Weber, Wolfgang E. J.: Universitäten. In: Michael Maurer (Hrsg.): [28]Aufriß der Historischen Wissenschaften. Bd. 6: Institutionen. Stuttgart 2002. S. 15–97. (Reclams Universal-Bibliothek.)
Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands e. V.: Übersicht aller deutschen Hochschulen, an denen Geschichtswissenschaft gelehrt wird und aller möglichen Studiengänge. http://www.studium.org/geschichte
2.4. Der Studienabschluss
Ein Studium der Geschichtswissenschaft mit dem Studienziel ›Bachelor‹ gilt dann als erfolgreich abgeschlossen, wenn erstens die erforderliche Anzahl Credit Points während des Studiums in den entsprechenden Modulen erworben, zweitens eine Bachelor-Arbeit und drittens eine mündliche Abschlussprüfung mit mindestens der Note ›ausreichend‹ (4,0) bewertet wurde. Der Umfang einer Bachelor-Arbeit, in der ein geschichtswissenschaftliches Thema nach wissenschaftlichen Maßstäben erarbeitet werden soll, ist nicht standardisiert. Er richtet sich sowohl nach dem für die Arbeit eingeräumten Bearbeitungszeitraum als auch nach den persönlichen Vorstellungen des Prüfers und kann zwischen 15 und 80 Druckseiten Länge schwanken. Wichtig für die Bachelor- wie auch für andere Abschlussarbeiten ist eine enge, klare Absprache zwischen Kandidaten und Prüfern. Es gilt, das Thema möglichst genau einzugrenzen, Umfang und Bearbeitungszeitraum verbindlich zu definieren und persönliche Erwartungen des Prüfenden herauszufinden. Gleiches gilt auch für die mündliche Prüfung, die es ebenfalls detailliert mit dem Prüfer abzusprechen gilt. Die Gesamtnote setzt sich dann aus den Noten [29]der gewählten Studienbereiche, der Bachelor-Arbeit und der mündlichen Prüfung sowie in manchen Fällen aus einem optionalen Studienbereich zusammen, den die Kandidatin bzw. der Kandidat wählen kann.
Auf der Grundlage des Bachelor-Abschlusses kann das Studium als Master-Studium zum Erlangen des Abschlusses ›Master of Arts‹ (M. A.) oder – an bestimmten Universitäten – als Masterstudiengang ›Lehramt an Gymnasien‹ fortgeführt werden. Allerdings geht dies nicht automatisch, sondern setzt die erfolgreiche Beantragung einer Zulassung zum Master-Studium voraus. Dieses Studium ähnelt in seiner Struktur und seinen Leistungsanforderungen dem Bachelor-Studium, hat allerdings ein deutlich höheres fachliches Niveau.
[30]3. Geschichte als Wissenschaft
›Geschichte‹ ist Anfängerstudierenden als gesondertes Fach bereits aus der Schulzeit bekannt. Dabei ist es im Grunde genommen falsch oder zumindest zu kurz, von ›der Geschichte‹ als Fach zu sprechen. So wie es kein Schulfach gibt, in dem ›Lebendes‹ vermittelt wird, wohl aber eines, in dem die ›Lehre vom Lebenden‹ (Bio-logie) Gegenstand ist, betreibt man auch nicht ›Geschichte‹, sondern Geschichtswissenschaft.
3.1. Geschichte der Geschichtswissenschaft
Auf die Frage, was ›Geschichte‹ überhaupt ist, gibt es ganz unterschiedliche Antworten. Als man sich Mitte des 18. Jahrhunderts erstmals wissenschaftlich, d. h. auf der Grundlage festgelegter Theorien und Methoden, mit der Historie zu beschäftigen begann, versuchte man zunächst, ›Geschichte überhaupt‹ zu betreiben. Unter den Überschriften Weltgeschichte, Allgemeine Geschichte oder Universalgeschichte widmete man sich dem gesamten Lauf der Welt in historischer Perspektive. Für Leopold von Ranke (1795–1886) etwa, der als ein Begründer moderner Geschichtswissenschaft in Deutschland gilt, war es zu Beginn des 19. Jahrhunderts Aufgabe der Geschichtswissenschaft, zu zeigen »wie es eigentlich gewesen« ist. Nach diesem Verständnis wurde Geschichtswissenschaft als daten- und faktenorientierte Erzählung betrieben.
