3. Wegnahmerecht (§ 258)
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§ 258 regelt Einzelheiten zu Wegnahmerechten. Die Norm setzt voraus, dass ein Wegnahmerecht vertraglich oder nach einer gesetzlichen Vorschrift begründet ist. Ein praktisch wichtiges Beispiel für ein gesetzliches Wegnahmerecht bietet § 539 Abs. 2: Der Mieter ist danach zur Wegnahme einer Einrichtung berechtigt, mit der er die Mietsache versehen hat. Weitere Beispiele für Wegnahmerechte bieten § 997 Abs. 1 (bei wesentlichen Bestandteilen), § 601 Abs. 2 S. 2 (zu Gunsten des Entleihers) und § 2125 Abs. 2 (bei Vorerbschaft). § 258 S. 1 betrifft die Instandsetzungspflicht des Wegnahmeberechtigten, S. 2 die Gestattungspflicht (Duldungspflicht) des anderen Teils.
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Gemäß § 258 S. 1 muss der Wegnahmeberechtigte die Sache bei Wegnahme einer Einrichtung auf seine Kosten in den vorigen Stand setzen, wenn er zur Herausgabe der Sache verpflichtet ist. Mit Einrichtung ist dabei jede Sache gemeint, die dem wirtschaftlichen Zweck einer anderen Sache dient und mit dieser körperlich verbunden ist.[95] Die Wegnahmeberechtigung wird nicht durch § 258 S. 1 begründet, sondern von der Norm vorausgesetzt. Ein Beispiel für § 258 S. 1 bietet der Einbau einer Küche in eine Mietswohnung. § 539 Abs. 2 gibt dem Mieter das Recht, diese Einrichtung wegzunehmen. Er erwirbt dann analog § 954 Eigentum an der Einrichtung.[96] Nach § 258 S. 1 muss er jedoch die Wohnung auf seine Kosten wieder in den vorigen Stand setzen, wenn er die Küche ausbaut.
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Nach § 258 S. 2 muss der andere Teil die Wegnahme gestatten, wenn er den Besitz der Sache erlangt. Zur (weitergehenden) Herausgabe ist der andere Teil nicht verpflichtet.[97] Außerdem kann er gemäß § 258 S. 2 2. HS sogar die Gestattung verweigern, bis ihm für den mit der Wegnahme verbundenen Schaden Sicherheit geleistet wird (nach den §§ 232 ff). Wenn der Vermieter etwa schon wieder Besitz an der vermieteten Wohnung erlangt hat, muss er gleichwohl dulden, dass der Mieter die Einbauküche ausbaut (vgl § 539 Abs. 2). Er kann allerdings die Gestattung verweigern, bis ihm für denkbare Schäden durch den Ausbau Sicherheit geleistet wird. Das Verweigerungsrecht begründet gleichsam ein Zurückbehaltungsrecht iSd § 273.[98]
a) Regelungscharakter der §§ 259-261
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Die §§ 259, 260 haben einen engen Anwendungsbereich. Sie regeln vor allem Einzelheiten zu den Rechtsfolgen anderweitig begründeter Auskunfts- und Rechenschaftspflichten. § 260 Abs. 1 bildet auch die Anspruchsgrundlage für eine spezielle Auskunftspflicht gegen den Schuldner eines Herausgabeanspruchs. Auskunfts- und Rechenschaftsansprüche sind in der Praxis deutlich bedeutsamer, als ihre eher stiefmütterliche Behandlung in den §§ 259 und 260 vermuten lässt.
