Zusatzfrage: Ändert sich am Ergebnis etwas, wenn V und M Unternehmerinnen sind und Geschäftsräume vermietet werden? Lösung Rn 223
a) Überblick über gesetzliche Regelungen zu Geld und Geldschuld
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Geld ist für unsere Wirtschaftsordnung von höchster Bedeutung. Im Schuldrecht ist es nur an wenigen Stellen geregelt, obwohl Geld besonders häufig Gegenstand von Schuldverhältnissen ist. §§ 244 und 245 befassen sich mit Fremdwährungsschulden und der (seltenen) Geldsortenschuld. §§ 269 Abs. 3 und 270 regeln den Zahlungsort, das Verspätungsrisiko und das Leistungsrisiko bei Geldschulden. Im Besonderen Schuldrecht gibt es Regeln über den Darlehensvertrag (§§ 488 ff) und über den bargeldlosen Zahlungsverkehr (§§ 675c ff). Begriff und Besonderheiten der Geldschuld als Schuldinhalt sind im BGB jedoch nicht geregelt.
b) Funktionen des Geldes; Bargeld, Buchgeld, gesetzliche Zahlungsmittel
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Geld dient seiner Funktion nach als Tauschmittel, zur Wertaufbewahrung, als Wertausdrucksmittel und als staatliches Instrument der Ordnungspolitik.[30] Bargeld sind Münzen und Banknoten, Buchgeld dagegen Forderungen gegen Kreditinstitute. Gesetzliches Zahlungsmittel sind in Deutschland seit 2002 nur auf Euro lautende Banknoten (Art. 106 Abs. 1 S. 3 EGV, Art. 10 S. 2 EuroVO II sowie § 14 Abs. 1 S. 2 BBankG). Für Euro-Münzen besteht gem. Art. 11 S. 3 EuroVO II nur eine beschränkte Annahmeobliegenheit: Niemand muss mehr als 50 auf Euro oder Cent lautende Münzen bei einer einzelnen Zahlung annehmen.
c) Geldschulden als Wertverschaffungsschulden
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Wer Geld schuldet, schuldet aber nicht die Übergabe oder Übereignung bestimmter Banknoten oder Münzen als solche. Vielmehr schuldet er dem Gläubiger die Verschaffung eines bestimmten Betrags an abstrakter Vermögensmacht.[31] Die konkrete Verkörperung dieser Vermögensmacht ist nicht entscheidend – es sei denn, die Parteien vereinbaren etwas anderes. Geldschulden sind also Wertverschaffungsschulden. Im Wirtschaftsleben stehen nichtkörperliche Formen (Buchgeld) zumindest gleichbedeutend neben körperlichen Formen (Bargeld). In welcher Form Geldschulden erfüllt werden können, hängt entscheidend von der Parteivereinbarung ab. Fehlt eine Vereinbarung, kann der Schuldner wegen der wirtschaftlichen Bedeutung von Buchgeld regelmäßig und im Zweifel auch bargeldlos erfüllen, beispielsweise dadurch, dass er den geschuldeten Betrag überweist.[32]
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Als Wertverschaffungsschulden sind Geldschulden keine Sachschulden, insbesondere auch keine Gattungsschulden.[33] Auf sie kann jedoch § 300 Abs. 2 analog angewendet werden:[34] Der Übergang der Leistungsgefahr beim Annahmeverzug ist im BGB für Geldschulden nirgends geregelt. Die Interessenlage ist insoweit aber mit der bei Gattungsschulden vergleichbar, so dass die Voraussetzungen für die Analogie vorliegen.
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Im Einzelfall kann es aber nicht um die Verschaffung abstrakter Vermögensmacht, sondern um ganz bestimmte Münzen oder Scheine gehen. Auch das können die Parteien natürlich vereinbaren – in Sammlerkreisen sind Kaufverträge über ganz bestimmte Münzen gang und gäbe. In solchen Fällen – wenn der Schuldner also verpflichtet ist, bestimmte Geldzeichen wie etwa konkrete Münzen zu verschaffen –, liegt konsequenter Weise gar keine Geldschuld vor, sondern eine gewöhnliche Sachschuld (Stück- oder Gattungsschuld).
