im Laufe der Jahre sehr. Er hatte sich immer für uns eingesetzt, trotzdem war er viel ernster und etwas strenger mit uns. Vor ein paar Jahren brach meine Familie den Kontakt zu Mutters Ursprungsfamilie ab. Wenige Zeit später dann auch zur Ursprungsfamilie meines Vaters. Es gab leider schwerwiegende Probleme in der Verwandtschaft, aber dazu möchte ich mich später noch äußern. Seit diesem Bruch war mein Vater auf jeden Fall viel unbeschwerter, hatte keinen Druck mehr durch seine Familie, und von diesem Zeitpunkt an hatte auch ich ein viel besseres Verhältnis zu ihm. Er durfte endlich glücklich und er selbst sein. Es fühlte sich an wie eine Befreiung für uns alle. Dafür gratuliere ich meinen Eltern, aber speziell meinem Vater.
Mein Herz für Tiere
Neben meiner Familie fand ich Halt und Geborgenheit bei anderen Wesen: bei den Tieren. Zu ihnen hatte ich auch während der ganzen schlimmen Primarschulzeit immer eine gute Verbindung. Bei ihnen musste ich mich nie rechtfertigen oder erklären – bei ihnen durfte ich so sein, wie ich war. Vor allem bei Bibo, unserem herzenslieben Hund, einer Straßenmischung aus Italien, der uns irgendwann einfach adoptierte. Denn eigentlich gehörte er einem Nachbarn in unserer Straße, aber eines schönen Tages kam Bibo daher, spazierte in unsere Küche und bewegte sich nicht mehr weg. Der Nachbar, ein älterer Herr, meinte dazu: «Der hat sich euch ausgesucht!», und schenkte ihn uns daraufhin. Bibo gehörte zu uns und wir konnten uns ein Leben ohne ihn alsbald überhaupt nicht mehr vorstellen. Er war es, der mich neben meiner Mutter am besten trösten konnte. Bibo spürte immer, wenn es mir schlecht ging, kuschelte sich neben mich, als wollte er mir zeigen: «Ich mag dich, komm, bei mir darfst du einfach sein.» Später kam dann noch Charlie in einer Schuhschachtel zu uns. Damals war er noch klein und trug ein Glöckchen um den Hals, und auch er wurde zu einem lieben Freund. Ich glaube, es gibt keine treuere Seele als die des Hundes.
Als ich dann Max und Moritz, zwei kleine Hamster, geschenkt bekam, eröffnete sich für mich ein neues Hobby. Ich freute mich und pflegte die beiden, bis sich herausstellte, dass Max eine Maxine ist und eines schönen Morgens zehn kleine Babys im Käfig lagen. Erst erschraken wir, als wir die nackten, noch blinden Würmchen sahen – also vor allem meine Eltern –, doch dann beruhigte ich sie und versicherte ihnen, mich gut um die Tiere zu kümmern. So wurde ich mit gerade mal elf Jahren zum Hamsterzüchter.
Ich schaute Dokumentationen, las Bücher darüber, wollte Hintergründe zu den einzelnen Stammbäumen erfahren und züchtete verschiedene Kreuzungen. Dahinter steckte eine richtige Wissenschaft, die mich faszinierte. Ja, ich weiß, irgendwie war ich schon ein kleiner Freak. Ich telefonierte und belieferte etwa fünf Jahre lang praktisch alle Zoohandlungen in der Umgebung und besserte dadurch mein Taschengeld auf. Pro Hamster verdiente ich nämlich zwei Franken.
Einmal passierte beinahe ein Unfall während einer Lieferung. Mein Vater fuhr uns, eine Kollegin, mich und die kleinen Hamster, zur nächsten Zoohandlung. Aus Jux nahm die Kollegin ein kleines Pelztier aus der Schachtel, hielt es meinem Vater ans Ohr und konnte nicht ahnen, dass er sich vor meinen geliebten Hamstern etwas ekelte. Er erschrak furchtbar und fuhr uns fast in den Straßengraben. Wir kamen jedoch glimpflich davon. Diese Kollegin ist auch heute noch als «Nicole, der Hamsterschreck» bei uns bekannt.
Durch meine Hamsterzucht konnte ich meiner Familie zeigen, dass ich Verantwortung übernehmen konnte. Ich war nicht nur im Zirkus geschickt, sondern bewies, dass ich auch sonst ein ideenreiches Kind war. Diese lustige Geschichte erzähle ich heute noch gerne.
Drei weiße Federn
Ein anderes Tier muss an dieser Stelle natürlich auch noch erwähnt werden: «Tigerli», mein Kuscheltier, eine Art Raubkatze, ähnlich ein Panther, jedoch nicht schwarz. Ganz einfach mein «Tigerli», den ich zur Geburt von meinem Patenonkel geschenkt bekommen hatte und der mich bis zu meinem zwölften Lebensjahr überallhin begleiten durfte und dadurch aus manch misslichen Situation gerettet werden wollte: Einmal fiel er mir im Zoo einen Abhang runter, mitten in ein Feld von Brennnesseln. Ja, und dann war es mein Vater, der mein Kuscheltier rettete und sich an dem miesen Unkraut verbrannte.
Irgendwann habe ich «Tigerli» leider verloren. Vielleicht war es in der Zeit, als ich spürte, viel Gutes in mir zu haben, als ich selbstbewusster wurde, nicht mehr an Äußerlichem Halt suchte, sondern dieses Vertrauen in mir fand. Mein Patenonkel hatte wohl intuitiv ganz zu Anfang schon gewusst, was mir guttat und was ich brauchte. Das blieb auch im späteren Leben so. Noch heute pflege ich zu ihm, wie auch zu meiner lieben Patentante, ein herzliches Verhältnis. Ehrliche