Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz / Verwaltungszustellungsgesetz. Eva-Maria Kremer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eva-Maria Kremer
Издательство: Bookwire
Серия: Heidelberger Kommentar
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783811406292
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Rechtsbehelf gegen Entscheidungen des Vorsitzenden ist, die er als „Vollstreckungsbehörde“ (§ 4 Rn. 9) nach § 169 Abs. 1 VwGO trifft.

      Eine Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 767 ZPO scheidet, vom Ausnahmefall der nachfolgenden Randnummer 18 abgesehen, grundsätzlich aus. Denn der Rechtsschutz ist in § 146 Abs. 1 VwGO abschließend festgelegt. Eine gesetzliche Regelungslücke ist nicht vorhanden. Im Übrigen würde eine solche Klage den Vorsitzenden in unzulässiger Weise abwerten; denn sie schreibt die Entscheidung des Prozessgerichts, also der Kammer des Vorsitzenden vor.

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      Die Vollstreckungsabwehrklage des § 767 ZPO könnte nach § 183 VwGO, § 79 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht und § 47 Abs. 5 VwGO in Betracht kommen. Voraussetzung dafür wäre, dass eine Norm, auf welcher der Leistungsbescheid beruht, für nichtig erklärt wurde (vgl. BVerwG U 26.5.1967 – 7 C 69/65, juris Rn. 21 ff. = BVerwGE 27, 141, (143 f.)). In Hessen gilt gemäß § 3 Abs. 4 HessVwVG § 767 ZPO entsprechend. Eine derartige Regelung gibt es in den anderen Bundesländern nicht.

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      Im Übrigen gibt es insgesamt für das Vollstreckungsverfahren keine gesetzliche Regelungslücke, die eine Anwendung der Vollstreckungsabwehrklage notwendig machen würde. Die Verwaltungsgerichtsordnung gewährleistet im Vollstreckungsverfahren umfassenden und vollen Rechtsschutz. Aus diesem Grund ist gemäß § 173 VwGO die Vollstreckungsabwehrklage ausgeschlossen, also nicht zulässig (ebenso VGH Mannheim U 24.2.1992 – 5 S. 2520/91, juris = NVwZ 1993, 72). Das ist umstritten (Nachweis bei Lemke, S. 483–487).

      Im Meinungsstreit über den Vollstreckungsschutz werden insbesondere folgende Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts behandelt: BVerwG U 26.10.1984 – 4 C 53/80, juris = BVerwGE 70, 227; BVerwG U 6.9.1988 – 4 C 26/88, juris = BVerwGE 80, 178.

      Diese Urteile sind nicht einschlägig: Sie betreffen andere Rechtsbereiche und sind deshalb im Vollstreckungsverfahren nicht verwertbar.

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      Der Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde ist kein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG. Denn die Behörde erlässt ihn nach §§ 35, 46 Abs. 2, 65, 66 OWiG i.V.m. § 23 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz auf dem Gebiet der Strafrechtspflege. Infolgedessen ist der Bußgeldbescheid ein spezialgesetzlicher Justizverwaltungsakt (§ 3 Rn. 17). Mit ihm ahndet die Behörde Verwaltungsunrecht. Für das Vollstreckungsverfahren und den Rechtsschutz gilt Folgendes:

      Gemäß § 89 OWiG sind Bußgeldentscheidungen vollstreckbar, wenn sie rechtskräftig geworden sind. Der Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde wird nach den Vorschriften des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes oder nach den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften vollstreckt. Das bestimmt § 90 Abs. 1 OWiG. Vollstreckungsbehörde ist gemäß § 92 OWiG die Verwaltungsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat.

      In ihrer Eigenschaft als Vollstreckungsbehörde ist die Verwaltungsbehörde dafür zuständig, als erste Rechtsschutzinstanz über Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Bußgeldbescheid zu entscheiden. Hierfür fehlt zwar eine ausdrückliche Rechtsschutzgrundlage. Jedoch ist es im Hinblick auf den Verwaltungsakt sachgerecht und geboten, § 5 Abs. 1 VwVG i.V.m. § 256 AO analog anzuwenden. Deshalb kann die Behörde, auch vergleichbar § 72 VwGO, abhelfen, indem sie der Einwendung ganz oder teilweise stattgibt.

