Das lachende Baby. Caspar Addyman. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Caspar Addyman
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783956144479
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Teil der Interaktion zu regulieren. Das verbessert die Qualität der Interaktion, und dadurch sind Elternteil und Kind noch stärker im Einklang. Emotionale Stabilität hilft dem Kind, mit der Welt zu interagieren, und die Effekte sind langfristig.

      Professor Feldman hat viele Babys ab einem Alter von drei Monaten bis zur Adoleszenz beobachtet. Einige Kinder aus ihren Untersuchungen sind inzwischen 20 Jahre alt. Sie hat festgestellt, dass die aufmerksame Versorgung durch die Eltern in den ersten Jahren bewirkt, dass die Kinder als Teenager und auch später sozialer sind und mehr Empathie zeigen (R. Feldman 2007, 2015). Natürlich kann auch das Gegenteil passieren: Ein schlechter Anfang kann alles noch schwieriger machen. Aber die hoffnungsvolle Botschaft lautet, dass diese Systeme nicht starr sind und graduelle Verbesserungen sich ansammeln. Mehr Aufmerksamkeit heute macht die Dinge morgen leichter, und so weiter.

       Gute Brust, böse Brust

      Ein bemerkenswerter Punkt in Ruth Feldmans Forschungen ist, dass sie Gedanken in einem neuen Licht erscheinen lassen, die erstmals in der Objektbeziehungstheorie der Psychoanalyse auftauchten. In den 1930er-Jahren vertrat Melanie Klein die Ansicht, die Reaktion eines Babys auf frühe Fütterungsmuster könne darüber entscheiden, ob sie in Zukunft glücklich und beziehungsfähig seien. Wenn ein hungriges Baby gefüttert werde, werde die Mutter zur »guten Brust«. Wenn es keine Nahrung erhalte, sei sie die »böse Brust«. Klein meinte, es führe zu langwierigen Problemen, wenn ein Baby nicht in der Lage sei zu erkennen, dass die gute Brust und die böse Brust in ein und derselben Person nebeneinander existieren.

      Ich muss zugeben, dass ich diese Gedanken absurd fand, als ich sie zum ersten Mal hörte. Die blumige Sprache der Psychoanalyse machte es nicht besser. In Beitrag zur Psychogenese der manisch-depressiven Zustände schreibt Melanie Klein:

      Das Ich introjiziert von Anfang an sowohl »gute« als auch »böse« Objekte, und für beide stellt die Mutterbrust den Prototyp dar – für die guten Objekte, wenn sie das Kind befriedigt, für die bösen, wenn sie sich ihm versagt. Da das Baby seine eigene Aggression auf diese Objekte projiziert, empfindet es sie als »böse«, und zwar nicht nur insofern, als sie seine Bedürfnisse nicht befriedigen: Das Kind nimmt sie vielmehr als wirkliche Gefahr wahr – als Verfolger, die es verschlingen, sein eigenes Körperinneres ausrauben, es in Stücke schneiden und vergiften, kurz: mit allen Mitteln des Sadismus zerstören wollen (Klein 1996 [1935], S. 35).

      Das ist natürlich lächerlich. Babys geraten in Verzweiflung, aber sie fürchten keines der Schreckensbilder, die Melanie Klein malt. Sie sind nicht in der Lage, solche Katastrophenszenarios zu entwickeln. Ihre Probleme sind unmittelbarer. Wenn sie Hunger haben oder sich unwohl fühlen, wollen sie, dass es aufhört. Wenn sie gefüttert werden, sind sie glücklich. Die Forschungen von Ruth Feldman zeigen, dass ihre frühen Interaktionen langfristige Folgen haben, aber nicht so, wie Melanie Klein sich das vorstellte.

      Selbst viele Psychoanalytiker waren schockiert von Kleins düsteren Fantasien. Doch ihre Ideen begrüßten sie als eine Weiterentwicklung der Gedanken von Sigmund Freud. Freud interessierte sich nie besonders für Babys als Babys. Die freudsche Psychoanalyse ist eine Form der Gesprächstherapie für Erwachsene, die sich auf Geschichten, Archetypen und Mythen stützt. Geschichten sind in der Therapie menschlicher und nachvollziehbarer, aber für Freud mussten sie vor allem interessant sein. Deshalb war für ihn unser höchst komplexes Unterbewusstsein voll von primitiven Emotionen und ungelösten Konflikten. Nach seiner Sicht werden wir alle mit Fehlern geboren, voller Liebe, Hass, Neid, Angst und Schuld. Tatsächlich ist eine Kindheit nicht so, aber das ließ er nicht gelten, wenn es um eine gute Geschichte ging. Für Freud waren Babys dazu da, dass man ihnen die Fehler der Erwachsenen anlasten konnte, zu denen sie geworden waren.

