Kai Ebel - Von Schumacher bis Schumacher. Kai Ebel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kai Ebel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783903376014
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Schumacher ist nicht perfekt. Einmal mehr stellt er seine Ehrlichkeit unter Beweis. Er hätte ja auch sagen können, dass es Absicht gewesen sei. Eine gewollte Showeinlage. Aber nein, er gibt seinen Fehler offen zu. Dafür schätze ich ihn.

      SCHUMI KLAUT REIFEN AUS DEM MÜLL

      Vom „No-Name“ bis zum erfolgreichsten Fahrer der Formel-1-Geschichte – ein weiter und steiniger Weg! Michael Schumacher räumt alle Hindernisse beiseite. Nur die wenigsten wissen, dass der Start in die Motorsportwelt für ihn sehr holprig begann. Talent ist ausreichend vorhanden, Geld gar nicht. Daher löst Michael als Kart-Pilot zunächst eine luxemburgische Lizenz. Dafür braucht er keine finanziellen Sicherheiten. Arm an Mitteln, wird Schumi sogar zum Reifendieb. Zeitweise klaut er weggeworfene alte Pneus aus dem Müll, um damit noch die eine oder andere Runde zu drehen. Reich an Eifer, schafft er 1991 den Satz in ein Formel-1-Cockpit.

      „Schumi-like“ – ganz wie es sich für einen Mann seines Formates gehört – schreibt er bei seinem ersten Start bereits eine besondere (Vor-)Geschichte:

      Jordan-Pilot Bertrand Gachot verbüßt gerade eine Gefängnisstrafe, weil er einem britischen Taxifahrer unsanft ins Lenkrad gegriffen und ihn dabei verletzt hat. Somit wird ein Platz für das Rennen in Spa frei. Manager Willi Weber streckt seine Fühler aus und bezirzt Teamchef Eddie Jordan. Der „willige Willi“ versichert, dass Michael die Piste in- und auswendig kennt, schließlich liegt Schumis Heimatort ja ganz in der Nähe. Das Schlechte daran: Es stimmt nicht! Das mit Spa ist nicht wahr. Tatsache: Michael war in seinem bisherigen Leben noch nie dort vor Ort. Egal. Eddie „erhört“ Willis Worte und Schumi darf an den Start. Jahre später rückt Jordan mit der Wahrheit heraus. Schumacher war einfach die schnellste Wahl. Viel überzeugender als Webers Wunschvorstellungen sind die Sponsoren im Hintergrund. Sie überweisen dem Rennstall eine „Mitgift“. Das wirkt mehr als die „Magie des Managers“. Doch im Nachhinein zeigt sich Eddie mit Michael sehr glücklich und zufrieden.

      Als Vorbereitung auf das Rennwochenende tritt Michael ordentlich in die Pedale. Nämlich in die eines Fahrrades, mit dem er den Kurs besichtigt. Das Abstrampeln lohnt sich: Platz sieben im Qualifying. Mit zwei Rädern ist der Grand-Prix-Neuling allerdings länger unterwegs als auf vieren. Im Rennen bleibt er nach einem Kupplungsschaden nach 700 Metern auf der Strecke …

      Doch das reicht. Benetton kommt dem Deutschen mit einem Vertrag entgegen. Schon im nächsten Rennen sitzt Schumi in einem „besseren Benetton“. Teamchef Flavio Briatore fällt der Deutsche auf. Das Duo läutet für den britischen Rennstall ein goldenes Zeitalter ein. Zurück zu den Wurzeln: Ausgerechnet in Spa gewinnt Michael seinen ersten Formel-1-Grand-Prix. 1994 und 1995 folgen zwei WM-Titel hintereinander.

      RAUS AUS DER ROTEN GURKE

      1996 steigt Schumacher bei Benetton aus und bei Ferrari ein. Zu Beginn seiner Ära in Rot läuft es für den Doppel-Weltmeister allerdings gar nicht nach Wunsch. Die BILD tituliert bereits: „Michael, raus aus der roten Gurke.“ Schumi beißt in den sauren Apfel. Zähneknirschend bleibt er auf Kurs und lässt sich nicht von seinem eingeschlagenen Weg abbringen. „Michele“ führt bei Ferrari eine neue Arbeitsweise ein. Pronto …

      Klare Regeln: Keine stundenlangen Verspätungen mehr und antanzen mit einem Espresso in der Hand. Das ist nicht sein Kaffee. Es gibt kein Einlenken. Und er schenkt allen reinen Wein ein: Kein Alkohol mehr beim Mittagessen. Gefeiert wird nur noch nach entsprechenden Leistungen. Basta. Gearbeitet wird, bis alles erledigt ist, und nicht, wenn die Uhr um 16:00 den Feierabend anzeigt. Deutsche Gründlichkeit! Avanti! Er baut das Team komplett um, dreht an sämtlichen Schrauben, und nach 21 Jahren „Boxenstopp“, sprich Ferrari-Wartezeit, schafft es Schumi im Jahr 2000 zum „Campione“. Das Pferd wiehert wieder. Ein neuer Italo-Nationalheld. Eine rote Legende. Die „Ferraristi“ liegen „Michele“ zu jenen Füßen, mit denen er weltmeisterlich das Gaspedal tritt. Bravissimo!