d) Der maßgebliche Bestimmungszeitpunkt bei Geldschulden
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Wenn jemand ein Auto für 10.000 Euro kauft, schuldet der Käufer einen von Anfang an klar definierten Betrag – eben 10.000 Euro. In solchen Fällen, wenn also von Anfang an ein konkreter Betrag feststeht, liegt eine Geldsummenschuld vor.[35] Manchmal wird der konkret geschuldete Betrag aber erst zu einem späteren Zeitpunkt bestimmt: Wenn jemand eine andere Person fahrlässig in ihrer Gesundheit verletzt, ist er gem. § 823 Abs. 1 zum Schadensersatz verpflichtet. Aber der konkret geschuldete Betrag steht im Moment der Gesundheitsverletzung noch gar nicht fest: Bevor sich die beschädigte Person behandeln lässt, sind die konkreten Beträge ja auch nicht bekannt. Bei solchen Ansprüchen – neben Schadensersatzansprüchen beispielsweise auch Unterhaltsansprüche – spricht man von Geldwertschulden. Solche Schulden werden erst dann zu einer Geldsummenschuld, wenn der Leistungstermin feststeht.[36]
2. Geldschulden, § 275 und der Topos „Geld hat man zu haben“
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Ein in Klausuren und Lehrbüchern zum Schuldrecht gerne verwendeter Topos ist der Satz „Geld hat man zu haben“. Damit wird unter anderem zum Ausdruck gebracht, dass § 275 keine Anwendung auf die Geldschuld finden soll. Diese wohl hM[37] lässt sich allerdings nicht überzeugend begründen. Der Gesetzeswortlaut des § 275 spricht für die Anwendbarkeit der Norm auf Geldschulden. Gleiches gilt für die systematische Stellung der Norm im Allgemeinen Schuldrecht. Der Topos „Geld hat man zu haben“ ist keine Rechtsnorm des positiven Rechts, die einen Ausschluss einzelner Bestimmungen begründen könnte. Auch die historische Auslegung spricht für die Anwendbarkeit des § 275: Im Diskussionsentwurf zur Schuldrechtsreform 2002 (DiskE)[38] war eine explizite Ausnahme der Geldschuld vom Unmöglichkeitsrecht vorgesehen. Sie wurde allerdings nicht in den Gesetzestext aufgenommen. Das spricht dagegen, diese Ausnahme ohne gesetzliche Grundlage anzunehmen.[39] § 275 ist also auf Geldschulden grundsätzlich anwendbar. Allerdings ist der Tatbestand der Unmöglichkeit in der Regel aus faktischen Gründen nicht erfüllt: Objektive Unmöglichkeit[40] ist kaum vorstellbar, weil dazu überhaupt niemand mehr Geld haben müsste. Auch subjektive Unmöglichkeit wird sehr selten zu bejahen sein: Selbst wer krank, arm und ohne Erbschaftsaussicht ist, kann durch Schenkung oder Lottogewinn zu Geld gelangen.
3. Das Inflationsrisiko im Kontext der Geldschuld
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Der wirtschaftliche Wert des Geldes hängt von seiner konkreten Kaufkraft ab, die erheblichen Schwankungen unterliegen kann. Daher ist von hoher Bedeutung, wer das Inflationsrisiko trägt. Das ist für wichtige Teilbereiche in gesetzlichen Bestimmungen geregelt. Bei Geldwertschulden etwa trägt das Inflationsrisiko der Schuldner, denn erst zum Leistungszeitpunkt wird der konkret erforderliche Betrag fixiert. Weitere Sonderregeln finden sich etwa für Löhne oder Gehälter.
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Auch die Vertragsparteien können das Inflationsrisiko vertraglich regeln. Das geschieht in der Praxis durch Wertsicherungsklauseln, die Geldschulden wertbeständig machen sollen. Das ist vor allem bei auf lange Zeit angelegten Verträgen (in der Regel also: bei Dauerschuldverhältnissen) wichtig. Häufig nehmen Wertsicherungsklauseln auf bestimmte Preisindizes Bezug. Auch kann vereinbart werden, dass Geldschulden unter bestimmten Voraussetzungen angepasst werden sollen. Wertsicherungsklauseln sind nur innerhalb der gesetzlichen Grenzen zulässig.
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