      Freuds jüngste Tochter Anna und ihre Analytikerkollegin Melanie Klein setzten Kinder an die erste Stelle. Sie arbeiteten beide direkt mit Kindern und nahmen das emotionale Erleben von Kindern sehr ernst. Anna Freud veröffentlichte 1927 ihr Buch Einführung in die Technik der Kinderanalyse. Darin knüpfte sie an die Auffassung ihres Vaters an, dass es in unserer Psyche Ich, Es und Über-Ich gibt und wir eine Reihe von genau definierten Stadien der psychosexuellen Entwicklung durchlaufen. Melanie Kleins Buch Die Psychoanalyse des Kindes erschien 1932. Sie hatte richtig erkannt, dass die emotionale Entwicklung sehr viel komplizierter war, als Freuds sauber getrennte Stadien es suggerierten. Aber sie ging noch viel weiter bei der Schilderung von Wut und Angst in der Kindheit.

      Nach Freuds Tod 1939 kämpften Anna Freud und Melanie Klein um sein Erbe. 1944 einigten sie sich, dass sie sich nicht einigen konnten, und die Psychoanalyse teilte sich in eine freudianische Schule, eine kleinianische Schule und eine Mittelgruppe, die sich von beiden distanzierte. Das Anna Freud National Centre for Children and Families in London leistet seit mehr als sechs Jahrzehnten wichtige Forschungen zur geistigen Gesundheit von Kindern. In Großbritannien und Lateinamerika sind kleinianische Ideen weiterhin sehr einflussreich. Das vielleicht wichtigste Vermächtnis hat Melanie Klein womöglich in Gestalt zweier Schüler hinterlassen, Donald Winnicott und John Bowlby. Beide waren ausgebildete Ärzte und Psychiater, und beide hatten sehr viel mit Kindern gearbeitet, bevor sie zur psychoanalytischen Ausbildung zu Melanie Klein kamen. Letztlich wandten sich beide von ihrer düsteren und von Krisen bestimmten Sicht der Mutter-Kind-Beziehung ab.

       So etwas wie ein Baby gibt es nicht

       So etwas wie ein Baby gibt es nicht, das heißt, wenn man ein Baby beschreiben will, beschreibt man immer ein Baby und eine andere Person. Ein Baby kann nicht allein existieren, sondern ist immer Teil einer Beziehung.

      Donald Winnicott, The Child, the Family and the Outside World, 1964

      Winnicott hatte eine sehr viel positivere Botschaft für die Mütter als Melanie Klein: Im Großen und Ganzen haben Mütter eine natürliche Einstellung zur Mutterschaft und besitzen ein instinktives Wissen, wie sie ihre Babys versorgen müssen, denn sie sind selbst einmal Babys gewesen. 1943 hielt Winnicott im BBC-Radio eine Reihe von Vorträgen unter dem Titel »Glückliche Kinder« und entdeckte dabei sein Talent, seine Gedanken mit einfachen Worten auszudrücken. Er wurde danach immer wieder eingeladen, so auch 1945 zu der Reihe »Ihr Baby kennenlernen«; dabei wandte er sich direkt an junge Mütter. Er versicherte den Müttern, sie würden »gut genug« für ihre Babys sein. In den ersten Monaten, in denen es um Halten, Füttern, Aufmerksamkeit für und Einstimmung auf das neue Baby gehe, sei die Mutter für das Baby die Welt.

      Nach seiner Auffassung stärkt eine aufmerksame Mutter ihr Baby. Sie registriert, wann es Hunger hat, und wenn sie ihm rasch zu essen gibt, sorgt sie dafür, dass das Baby sich stark, ruhig und zuversichtlich fühlt. Die Mutter verkörpert für das Kind die Welt. Aufmerksamkeit mag als Kleinigkeit erscheinen, aber in der Welt eines Babys hat sie große Bedeutung. Ganz richtig lag Winnicott mit seiner Abneigung gegen »Menschen, die immer Babys auf ihren Knien auf und ab hüpfen lassen, damit sie lachen«. Für ihn war das eine egoistische Handlung, bei der der Erwachsene durch das Baby unterhalten werden will, statt sich auf die Bedürfnisse des Babys in diesem Moment einzustellen.

      John Bowlbys Arbeit ähnelt der von Winnicott, ergänzt sie aber auch. Während Winnicott der Objektbeziehungstheorie verhaftet blieb, wurde Bowlby mehr von Biologie, Psychologie und anderen Naturwissenschaften beeinflusst. Konrad Lorenz hatte ihn inspiriert, er korrespondierte mit ihm und anderen Verhaltensforschern. Die Fähigkeit der Mutter, ihr Kind zu versorgen und eine Verbindung zu ihm herzustellen, führte er mehr auf von der Evolution angelegte Instinkte zurück als auf unbewusste Erinnerungen an ihre eigene Kindheit. Seiner Meinung nach waren aus der Sicht des Kindes reale Erfahrungen und Beziehungen wichtiger als Gedanken und Fantasien.

      Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm Bowlby die Leitung der Kinderabteilung der Tavistock Clinic in London, eines Zentrums für die Erforschung und Behandlung seelischer Probleme, und bezeichnenderweise benannte er sie um in Abteilung für Kinder und Eltern. Während des Krieges hatte Bowlby sich mit gestörten Kindern und aus London evakuierten Kindern befasst. Er führte viele Probleme auf die Tatsache zurück, dass die Kinder lange von ihrer wichtigsten Bezugsperson getrennt gewesen waren. Ein paar Jahre später bildete er ein Team mit der Kanadierin Mary Ainsworth.