Die enorme Leistungsfähigkeit der Thermodynamik wird besonders deutlich beim Erkennen und Formulieren von Zusammenhängen zwischen verschiedenen Zustandsgrößen eines Systems. Es wird sich zeigen, dass man unbekannte Größen des Systems, die man nicht direkt messen kann, auch indirekt durch geeignete Kombination messbarer Eigenschaften erhält – ein Aspekt der Thermodynamik, der für die praktische Arbeit nützlich ist. Mithilfe der Beziehungen, die wir in diesem Kapitel herleiten werden, können wir unter anderem die Verflüssigung von Gasen erklären und das Verhältnis der Wärmekapazitäten eines Stoffs unter verschiedenen Bedingungen ermitteln.
2.4.1 Totale und nicht totale Differenziale; 2.4.2 Änderungen der Inneren Energie; 2.4.3 Änderungen der Enthalpie; 2.4.4 Der Joule-Thomson-Effekt
2.5 Adiabatische Änderungen
„Adiabatische” Prozesse finden ohne Wärmeaustausch statt. In diesem Abschnitt werden wir reversible adiabatische Änderungen idealer Gase beschreiben, denn diese Vorgänge sind für thermodynamische Analysen von großer Bedeutung.
2.5.1 Änderung der Temperatur; 2.5.2 Änderung des Drucks
Anwendungen
Ein bedeutender Anwendungsbereich der Thermodynamik ist die energetische Untersuchung von Brennstoffen und ihrem Äquivalent für Lebewesen, der Nahrung. Eine zusammenfassende Betrachtung der thermochemischen Aspekte von Brennstoffen und Nahrungsmitteln finden Sie in „Anwendung 3: Technologie – Thermochemische Aspekte von Brennstoffen und Nahrungsmitteln” am Ende von Abschn. 2.3.
2.1 Grundbegriffe
Motivation
Der Erste Hauptsatz der Thermodynamik ist die Basis für die Diskussion, welche Rolle der Energie in der Chemie zukommt. Immer wenn wir uns bei physikalischen Umwandlungen oder chemischen Reaktionen mit energetischen Aspekten befassen, bilden die Konzepte, die im Ersten Hauptsatz der Thermodynamik zusammengefasst sind, hierfür die Grundlage.
Schlüsselideen
Die Gesamtenergie eines abgeschlossenen (isolierten) Systems ist konstant.
Voraussetzungen
In diesem Abschnitt greifen wir unsere Betrachtungen zu idealen Gasen (Abschn. 1.1) wieder auf, insbesondere die Zustandsgleichung des idealen Gases. Von grundlegender Bedeutung für die Argumentation in diesem Abschnitt ist außerdem die Definition der Arbeit, wie sie in „Toolkit 6: Arbeit und Energie” beschrieben ist.
In der Physikalischen Chemie teilt man die Welt zweckmäßigerweise in zwei Teile, das System und seine Umgebung. Das System ist der Teil, den wir untersuchen wollen; das kann ein Reaktionsgefäß sein, eine Maschine, eine elektrochemische Zelle, eine biologische Zelle und so weiter. Von der Umgebung aus betrachten wir das System und messen seine Eigenschaften. Die Art des Systems wird durch die Eigenschaften seiner Begrenzung zur Umgebung bestimmt (Abb. 2.1): Wenn durch diese Grenze hindurch ein Stoffaustausch zwischen System und Umgebung stattfinden kann, bezeichnet man das System als offen; kann kein Stoffaustausch stattfinden, ist es geschlossen. Sowohl offene als auch geschlossene Systeme können mit der Umgebung Energie austauschen. Beispielsweise kann ein System expandieren und dabei ein Gewicht in der Umgebung anheben; wenn ein Temperaturunterschied besteht, kann auch Wärme übertragen werden. Abgeschlossen (oder auch isoliert) nennt man ein geschlossenes System, das weder mechanisch noch thermisch mit der Umgebung in Kontakt tritt.
Abb. 2.1 (a) Für ein offenes System sind Stoff- und Energieaustausch mit der Umgebung möglich. (b) Bei einem geschlossenen System kann ein Energie-, aber kein Stoffaustausch mit der Umgebung stattfinden. (c) Für ein abgeschlossenes (isoliertes) System sind weder Stoff- noch Energieaustausch mit der Umgebung möglich.
2.1.1 Arbeit, Wärme und Energie
Obwohl sich die Thermodynamik im Grunde mit Beobachtungen an makroskopischen Systemen befasst, können wir unser Verständnis enorm erweitern, wenn wir die Ursachen dieser Beobachtungen auf der Ebene der Moleküle im Auge behalten.
(a) Grundlegende Definitionen
Die für die Thermodynamik grundlegende physikalische Eigenschaft ist die Arbeit: Arbeit ist eine Bewegung entgegen der Wirkung einer Kraft (siehe „Toolkit 6: Arbeit und Energie”). Bei einem Prozess wird Arbeit verrichtet, wenn er im Prinzip dazu benutzt werden könnte, ein Gewicht in der Umgebung anzuheben. Ein Beispiel wäre ein Gas, das durch Ausdehnung einen Kolben bewegt, der wiederum ein Gewicht anhebt. Auch eine chemische Reaktion, die einen Strom durch einen Widerstand fließen lässt, verrichtet Arbeit, denn dieser Strom könnte genauso gut einen Motor antreiben, der dann das Gewicht hebt.
Unter der Energie eines Systems verstehen wir seine Fähigkeit, Arbeit zu verrichten (siehe „Toolkit 6: Arbeit und Energie”). Wenn Arbeit an einem ansonsten abgeschlossenen System verrichtet wird (etwa durch Komprimieren eines Gases oder Spannen einer Feder), wächst die Fähigkeit dieses Systems, selbst Arbeit zu verrichten; seine Energie steigt also. Wenn das System Arbeit verrichtet (der Kolben gibt nach, die Feder entspannt sich), bedeutet dies eine Reduzierung seiner Energie, da es danach weniger Arbeit verrichten kann.
Durch Experimente kann man zeigen, dass die Änderung der Energie eines Systems nicht unbedingt durch Arbeit erfolgen muss. Wenn sich die Energie eines Systems als Folge einer Temperaturdifferenz zur Umgebung ändert, sagt man: Energie wurde in Form von Wärme übertragen. Bringt man eine Heizspirale in ein Becherglas mit Wasser (unser System), steigt die Fähigkeit dieses Systems, Arbeit zu verrichten (da Wasserdampf umso stärker expandieren kann, je heißer er ist). Nicht durch alle Grenzflächen hindurch kann ein Energietransfer stattfinden – selbst dann nicht, wenn eine Temperaturdifferenz zwischen System und Umgebung vorliegt. Wände, die einen Austausch von Energie in Form von Wärme erlauben, nennt man diathermisch; solche, bei denen das nicht möglich ist, heißen adiabatisch.
Toolkit 6: Arbeit und Energie
Arbeit, w, wird verrichtet, wenn ein Gegenstand gegen die Richtung einer auf ihn wirkenden Kraft, F, verschoben wird. Für eine Verschiebung um einen infinitesimal kleinen Betrag ds (ein Vektor) ergibt sich für die Arbeit, die am Objekt verrichtet wird,
wobei F · ds das „Skalarprodukt” der Vektoren F und ds ist:
Die Energie, die in Form von Arbeit vom System abgegeben wird, dw, ergibt sich aus dem negativen Betrag der am Objekt verrichteten Arbeit, also ist