b) Auskunftsansprüche – Zwecke und Rechtsgrundlagen
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Oft ist es schwer, Ansprüche effektiv durchzusetzen, wenn man über bestimmte Informationen nicht verfügt und sich diese auch nicht alleine beschaffen kann. Wenn andere in unserem Interesse tätig werden, sind wir ebenfalls auf Auskünfte dieser Personen angewiesen, um zu sehen, ob unsere Interessen gewahrt sind. Auskunftspflichten schaffen Abhilfe bei solchen Schwierigkeiten. Sie dienen der Information des Berechtigten und setzen in der Regel einen Hauptanspruch (etwa auf Zahlung von Schadensersatz oder auch einer Vergütung) voraus.[99] Aus der dienenden Funktion der Auskunftsansprüche folgen wichtige Begrenzungen: So können Auskunftsansprüche grundsätzlich auch nur mit dem Hauptanspruch abgetreten werden – und werden mit dessen Abtretung regelmäßig mit abgetreten.[100] Wenn feststeht, dass der Hauptanspruch nicht besteht, kann auch kein Auskunftsanspruch entstehen. Und wenn der Hauptanspruch wegen Verjährung nicht mehr durchsetzbar ist, entfällt der Auskunftsanspruch mangels Informationsbedürfnis – obwohl er nach wohl hM selbständig verjährt.[101]
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Das BGB kennt keine allgemeine Anspruchsgrundlage für Auskunftsansprüche.[102] Denn grundsätzlich muss niemand die Interessen und Anliegen anderer befördern. Auch liegt es in unserer Eigenverantwortung, uns die nötigen Informationen und Kenntnisse zur Durchsetzung möglicher Ansprüche zu besorgen. Nicht immer besteht also ein Anspruch auf Auskunft, wenn jemand ein Interesse an einer Auskunft hat. Auskunftsansprüche können sich jedoch aus einem Vertrag, aus besonderen gesetzlichen Bestimmungen und aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242) ergeben.
aa) Vertraglich begründete Auskunftsansprüche
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Auskunftsansprüche können zunächst vertraglich begründet sein. Erstens kann die Auskunft als Hauptleistungspflicht primärer Vertragsgegenstand sein (Auskunftsvertrag). So kann beispielsweise ein Immobilienmakler sich verpflichten, Auskunft über die durchschnittlichen Mietpreise der von ihm in einer bestimmten Lage vermittelten Mietwohnungen in einer bestimmten Wohnlage zu erteilen. Die Auskunftspflicht kann aber zweitens auch vertragliche Nebenpflicht sein. Beispielsweise kann ein gewerblicher Mietvertrag eine Nebenpflicht des Mieters auf Auskunft über bestehende Untermietverhältnisse begründen, wenn der Vermieter verpflichtet ist, bei Beendigung des Hauptmietverhältnisses in solche Untermietverhältnisse einzutreten.[103] Allerdings muss die Auskunftserteilung dem Verpflichteten auch zumutbar sein. Wenn sich Mitmieter in einem größeren Wohnhaus über das Verhalten eines Mieters beim gemeinsamen Vermieter beschweren, kann der Mieter vom Vermieter während des laufenden Mietverhältnisses nicht Auskunft darüber verlangen, welche Mitmieter sich über den Mieter beschwert haben: Eine solche Auskunft könnte die Störung des Hausfriedens noch weiter verschärfen.[104]
bb) Gesetzliche Auskunftsansprüche
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Das BGB beinhaltet viele spezifische Auskunftsansprüche. Praktisch sehr bedeutsam ist § 666: Der Beauftragte hat dem Auftraggeber auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen. Diese Pflicht trifft gem. § 675 auch den Geschäftsbesorger und gem. § 681 S. 2 auch den Geschäftsführer ohne Auftrag. Beim Auftrag, der Geschäftsbesorgung und der Geschäftsführung ohne Auftrag werden Personen jedenfalls auch im fremden Interesse tätig, woraus sich ein besonderes Informationsbedürfnis ergibt. Ein anderes wichtiges Beispiel bietet § 1379: Die Ehegatten können bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft die erforderlichen Auskünfte verlangen, die sie zur Berechnung ihrer konkreten Ansprüche gegeneinander benötigen. Wieder ein etwas anderes Ziel verfolgt der Auskunftsanspruch des neuen Gläubigers gegen den bisherigen Gläubiger bei der Forderungsabtretung in § 402: Ohne die nötigen Informationen zur Geltendmachung der Forderung kann dem neuen Gläubiger die Durchsetzung der Forderung erschwert werden. Auch in zahlreichen zivilrechtlichen Nebengesetzen sind besondere Auskunftspflichten zu finden, die zum Teil sehr weitreichend und detailliert sind (vgl etwa für den Bereich des Urheberrechts und des Patentrechts § 101 UrhG oder § 140b PatG).
cc) Auf den Grundsatz von Treu und Glauben gestützte Auskunftsansprüche (§ 242)
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