Die Leute behaupteten, Rockstars wären wild, aber Jeremy hatte nie mit angesehen, wie jemand lebendig begraben wurde. Merkwürdig fasziniert von der Geschichte, legte er seine Unterarme auf die Bar, beugte sich vor und sagte: »Was ist dann passiert? Wurde jemand verletzt?«
»Nee.« Der Barkeeper schüttelte den Kopf. »Es klingt schlimmer, als es war. Es ist nicht so, als sei die Erde fest geworden oder so. Die Jungs konnten sich befreien und gleich danach fuhren einige der anderen Neuen zurück und holten sie ab.«
»Sie müssen Todesangst gehabt haben«, meinte Jeremy und schüttelte den Kopf.
»Es war Prüfungswoche«, erwiderte er mit einem Schnauben. »Sie waren zu besoffen, um Angst zu haben.«
Jeremy gluckste, trank von seinem Bier, seufzte zufrieden und fühlte sich zum ersten Mal seit langer Zeit entspannt. Es war schön, einfach so mit jemandem über irgendetwas zu plaudern.
»Ich bin übrigens Reggie.« Der Barkeeper wischte sich die Hand am Handtuch ab und streckte sie dann über die Bar. »Reggie Moore. Aber jeder nennt mich Reg.«
Nachdem Jeremy seine Handfläche an der grauen Röhrenjeans abgerieben hatte, streckte er die Hand aus und schüttelte Regs. »Schön, dich kennenzulernen, Reg. Ich bin …« Er hielt inne und versuchte, zu entscheiden, ob er einen falschen Namen nennen oder ehrlich sein sollte. Er entschied sich für die goldene Mitte. »Jeremy.«
»Was führt dich an diesem wundervollen Dienstagabend nach Munds Park, Jeremy?« Reg schnappte sich das beinahe leere Glas, hielt es unter den Wasserhahn und füllte es wieder auf. »Bist du auf dem Weg zum Flag?«
»Äh …«
Jeremys verwirrter Gesichtsausdruck schien Reg Antwort genug sein. »In Ordnung, also keine Reise zum Nationalpark.« Er lehnte sich über den Bartresen und musterte Jeremy, oder zumindest so viel von ihm, wie er sehen konnte, obwohl er direkt vor ihm saß, aber die Beleuchtung war beschissen. »Kein Dreck an deinen Klamotten, also kannst du nicht vom Canyon zurück sein …«
»Eigentlich schon«, korrigierte Jeremy ihn.
»Oh, wirklich? Cool. Bist du am Südrand entlanggewandert? Ich begehe diesen Trail ein paarmal im Jahr. Bist du zu den Supai Falls gegangen?«
»Nein, ich war nicht wandern. Hatte keine Zeit. Ich wollte ihn mir nur ansehen. Ich habe die meiste Zeit meines Lebens im selben Staat verbracht und war noch nie dort.« Jeremy hob die Hand, um sich durchs Haar zu fahren, und traf dabei die Baseballkappe, die ihn daran erinnerte, gegenüber eines Fremden vorsichtig mit zu vielen Informationen zu sein, egal wie unbedeutend sie waren. Die Leute hatten die Angewohnheit, die Dinge zu verdrehen, wenn sie sie an den Höchstbietenden verkaufen wollten auf der Suche nach einer packenden Schlagzeile: Jeremy Jameson springt sturzbetrunken in den Grand Canyon.
»Du siehst aus, als seiest du sportlich, Mann. Das nächste Mal musst du durchwandern«, sagte Reg aufgeregt. »Die Wasserfälle sind unglaublich.«
Nacht für Nacht über die Bühne zu springen, kostete verdammt viel Energie und Ausdauer, was für ihn in seinen Dreißigern nicht mehr so einfach war wie einst in seinen Zwanzigern. In etwas mehr als einer Woche stand eine Konzerttour an, also hatte Jeremy seine übliche Trainingsroutine intensiviert. Scheinbar sah man das Ergebnis seiner Mühen, was ihn stolz machte. »Das werde ich machen«, sagte er, mehr um höflich zu sein, als es so zu meinen. In Wahrheit wusste er nicht, wann er das nächste Mal Freizeit zur Verfügung haben würde, und einen Wandertrip einzuplanen, würde bei seinem Manager wahrscheinlich einen Herzinfarkt auslösen.
