»Das wäre genau, was wir uns vorstellen«, sagte Michael Neuhuber, der immer noch überrascht wirkte.
»Das ist eine einmalige Chance. Für Ihre Stadt und das ganze Bundesland«, sagte Dr. Höllinger.
»Für Sie in Berlin offenbar auch«, sagte Herr Gurdulic, und Dr. Höllinger verstummte, als fühlte sie sich in ihrem Enthusiasmus ertappt. Ich fragte mich, ob sie auch KD-Pratz-Fan war oder einfach eine Karrierechance witterte, sich auf die Fahnen schreiben wollte, einen solchen Museumsneubau eingefädelt zu haben.
»Wobei«, fügte Frau Höllinger etwas ruhiger hinzu, »das Leuchtturm-Projekt-Programm natürlich eine Form von Förderung ist, die private Spenden matcht. Wir fördern damit ja das zivilgesellschaftliche Engagement.«
»Ja, natürlich, sehr wichtig«, sagte Michael.
»Deswegen wird das nur etwas, wenn die Grundlagenermittlung des Bauvorhabens zusammen mit einem Vorentwurf mit 500.000 Euro aus den Mitteln Ihres Fördervereins vorfinanziert werden.«
»Das ist natürlich auch sehr verständlich. Und sicherlich kein Problem«, sagte er mit einem leichten Zögern, das wahrscheinlich nur mir auffiel, weil ich wusste, dass KD Pratz im Förderverein nicht nur Fans hatte. »Aber für den Fall, also nur für den hypothetischen Fall, dass das nicht sofort in vollem Umfang möglich sein wird, finden wir doch sicherlich einen Plan B.«
»Ohne das Geld des Fördervereins wird das nichts«, sagte Dr. Höllinger.
»Ist so«, sagte Herr Gurdulic.
»Na, ist ja auch egal. Ich bin mir sicher, dass wir den Förderverein überzeugen können«, sagte Neuhuber. »Ich habe nur gefragt, weil es ja immer ein kleines, theoretisches Restrisiko …«
»Was meinen Sie damit?«
»Es gibt in diesem Förderverein durchaus Leute mit eigenen Kopf«, sagte Michael und fügte eilig hinzu, »was ja gut ist.«
Nun sah die ganze Runde mich an. Sie hatten sich an meine Anwesenheit erinnert.
»Also, der Förderverein …«, begann ich, als Michael mich unterbrach:
»Es gibt Teile des Fördervereins, die sind etwas … na ja …
»… high maintenance«, sagte ich.
»Das Frankfurter Bürgertum ist zwar durchaus kunstsinnig«, sagte Michael und sah Herrn Gurdulic kurz an, »will aber von diesem Kunstsinn auch den Nutzen haben, dass es mitreden kann.«
»Das stimmt«, sagte ich.
»Ich weiß, dass es in dem Förderverein einflussreiche Mitglieder gibt, die sich auf jeden Fall KD Pratz wünschen. Aber es gibt wiederum andere, die in dem Erweiterungsbau lieber unsere nicht unbedeutenden Bestände zeigen wollen. Wir haben auch ein Konzept vorliegen für eine geteilte Ausstellung mit Werken von Gudrun Pause und anderen Künstlern. Zum Beispiel hat das Wendevogel-Museum die größte zusammenhängende Sammlung verschimmelter Objekte von Dieter Roth, einige Fotografien von Sebastião Salgado und zwei Rauminstallationen von Yoko Ono. Die mit dem grünen Apfel und die mit dem umgekippten Stuhl. Und dann noch Detonation Deutschland, eine …«
»Nein! Dieses Programm fördert Leuchttürme. Keine Gemischtwarenläden«, rief Dr. Höllinger.
»Und schon gar nicht diese blöde Pause«, sagte Herr Gurdulic.
»Gudrun Pause«, fügte Dr. Höllinger mit noch mehr Verachtung hinzu, als wäre auch das schon wieder ein Wettbewerb zwischen den beiden, »davon halten wir in Berlin nicht so viel.«
»Ich auch nicht«, sagte Michael Neuhuber, »aber der Förderverein ist nun einmal etwas eigen.«
»Mit Pause kann ich Ihnen eine Finanzierung nicht in Aussicht stellen«, sagte Dr. Höllinger.
»Und ich nicht mit Äpfeln von Yoko Ono«, sagte Herr Gurdulic.
»Ich finde das auch keine gute Idee, aber der Förderverein entscheidet unabhängig vom Museum, da sind mir ein Stück weit die Hände gebunden.«
»Dann müssen Sie die halt manipulieren«, sagte Dr. Höllinger. »Sie machen doch diese wunderbaren Kulturreisen, Veneto, Stockholm, diese Bildungsbürgerbespaßung, wie Sie das vorhin in Ihrer Präsentation genannt haben.«
Michael Neuhuber warf mir einen verschämten Blick zu.
»Nehmen Sie doch die dreißig wichtigsten Leute aus Ihrem Förderverein und fahren da hin.«
»Zu KD Pratz?«
»Ist doch nicht weit. Sie machen das schön exklusiv, lernen ihn kennen, es gibt leckeren Wein, dann werden die schon zustimmen. Zur Not schauen Sie sich noch dieses Kloster an, wo Hildegard von Bingen war«, sagte Sibylle Höllinger.
»St. Hildegard. Das ist eine Wallfahrtskirche«, sagte Herr Gurdulic.
»KD Pratz wird uns nicht empfangen. Ich habe ja einige Male kurz mit ihm telefoniert und befürchte seitdem, die ganzen Berichte darüber, was für ein schwieriger Mensch er ist, sind eher noch untertrieben«, sagte Michael.
»Sie werden das schon schaffen. Sie wollen doch Ihren Förderverein überzeugen, und das geht nun einmal am besten im persönlichen Kontakt. Wenn der Förderverein KD Pratz nicht will, gibt es keine Zusage von uns«, sagte Dr. Höllinger. »Fahren Sie auf seine Burg, sehen Sie sich an, wie er arbeitet, dann werden Sie Ihre Millionäre schon dazu bekommen.«
»Aber er lässt seit Jahren niemanden mehr rein.«
»Es hat ihm auch noch nie jemand ein Museum bauen wollen.«
»Ich glaube nicht, dass das so funktioniert«, hörte ich mich plötzlich sagen. »KD Pratz ist nicht käuflich. Er hat sich sein ganzes Leben gegen jede Form des Anbiederns gesperrt. Wer wohnt schon sonst allein auf einer Burg? Wenn jemand nicht käuflich ist, dann er.«
Dr. Höllinger sah mit einem mitleidsvollen Lächeln kurz Michael Neuhuber an, dann länger Herrn Gurdulic, als wollte sie sagen, dass ich noch viel lernen müsste, weil ich daran glaubte, dass zumindest einige Menschen an ihren Idealen festhielten, egal, was kam. Dann wandte sie sich an mich: »Ich arbeite seit Jahren im Kulturbetrieb. Nicht käuflich habe ich noch nie gesehen.«
»KD Pratz ist anders«, sagte ich. Die BKM-Frau zuckte mit den Achseln und seufzte ein Seufzen, das sie plötzlich ganz mädchenhaft wirken ließ. Und fügte hinzu: »Also, Herr Marx, Herr Neuhuber, das ist wirklich ein fantastisches Projekt! Wir haben den Eindruck, dass Sie das Museum und den Förderverein äußerst vorbildlich führen. Wir haben vollstes Vertrauen, dass Ihnen das ganz wunderbar gelingt.«
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