      Dieses Recht steht der Verwaltungsbehörde nach der Opportunitätsbestimmung des § 47 Abs. 1 OWiG zu; sie besagt: Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde. Solange das Verfahren bei ihr anhängig ist, kann sie es einstellen.

      Der Bußgeldbescheid hat den Rang eines Strafbefehls. Das ergibt sich aus § 71 Abs. 1 OWiG. Er muss wegen seiner inhaltlichen Strenge schriftlich erlassen und förmlich zugestellt werden. Deshalb kann die Verwaltungsbehörde bei Einstellung des Verfahrens ihren Bußgeldbescheid auch nur schriftlich aufheben. Das ist ein notwendiges Gebot der Rechtsklarheit bei der Erledigung eines bisherigen Schuldvorwurfs. Eine Zustellung des begünstigenden Aufhebungsbescheides ist nicht erforderlich. Denn er löst keine Rechtsbehelfsfrist aus.

      Hilft die Verwaltungsbehörde nicht ab, so entscheidet gemäß § 103 Abs. 1 Nr. 1, § 104 Abs. 1 Nrn 1, 3, § 68 OWiG das Amtsgericht oder der Jugendrichter über Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung. Diese Entscheidung hat die Verwaltungsbehörde dem Finanzamt bzw. dem Hauptzollamt mitzuteilen. Daraufhin wird die Beitreibung, je nachdem, entweder fortgeführt oder analog § 257 AO eingestellt.

      Vorstehender Rechtsschutz gilt nur für Einwendungen gegen das Vollstreckungsverfahren. Denn Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit eines rechtskräftigen Bußgeldbescheides fallen in den materiellen Bereich der Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 85 OWiG. Auch hier zeigt sich der wesensmäßige Unterschied zwischen der Unanfechtbarkeit eines Verwaltungsaktes und der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung (§ 6 Rn. 101).

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      Als letztes Mittel, Rechtsschutz zu gewährleisten, kommt allgemein der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO in Betracht (VGH Mannheim B 16.11.2011 – 3 S. 1317/11, juris = NVwZ-RR 2012, 129). Eine solche ist zum Beispiel geboten, wenn die Beitreibung einer Geldforderung gegen Treu und Glauben verstoßen würde (OVG Münster B 8.6.2000 – 14 B 2135/99, juris = NVwZ-RR 2001, 54; OVG Münster B 8.6.2000 – 7 L 747/99, juris = NVwZ-RR 2001, 54).

II. Zu Absatz 2

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      Ausgangspunkt und umfassende Rechtsgrundlage jeglicher Amtshilfe in Deutschland ist Art. 35 Abs. 1 GG. Die hier gesicherte Beistandsleistung ist die notwendige Folge der Ausübung der Staatsgewalt durch verschiedene Behörden (so BVerfG B 28.11.1957 – 2 BvL 11/56, juris Rn. 29 = BVerfGE 7, 183 (190)). Im Bereich der Verwaltungsvollstreckung ist die Amtshilfe als Vollstreckungshilfe zu konkretisieren (Kopp/Kopp: Die länderübergreifende Amtshilfe und Verwaltungsvollstreckungshilfe, BayVBl. 1994, 229–233; Umbach/Clemens/Magen, Art. 35 Rn. 5, 23).

      Allgemein ist für jede Amtshilfe der Verwaltungsbehörden und Gerichte Folgendes zu berücksichtigen: Entsprechend der Legaldefinition des § 4 Abs. 1 VwVfG ist sie in allen Fällen nur eine „ergänzende“ Hilfe. „Grundsätzlich gilt, dass der Verwaltungsträger, dem durch eine Kompetenznorm des Grundgesetzes Verwaltungsaufgaben zugewiesen sind, diese Aufgaben durch eigene Verwaltungseinrichtungen – mit eigenen personellen und sächlichen Mitteln – wahrnimmt“ (BVerfG B 12.1.1083 – 2 BvL 23/81, juris Rn. 131 = BVerfGE 63, 1 (32)). Also ist die Amtshilfe auf Teilgebiete eines Verwaltungsverfahrens begrenzt (BVerfG B 13.7.2011 – 2 BA 742/10, juris = NVwZ 2011, 1254).

      Alle Behörden leisten die Hilfe im Gleichordnungsverhältnis. Insbesondere zwischen Behörden des Bundes