Spätere Historiker wie Johann Gustav Droysen [31](1808–1884) übten Kritik an dieser Auffassung. Für sie war Geschichte – beispielsweise in der philosophischen Tradition des Deutschen Idealismus – die Geschichte des Geistes oder der Ideen. Für die Geistesgeschichte und Ideengeschichte dieses älteren Typs steht als Untersuchungsgegenstand das Denken im Vordergrund, das einzelne Völker oder Staaten und die ›großen Persönlichkeiten‹ kennzeichne, durch die der Fortschritt der Völker oder Staaten maßgeblich bestimmt worden sei. Diese Form des Geschichtsdenkens, die für das 19. Jahrhundert typisch ist und in Deutschland bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg betrieben wurde, wird auch als Historismus bezeichnet. Historistische Geistes- und Ideengeschichte richtete ihr Augenmerk auf einmalige Handlungen und individuelle Persönlichkeiten, die eine Entwicklung durch die Zeiten bewirkt hätten. Individualität und Entwicklung sind daher auch als Charakteristika des Historismus bezeichnet worden.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden weitere Geschichtsauffassungen entwickelt. Neben Georg Wilhelm Friedrich Hegels (1770–1831) Philosophie der Weltgeschichte (1830) wurde v. a. die Geschichtsphilosophie von Karl Marx (1818–1883) und Friedrich Engels (1820–1895) für die Entwicklung der Geschichtswissenschaft bedeutend. Für Marx und Engels war Geschichte die gesetzmäßige, stufenförmige Abfolge von fortschreitenden Entwicklungsstadien der Menschheit, die durch soziale Gegensätze bestimmt worden sei: Auf die Stufe der Urgesellschaft sei die Sklavenhaltergesellschaft gefolgt – bestimmt durch den Gegensatz von Herr und Sklave. An sie habe sich die Feudalgesellschaft angeschlossen, die sich durch den Kampf zwischen der Klasse der Grundbesitzer (›Lehnsherren‹) und der Klasse der [32]abhängigen Bauern (›Lehnsleute‹) ausgezeichnet habe. Als dritte Stufe erkannten Marx und Engels den Kapitalismus als antagonistisches Zusammenleben von besitzenden Kapitalisten und besitzlosen Proletariern; nach ihrer Überwindung folge notwendigerweise irgendwann der Sozialismus und Kommunismus, in dem die Klassengegensätze aufgehoben seien. Die Form der Geschichtswissenschaft, die mit diesem Modell operiert, bezeichnet man als Historischen Materialismus. Mit der Geschichtsphilosophie von Marx und Engels endete das Zeitalter der Geschichtsphilosophie als universalem Entwurf der Geschichte überhaupt. Seitdem wird vorwiegend von Geschichtstheorie(n) gesprochen (s. Kap. 3.2.4.), die anstelle des universalen Versuchs, die historische Welt in ihrem Wesen zu erklären, mit begrenzterem Anspruch nach dem Aufgabenbereich und dem methodischen Vorgehen der Geschichtswissenschaft fragt.
Inspiriert durch das Aufkommen von Soziologie und Ethnologie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten einige Historiker neue Geschichtstheorien, denen zufolge nicht mehr der ›Geist‹ oder die ›Ideen‹ als Subjekt bzw. Akteur der Geschichte deren Lauf bestimmten, sondern die Gesellschaft bzw. gesellschaftliche Gruppen. Zudem griff man die quantifizierenden Verfahren der Nachbarwissenschaften auf und wandte sich damit gegen die Betrachtung individueller Phänomene. Der Historiker Karl Lamprecht (1856–1915) entwickelte z. B. eine Auffassung von Geschichte als Kulturgeschichte, in der er – vom Vorbild der Naturwissenschaften beeinflusst – nach sozialpsychologischen Gesetzmäßigkeiten in der Geschichte suchte.
Auch außerhalb Deutschlands entstanden neue Theorien über die Geschichte. Der Belgier Henri Pirenne [33](1862–1935) sowie die Franzosen Lucien Febvre (1878–1956) und Marc Bloch (1886–1944) stärkten eine Auffassung von historischer Arbeit, die v. a. auf quantifizierenden Verfahren aufbauen sollte. Wenn zu einem bestimmten Objekt, wie der Besiedlungsdichte einer Stadt, über einen längeren Zeitraum Daten erhoben würden, könne man daraus langfristige Konjunkturen erkennen, die als Merkmal der Geschichte dienen könnten. Nach dem Namen der von Febvre und Bloch gegründeten Zeitschrift Annales bezeichnet man diese Historiker, ihre Schüler und ihre Auffassung als Schule der Annales.
Nach dem Zweiten Weltkrieg und der besonders in Deutschland geforderten Revision herkömmlicher Geschichtsbilder, denen man eine Wegbereiterrolle für Krieg und Faschismus vorwarf, wurden zahlreiche neue Geschichtsauffassungen entwickelt. In Nachfolge der »Schule der Annales« und in Anknüpfung an den Nationalökonomen Max Weber (1864–1920) wurden verschiedene Konzeptionen einer Sozialgeschichte vorgestellt, die auch als Gesellschaftsgeschichte oder Historische Sozialwissenschaft bezeichnet wurden und eng mit anderen Sozialwissenschaften (Soziologie, Politologie, Wirtschaftswissenschaften etc.) zusammenarbeiteten (Prinzip der Interdisziplinarität). Außerdem maß man der Wirtschaftsgeschichte