Sie saß immer noch da und lächelte mich an. Es war nicht das Lächeln, das sie das letzte Mal aufgesetzt hatte, um mir zu zeigen, wie nuttig sie sein konnte. Es war ein freundliches, fast liebevolles Lächeln. Wenn nicht diese Hitze in meinem Körper gewesen wäre, hätte ich mir einbilden können, sie wäre eine alte Freundin. Ich wünschte mir so sehr, sie zu berühren, dass ich die Empfindung ihrer Haut schon an den Fingerspitzen spürte. Aber ich wollte keine Kundin sein!
Sie merkte, dass ich nicht anfangen würde. »Magst du Musik?«, fragte sie.
Oh je, auch das noch! Irgendeine Schmuseplatte zur Einstimmung. Aber warum eigentlich nicht? Deshalb war ich schließlich gekommen. Ich musste dazu stehen. »Ja.« Mehr brachte ich nicht zustande.
Sie stand auf und ging zu einer kleinen Stereoanlage hinüber. Sie legte eine CD ein, drückte auf den Startknopf und drehte sich um. Die Vier Jahreszeiten. Ich sah wohl ziemlich erstaunt aus. »Ich glaube, du magst Klassik«, sagte sie. »Aber ich kann auch etwas anderes auflegen, wenn du möchtest.« Sie blieb abwartend stehen.
»Nein, nein – das ist genau richtig. Ich mag Vivaldi.« Selbst wenn sie Heavy Metal aufgelegt hätte, hätte ich ihr wahrscheinlich nicht widersprochen, aber in diesem Falle stimmte es sogar.
Sie kam wieder herüber und setzte sich neben mich. Also jetzt folgte dann wohl die große Verführungsszene. Aber nichts dergleichen. Sie blieb einfach sitzen. Ich starrte auf ihre Beine, die sie wieder übereinandergeschlagen hatte. Züchtiger hätte keine Hausfrau dasitzen können. Nur ein Hauch von Luxus und Erotik. Es trieb mich. Ich musste sie einfach fragen. »Hast du . . .« Meine Stimme versagte. Ich versuchte es noch einmal. »Hast du darunter etwas an?«
Ich hatte sie anscheinend erheitert. Sichtlich amüsiert bemerkte sie: »Nein. Würde sich das denn lohnen?«
Ich saß wie gelähmt da. Es war ein Spiel. Sie zog mich auf, benahm sich auf ungezwungene Art verführerisch, forderte mich auf, sie zu verführen. Aber mit wie vielen Frauen hatte sie das schon vor mir gespielt? Das ist doch egal, du genießt es doch! Ja, ich genieße es, aber ich würde es noch mehr genießen, wenn sie es nur für mich tun würde, für mich allein verführerisch wäre. Eine solche Frau würdest du niemals für dich allein haben. Selbst wenn sie keine Nutte wäre. Dazu ist sie zu schön.
Ich musste wohl ziemlich finster dreinblicken. Als ich sie ansah, fiel ein Schatten über ihr Gesicht und wischte die Amüsiertheit weg.
»Soll ich mich ausziehen?« Sie griff an ihren Gürtel.
»Nein. Bitte nicht.« Ich hob die Hand. Das konnte ich nicht ertragen, diesen Blick. Dieses Warten auf eine Anweisung.
Sie sah mich an. »Willst du jetzt gleich . . .?« Sie deutete mit dem Kopf zum Bett.
Oh ja, ich wollte – und wie ich wollte! Aber nicht so, nicht in dieser professionellen Art. Und wie viel Zeit hatten wir überhaupt? Vielleicht sollten wir diesen Punkt zuerst einmal klären. Ich räusperte mich. »Wie lange . . .?«
Sie lachte auf. Es klang erleichtert. »Oh, du machst dir Sorgen wegen der Zeit?« Sie beugte sich zu mir herüber und legte wie zufällig ihre Hand auf meinen Schenkel. Es durchfuhr mich wie ein Blitz. Ihr Gesicht kam näher. »Darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen.« Sie sprach sehr leise. Sie legte ihre Wange an meine und strich daran entlang. Ihre Hand schob sich an meinem Schenkel höher. An meinem Ohr flüsterte sie: »Ich habe sehr viel Zeit für dich. Eine Kundin hat abgesagt.«
Ich warf mich rückwärts gegen die Sofalehne. Da war es wieder!
