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ENTSCHEIDUNGEN TREFFEN
Niels Anderegg
Porträt: Entscheidungen mit Konsequenzen
Gespräch mit Felix Beuschlein, Klinikdirektor und Chefarzt Universitätsspital Zürich
Felix Beuschlein leitet seit einigen Jahren am Universitätsspital Zürich die Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ernährung. Die Vermutung, dass gerade jetzt – mitten in der Corona-Pandemie – medizinische Entscheidungen für ihn als Chefarzt schwierig und emotional belastend sind, bestätigt sich nicht. Natürlich gab es in der Spitalleitung zu Beginn der Pandemie schwierige Diskussionen und es gab immer wieder Entscheidungen, die nicht leichten Herzens getroffen wurden. «Was machen wir, wenn wir nicht alle Patient*innen im Spital aufnehmen können?» «Welche Personen erhalten einen Platz auf der Intensivstation und welche nicht?» Es waren ethische Fragen, bei denen es nicht einfach ist, richtig und falsch zu unterscheiden. Die Vermutung, dass dies gerade Mediziner*innen mit einem naturwissenschaftlichen Hintergrund schwerfällt, teilt Felix Beuschlein nur bedingt. Auch in der Medizin geht es bei Entscheidungen nicht einfach um richtig oder falsch. Natürlich müssen Ärzt*innen bei einem Notfall in kürzester Zeit reagieren und damit entscheiden. Aber gerade im Fachgebiet Endokrinologie geht es häufig um ein Abwägen von verschiedenen Möglichkeiten und Behandlungsarten. Dabei geht es aber selten um Leben oder Tod, sondern meistens um die Frage, was mit einer Therapie erreicht werden kann.
Wie hätte nun Felix Beuschlein bei einer allfälligen Triage von Patient*innen entschieden? Ganz Wissenschaftler, hat er für diese Fragen auch wissenschaftliche Kriterien einbezogen, die eine nüchterne und objektivere Sicht über die Szenarien erlauben. Er gibt aber zu bedenken, dass dies Entscheidungen waren, die auf einer abstrakten Ebene gefällt wurden. Es ging nicht um reale Menschen, sondern um mögliche Szenarien, die zum Glück nie zur Anwendung kamen. Bis heute konnten in der Schweiz alle Patient*innen in Spitälern untergebracht werden. Die Frage, wer einen Platz bekommt und wer nicht, stellte sich zum Glück nicht. Wäre eine prominente Person, die den Kriterien nicht entsprochen hätte, tatsächlich abgewiesen worden? Und wie wären die Mitarbeitenden des Spitals damit umgegangen, wenn sie nicht allen Patient*innen hätten helfen können? Schliesslich hat man – wenn auch nicht formell – den Eid des Hippokrates geleistet. Im Folgenden soll nun aber die Frage von Entscheidungen in der schwierigen Corona-Situation etwas zur Seite gelegt werden und das Augenmerk auf allgemeine Entscheidungssituationen gelegt werden.
Meist entscheidet nicht der Chefarzt, sondern das Team
Entscheidungen zu medizinischen Fragen sind in der Klinik von Felix Beuschlein fast immer Teamarbeit. Verschiedene Spezialist*innen tauschen ihre unterschiedlichen Perspektiven im Entscheidungsprozess aus. Erst dann wird festgelegt, was sinnvollerweise unternommen werden soll. Im Zentrum steht die Frage, was überhaupt erreicht werden kann. Die Dualität «krank oder gesund» greift zu kurz. Beispielsweise kann es sinnvoll sein, eine Krankheit nicht zu bekämpfen, sondern eine hohe Qualität im Leben mit der Krankheit anzustreben. Eingriffe – auch medikamentöse – bergen immer ein Risiko, und das muss in eine Entscheidung miteinbezogen werden. Beispielsweise kann ein Diabetesmedikament nicht nur dazu führen, dass der Blutzucker gesenkt wird, es kann unter Umständen auch bewirken, dass er plötzlich zu tief ist.
Um gute Entscheidungen zu fällen, muss die Ärztin den Patienten in seiner Gesamtheit wahrnehmen. Dabei geht es nicht nur um medizinische Aspekte, sondern auch um das soziale und kulturelle Umfeld der Betroffenen, also um die Familie und die Kultur, in der der Patient lebt, um die Religionszugehörigkeit und um vieles mehr. Wenn ein Arzt einen Entscheid über einen Eingriff oder eine Therapie fällt, dann ist es immer eine Entscheidung, die zu Konsequenzen für das Leben und das Umfeld einer Patientin führt.
Die Entscheidung für die richtige Massnahme ist im Fachgebiet von Felix Beuschlein immer ein Abwägen, das sich auf eine Diagnose stützt, gleichzeitig aber die Ziele und Wünsche des Patienten berücksichtigt. Dabei können sich die Ziele der Ärztin von denjenigen des Patienten unterscheiden. Das Verhältnis zwischen dem Arzt und der Patientin ist zwar eine asymmetrische Beziehung, gleichwohl kann