      DAS LETZTE ABENDMAHL MIT SCHNAPS UND WITZEN

      Im siebenten Ferrari-Himmel und auf einmal die (Unfall-) Hölle auf Erden. Wie viele andere auch, trifft es mich echt hart, von Schumis Schiunglück am 29. Dezember 2013 zu erfahren. Noch dazu, wo wir beide kurz davor noch beim gemeinsamen Abendessen sitzen.

      „Ein Abend mit der Nummer eins“, unter diesem Motto veranstaltet die DVAG eine exklusive Serie von Incentives für ein ausgewähltes Publikum. Ich darf moderieren. Nürnberg im Dezember. Ich ahne nicht, dass dies die letzte Veranstaltung dieser Art sein sollte. Und das letzte Mal, dass ich Schumi treffe. „Ein Abend mit der Nummer eins“. Er verfliegt im Nu. Wir sorgen für die Show. Der Vorhang fällt …

      Michael schlägt vor: „Hör mal, wir sollten noch was zusammen essen gehen und einfach ein bisschen Unsinn erzählen.“ Meine Frau komplettiert die Runde. Es ist kurz vor den Weihnachtsfeiertagen. In einem gemütlichen Restaurant erwartet uns schon ein feierlich gedeckter Tisch. Ich bestelle Schäufele (Schweinsschulter) und Michael irgendwas Rustikales. Dazu fließt der eine oder andere Schnaps. In dieser Laune erzählt Schumi einen Witz nach dem anderen. Lachen ohne Ende. Spaßige Stunden. „Und was machst du jetzt so über die Feiertage? Wie geht’s weiter? Es ist doch bald Weihnachten.“ Er antwortet: „Morgen fliege ich nach Méribel zum Schifahren. Die Familie ist bereits dort.“ – „Ein tolles Schigebiet. Da wünsche ich dir viel Vergnügen.“ Fertig essen, plaudern, herumalbern. Unsere Wege trennen sich. Ein lustiger Abschied. Ich mache mich auf den Heimweg. Am nächsten Tag hebt Michael nach Frankreich ab.

      Später, zu Hause dann – ich glaube es lief „n-tv“ –, lese ich in den Schlagzeilen: „Schwerer Unfall von Michael Schumacher!“ Ich rufe meine Frau herbei. „Guck mal, hier! Die haben sie nicht mehr alle, die spinnen schon wieder rum. Michael ist im Urlaub, wo soll er denn einen schweren Unfall gehabt haben?“ Bei einem Unfall von Schumacher denkt doch jeder automatisch ans Auto. Unmöglich. Der ist doch unverletzlich. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen.

      Immer mehr Details kommen ans Tageslicht: „Schiurlaub in Méribel!“ Schön langsam fange ich zu überlegen an. Was ist passiert? Auch ich beginne zu recherchieren und versuche, die Wahrheit herauszufinden.

      Stück für Stück mehr Informationen. Bis zur traurigen Gewissheit. Mir stockt der Atem. Vor Kurzem noch das letzte Abendmahl. Mit Schnäpsen und Witzen. Tage später vergeht der gesamten Formel-1-Welt das Lachen. Ein tragischer Schiunfall! Ich kann es einfach nicht glauben. Unfassbar. Undenkbar. Unwirklich.

      Mein Telefon läuft heiß. Ich werde laufend kontaktiert. Sowohl vom Sender als auch von allen möglichen Zeitungen. Alle wollen von mir wissen, was passiert ist. Was ich weiß. Sofort gehen die wildesten Gerüchte herum: „Michael, ein Adrenalin-Junkie!“ Nein, nicht mit mir. Das habe ich seit jeher verneint. Auch mein damaliger Sportchef springt auf diesen Zug auf und möchte diese Schiene fahren. Ich erhebe meine Stimme und sage dazu klipp und klar nein: Michael ist kein Typ, der das Risiko sucht. Er spannt kein Seil zwischen zwei Bergen und balanciert ungesichert rüber, nur weil er den Kick braucht. Sicher nicht.

      Natürlich sitzt er in einem Rennauto und rast mit 300 km/h im Kreis. Das ist so, wie wenn unsereins rückwärts einparkt. Ein bisschen aufpassen, aber keine große Sache. Alles, was Michael tat, hatte er unter Kontrolle. Ich äußere eine Bitte: „Macht nicht etwas aus ihm, was er absolut nicht ist.“ Dann suchen wir Interviewausschnitte heraus. Genau jene, wo ich mit ihm über Adrenalin spreche. Er sagte immer, dass er das Adrenalin nicht brauche. Und dass er wisse, was er tue.

      Bei diesem Schiunfall wollte Michael mit 20 km/h die Piste wechseln. Da ist es passiert. Schlichtweg ein Unglück. Er sprang nicht irgendwo von einem Helikopter auf eine ungesicherte Piste oder hatte die Absicht, die „Drei Zinnen“ runterzupressen. Es war ein Unglück. Pech. Schicksal. Jeden hätte es treffen können. Wäre er schneller gewesen, vielleicht wäre ihm dieser Stein nicht in den Weg gekommen.

      Natürlich will ich wissen, wie es Michael geht. Ich kontaktiere seine Managerin Sabine Kehm. Ich spreche auch mit anderen Personen, die ihn vor Ort besuchten. Jean Todt macht nach wie vor regelmäßig seine Aufwartung.

      Darüber