»Mein Gott!« Sie sprang auf und schob verärgert die Hände in die Taschen ihres seidenen Morgenmantels. »Tu doch nicht so!« Ihre Augen sandten funkelnde Blitze in meine Richtung. »So ist es nun mal! Du weißt, was ich bin!« Sie drehte sich einmal um ihre Achse, starrte in die andere Richtung und drehte sich dann wieder zu mir hin um. »Und du bist heute auch meine Kundin, oder etwa nicht?«
Ich setzte mich auf meine Hände und wand mich hin und her. »Ja, ich weiß.«
Sie sah mich etwas besänftigt an, kam zum Sofa, stützte ein Knie darauf ab und nahm meinen Kopf in ihre Hände. »Würde es dir helfen, wenn ich dir sage, dass ich dich wirklich mag?« Sie blickte mir direkt in die Augen.
Ich nickte stumm und schluckte. »Das sagst du nicht zu . . .?«
»Nein, das sage ich nicht zu jeder.« Sie lachte spöttisch auf. »Wirklich nicht!« Sie behielt meinen Kopf in den Händen. »Also, ich mag dich.« Sie gab mir einen leichten Kuss auf die linke Wange. »Ich mag dich wirklich.« Dasselbe auf der rechten. Jetzt lächelte sie verführerisch. »Ich mag dich sogar sehr.« Sie tauchte mich mit ihrem sinnlichen Flüstern in einen heißen Vulkansee. Dann ließ sie sich nach vorn sinken und küsste mich. Sie konnte unwahrscheinlich gut küssen, und wie bei unserer ersten Begegnung setzte sie mich auch diesmal damit völlig in Brand.
Sie ließ sich ganz neben mich sinken und zog mich zu sich hinüber. Ich legte die Arme um sie. Die Seide war wunderbar glatt und kühl. Ich wusste nicht, ob ich sie lieber mit oder ohne dieses Kleidungsstück im Arm gehalten hätte. Ich löste mich von ihrem Mund und sagte: »Ich möchte nicht, dass du das ausziehst.«
Sie lachte ganz leicht. »Ich denke, das wird sich einrichten lassen.« Sie legte ihre Lippen an meine Kehle und fuhr daran entlang.
Ich stöhnte. Die Lederpolster waren weich und einladend. Sie ließ sich immer mehr zurücksinken, bis sie unter mir lag, war immer noch mit ihrem Mund an meinem Hals. Sie begann, mein Hemd aufzuknöpfen. Bei jedem Knopf, den sie öffnete, fuhr sie mit ihren Lippen über die Haut, die sie freilegte. Dann ließ sie sich wieder ganz zurücksinken und sah mich an. Sie lächelte nicht. Ich blickte auf sie hinab und wusste, dass ich sie liebte. Und dass ich es ihr niemals sagen dürfte, ebenso wenig, wie ich es jemals von ihr hören würde.
»Willst du es dir nicht etwas bequemer machen?«
Ich kam aus meinen Gedanken zurück. Noch immer hatte ich meine Stiefel an. Wie peinlich! Ich sprang auf. Ich zog meine Stiefel aus und öffnete den Bund meiner Hose.
Ich sah sie auf dem Sofa liegen. Der weiße Morgenmantel hob sich vom tiefen Schwarz des Leders ab. Unglaublich, wie sie es fertigbrachte, so perfekt hingegossen dazuliegen. Ich betrachtete sie versunken.
»Soll ich es tun?«
»Was?« Ich war ganz irritiert. Ich hatte vergessen, weshalb ich aufgestanden war.
»Dich ausziehen.« Es klang absolut selbstverständlich. Sie wirkte zuvorkommend.
Natürlich – die Wünsche ihrer Kundinnen . . . Ich schüttelte heftig den Kopf, um die unangenehmen Gedanken zu verscheuchen. »Nein«, kämpfte ich laut gegen meine innere Stimme an. Zu laut. Deshalb fügte ich abschwächend hinzu: »Das kann ich schon selbst.«
»Davon bin ich überzeugt«, stellte sie wieder leicht amüsiert fest.
Die Seide des Morgenmantels, die sie umfloss, hob die Konturen ihres Körpers deutlich hervor. Ihre geraden Schultern, ihre Brüste, die geschwungene Linie ihrer Hüften. Ich zog langsam meine Hose aus. Sie sah mir zu. Ich wurde verlegen. »Könntest du vielleicht woanders hinschauen?«
»Ja, natürlich.« Sie erklärte sich sofort mit meinem Wunsch einverstanden. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass sie sich nur widerwillig abwandte.
Das ist unfair von dir. Du betrachtest sie mit solchem Vergnügen, und wenn sie das gleiche tut . . . Ja, ich weiß, aber sie ist so schön – und sie ist es gewöhnt! Mein Gewissen wurde mir langsam lästig. Ist das eine Entschuldigung für schlechtes Benehmen? zeterte es noch einmal aus der hintersten Ecke heraus. Ich ignorierte es hoheitsvoll.
Ich ging wieder auf das Sofa zu. Meine Erregung stieg. Ich spürte