»Cool.« Reg strahlte. »Lass mich nach diesen Typen schauen«, er wies mit seinem Kinn in Richtung der einzigen anderen Personen in der Bar, »und dann verrate ich dir den besten Ort zum Campen.«
Aus dem einen Drink wurde ein ganzer, an der Bar verbrachter Abend, wo er mittelmäßiges Bier trank und großartige Gespräche führte. Die Leute kamen und gingen, tranken etwas, jammerten Reg die Ohren über den Stand der Politik voll oder welches Team diese Saison eine Chance hatte oder welches Problem sie mit ihrer Freundin oder Frau hatten. Und zwischen all diesen Gesprächen kehrte Reg immer wieder zu Jeremy zurück, lächelte und plauderte, teilte lustige Geschichten mit ihm und stellte Fragen, die auf nichts anderes abzuzielen schienen, als ihn kennenzulernen. Jeremy konnte sich nicht erinnern, sich je so gut amüsiert zu haben.
Nach einem gemeinsamen Lachanfall über noch eine von Regs Collegegeschichten, bereitete Reg Jeremys Freude ein Ende, indem er sagte: »Hey, Jeremy, Mann, ich will dich nicht hetzen, aber wir schließen unter der Woche normalerweise um Mitternacht, und es ist fast eins.«
»Oh.« Plötzlich fühlte Jeremy sich wieder nüchtern und angespannt. Er rieb sich über die Nase und griff nach seiner Lederjacke, die er Stunden zuvor über den leeren Barhocker neben sich geworfen hatte. »Klar. Ja. Tut mir leid.« Er zog eine Handvoll Scheine aus seinem Geldbeutel und legte sie auf den Bartresen, ohne sie zu zählen. »Behalt den Rest.« Mit dem Autoschlüssel in der Hand, kletterte Jeremy von seinem Hocker in der Absicht, die Bar zu verlassen. Er war überrascht, als Reg sich vorbeugte und ihm die Schlüssel aus der Hand riss.
»Warte mal, Mann. Es ist spät und du bist betrunken. Gibt es jemanden, der dich abholen kann?«
Jeremy schnaubte. »Nein. Ich bin im, äh …« Er versuchte, sich an den Namen der kleinen, unbedeutenden Stadt zu erinnern. »Im Was-auch-immer-Park.« Er verdrehte Augen. »Woher sollte ich hier jemanden kennen?«
»Wow. Ich habe schon erlebt, dass Leute gewalttätige Arschlöcher werden, wenn ich sie rauswerfe, aber die versnobte Diva ist mal was Neues.« Reg schleuderte sein allgegenwärtiges Geschirrtuch in die Spüle der Bar und sperrte die Kasse ab. »Ich wollte dir meine Couch für heute Nacht anbieten, weil es keine Motels in Gehweite gibt, und ich habe besseres Bier, als wir hier auftischen, aber du kannst deinen Rauch auch gern in deinem Auto ausschlafen, Superstar. Ich bringe dir deine Schlüssel morgen früh vorbei.«
»Oh.« Zu hören, dass Reg ihn nicht rauswarf, sondern stattdessen versuchte, ihm zu helfen, linderte Jeremys zurückgekehrte Anspannung. Mit der Erleichterung kam die Erkenntnis, dass er sich genau wie all die Arschlöcher verhalten hatte, die er nicht ausstehen konnte. »Scheiße.« Jeremy verfiel in eine nervöse Angewohnheit aus seiner Kindheit, die er nicht ganz abschütteln konnte, nahm den Kragen seines lachsfarbenen T-Shirts in den Mund und kaute darauf herum. »Ich wollte nicht, ähm …« Er rieb sich mit der Hand über die Augen. »Es tut mir leid, dass ich …« Ein Gedanke traf ihn, ließ ihn zusammenzucken und dann Reg anstarren. »Du hast mich Superstar genannt.«
»Ich habe dich auch eine versnobte Diva genannt.« Reg hob die Augenbrauen. »Bist du bereit dafür, dir einen Platz auf meiner Couch und eine Flasche Kilt Lifter zu verdienen, indem du dich benimmst?«
»Ja, ich, ähm, weiß nicht, warum ich das gesagt habe. Normalerweise bin ich nicht, äh …«
»Mit einem Stock im Arsch unterwegs?« Reg grinste, während er das aussprach, und irgendwie klang es deshalb eher wie freundliches Necken als wie eine derbe Beleidigung. »Ein privilegierter Idiot?« Er trat am Bartresen vorbei zu ihm und lächelte immer noch.
Da beide nun standen, erkannte Jeremy, dass Reg mindestens einen halben Fuß größer war als er.
»Ein weichgespülter Depp?« Er stieß spielerisch mit dem Arm gegen Jeremys Schulter. »Sag jederzeit stopp, Mann. Mir gehen hier gerade die Begriffe aus.«
»Weißt