Die Thermochemie stellt eine der Hauptanwendungen der Thermodynamik in der Chemie dar. Anhand thermochemischer Daten Lässt sich die Energie untersuchen, die bei chemischen Reaktionen in Form von Wärme aufgenommen oder freigesetzt wird, wie z. B. bei der Verbrennung von Kraftstoffen oder der Verwertung von Nahrung durch Lebewesen. Auch in vielen anderen praktischen Anwendungsgebieten der Thermodynamik wird auf diese Daten zurückgegriffen.
Schlüsselideen
Reaktionsenthalpien können miteinander kombiniert werden, um daraus Daten für andere Reaktionen zu gewinnen, die gerade von Interesse sind.
Voraussetzungen
Sie sollten mit der Definition der Enthalpie vertraut sein, und Sie sollten wissen, dass die Enthalpie eine Zustandsfunktion ist (Abschn. 2.2). Bei der Diskussion der Temperaturabhängigkeit von Reaktionsenthalpien benötigen wir Informationen aus der Beschreibung der Wärmekapazitäten (Abschn. 2.2).
Die Thermochemie beschäftigt sich mit der Untersuchung der Energie, die bei chemischen Reaktionen in Form von Wärme aufgenommen oder freigesetzt wird. In Analogie zu den schon besprochenen Fragen der Thermodynamik können wir das Reaktionsgefäß als System betrachten; die chemische Reaktion führt zu einem Energieaustausch zwischen System und Umgebung. Entsprechend ist der Wärmeeffekt der Reaktion kalorimetrisch zugänglich, q wird als Änderung der Inneren Energie (wenn die Reaktion bei konstantem Volumen verläuft; siehe Abschn. 2.1) oder der Enthalpie (bei Reaktionen unter konstantem Druck; siehe Abschn. 2.2) interpretiert. Wenn wir umgekehrt ΔU oder ΔH einer Reaktion kennen, können wir die produzierte (bzw. verbrauchte) Wärmemenge voraussagen.
Wie in Abschn. 2.1 bereits angemerkt, bezeichnen wir einen Prozess, der unter Energiefreisetzung (und Erwärmung der Umgebung) verläuft, als exotherm, und einen Prozess, dem Energie zugeführt werden muss (wobei sich die Umgebung abkühlt), als endotherm. Da eine Energiefreisetzung durch Erwärmung der Umgebung eine Abnahme der Enthalpie des Systems (bei konstantem Druck) zur Folge hat, kann man schließen: Für exotherme Prozesse gilt ΔH < 0. Umgekehrt steigt die Enthalpie durch die Aufnahme von Energie unter Abkühlung der Umgebung an; für endotherme Prozesse gilt also ΔH > 0. Wir fassen zusammen:
2.3.1 Standardenthalpien
Tabellenwerte von Enthalpieänderungen werden meist auf einen Satz von Standardbedingungen bezogen. In unseren weiteren Ausführungen werden wir daher stets die Änderung der Standardenthalpie ΔH⊖ angeben; dies ist die Änderung der Enthalpie eines Prozesses, dessen Ausgangsstoffe und Endprodukte sich jeweils in ihren Standardzuständen befinden:
Der Standardzustand einer Substanz ist ihre reine Form bei der jeweiligen Temperatur und einem Druck von 105 Pa (0,1 MPa, 1 bar).
Der Standardzustand von flüssigem Ethanol bei 298 K ist zum Beispiel reines flüssiges Ethanol bei einem Druck von 0,1 MPa (1 bar) und einer Temperatur von 298 K; analog gilt als Standardzustand von festem Eisen bei 500 K reines Eisen bei einem Druck von 0,1 MPa (1 bar) und einer Temperatur von 500 K. Für Flüssigkeiten ist die Definition des Standardzustands komplizierter (siehe Abschn. 5.5). Die Änderung der Standardenthalpie während einer chemischen Reaktion oder eines physikalischen Prozesses ergibt sich aus der Differenz der Enthalpien der Produkte im Standardzustand und der Ausgangsstoffe im Standardzustand bei derselben festgelegten Temperatur.
Betrachten wir ein Beispiel für eine Standardenthalpieänderung, die Standardverdampfungsenthalpie: ΔVH⊖ ist die molare Differenz der Enthalpie, wenn eine Flüssigkeit bei einem Druck von 0,1 MPa (1 bar) in ein Gas unter einem Druck von 0,1 MPa (1 bar) überführt wird, wie in
Das Beispiel verdeutlicht noch einmal, dass man Standardenthalpien bei jeder beliebigen Temperatur angeben kann; allerdings wird die Angabe thermodynamischer Daten bei 298,15 K (25,00 °C) empfohlen. Auch wir werden, wenn nicht anders vermerkt, alle Daten bei dieser Temperatur angeben.
Hinweis Die moderne Konvention für die Schreibweise ist, das Symbol für die Art des Übergangs an das Δ zu schreiben, nicht an die physikalischen Größe (in diesem Fall H), also ΔVH, nicht ΔHV. Die ältere Schreibweise ist jedoch auch noch häufig anzutreffen. Die moderne Vereinbarung ist logischer, weil sich der Index auf die Art der Zustandsänderung bezieht und nicht auf eine physikalische Größe, die mit der Änderung im Zusammenhang steht.
(a) Enthalpieänderungen bei physikalischen Zustandsänderungen
Die Änderung der Standardenthalpie während einer physikalischen Zustandsänderung nennt man Standard-Phasenübergangsenthalpie ΔTransH⊖ (siehe Tab. 2.3). Beispiele sind die bereits vorgestellte Standardverdampfungsenthalpie ΔVH⊖ oder die Standardschmelzenthalpie ΔSmH⊖, die beim Übergang eines Feststoffs in den flüssigen Aggregatzustand auftritt:
Wie in diesem Beispiel ist es manchmal zweckmäßig, die Enthalpien sowohl bei der Temperatur der Phasenübergangs als auch bei der üblichen Temperatur von 298,15 K zu kennen. Verschiedene in der Thermodynamik häufig vorkommende Enthalpien sind in Tab. 2.4 zusammengefasst; wir werden ihnen an vielen Stellen in diesem Buch begegnen.
Die Enthalpie ist eine Zustandsfunktion – eine Enthalpieänderung hängt daher nicht vom Weg ab, auf dem der Prozess verläuft. Diese Eigenschaft ist für die Thermochemie sehr wichtig, da aus ihr folgt, dass man denselben Wert für ΔH⊖ erhält, egal wie man die Umwandlung vom Ausgangs- in den Endzustand bewerkstelligt. So können wir die Überführung eines Feststoffs in ein Gas entweder als Sublimation durchführen,
Tab. 2.3 Standardschmelz- und -verdampfungsenthalpien bei der jeweiligen Übergangstemperatur, ΔTransH⊖/(kJ mol–1).*)
Substanz | TSm/K | ΔSmH⊖ | TV/K | ΔVH⊖ |
Argon, Ar | 83,81 | 1,188 | 87,29 | 6,506 |
Benzol, C6H6 | 278,61 |
10,59
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