128
Die Proporzregeln für die Redezeit pro Fraktion, die an § 35 Abs. 1 S. 1 GO-BT anknüpfen, werden in der Regel aufgrund eines „Debattenschemas“ zu Beginn einer Wahlperiode vereinbart. Vertreter der Bundesregierung oder des Bundesrates werden bei den Fraktionskontingenten angerechnet. Die Redezeit von Mitgliedern oder Beauftragten der Bundesregierung und des Bundesrates wird auf die Redezeit einer Fraktion angerechnet.[153] Sie fügt sich somit in das Plenargeschehen ein. Die Anrechnung geschieht wie folgt: Jedes Mitglied der Bundesregierung oder des Bundesrates (und jeder Beauftragte) wird einer Fraktion zugeordnet. Die Zuordnung folgt der Parteizugehörigkeit bzw. genauer der Frage, von welcher Partei der Besetzungsvorschlag für das jeweilige Ressort stammt. Bei Bundesratsmitgliedern, die einer im Bundestag nicht vertretenen Partei angehören, wird die Zuordnung zwischen den Fraktionen vereinbart.
Beispiel:
Die Redezeit der Bundesminister oder Bundesratsmitglieder, die der CDU angehören, wird auf das Kontingent der CDU-CSU-Fraktion angerechnet und in der Regel auch von der Fraktion dem Sitzungsvorstand im Plenum mitgeteilt. Bei den übrigen Fraktionen verhält es sich genauso. Als die FDP nicht im Bundestag vertreten war (2013-17), sprachen die ihr angehörenden Bundesratsmitglieder „auf dem Kontingent“ der CDU/CSU.
129
Die grundsätzliche Regelung der Abfolge und Länge der Tagesordnungspunkte pro Sitzungswoche (Koalitions- und Oppositionsanliegen) wird, anknüpfend an § 20 Abs. 1 GO-BT, durch eine interfraktionelle Vereinbarung in der Regel zu Beginn der Wahlperiode getroffen. Sie wird durch mögliche Abweichungen während einzelner Sitzungswochen ergänzt. Darin wird dann festgelegt, ob ein Punkt „ohne Debatte“ auf der Tagesordnung steht. Zu diesen „o.D.“-Punkten gehören „Überweisungen im vereinfachten Verfahren“ und „Abschließende Beratungen ohne Aussprache“.
130
Zum Parlamentsbrauch gehört auch die Vereinbarung, welche Fraktion welchen Ausschussvorsitz und welchen stellvertretenden Vorsitz erhält. Die Verständigung (im Ältestenrat) ist vorgesehen in § 6 Abs. 2 S. 2 GO-BT. Der Vorsitz des Haushaltsausschusses wird nach einem Parlamentsbrauch[154] durch ein Mitglied der stärksten Oppositionsfraktion besetzt.
Die Verteilung der Sachverständigen in öffentlichen Anhörungen (und erweiterten Berichterstattergesprächen) folgt dem Fraktionsproporz (anknüpfend an § 70 Abs. 2 S. 2 GO-BT).
131
Schaubild 1: Beispiel einer Plenartagesordnung. „Ü“ steht für Überweisung, „A“ für Abstimmung.
Donnerstag, 07. Mai 2020 (158. Sitzung) | ||||
09.00-09.35 Uhr | 30 Min. | TOP 8 | Hilfsmaßnahmen im Veranstaltungsrecht und Kulturbereich | A |
09.35- 10.10 Uhr | 30 Min. | TOP 9 | Unterstützung von Wissenschaft und Studierenden | A |
10.10-10.45 Uhr | 30 Min. | TOP 10 | Elterngeld und Hilfe für Familien | A |
10.45- 11.50 Uhr | 60 Min. | TOP 11 | Rückkehr in die Normalität | Ü |
11.50-12.55 Uhr | 60 Min. | TOP 12 | Schutz der Bevölkerung bei epidemischer Lage | Ü |
12.55-14.00 Uhr | 60 Min. | TOP 13 | Sozialer Schutz während der Corona-Krise | Ü |
14.00- 14.10 Uhr | 10 Min. | TOP 25 | Überweisungen im vereinfachten Verfahren | Ü |
TOP 26 | Abschließende Beratungen ohne Aussprache | A | ||
14.10- 14.30 Uhr | 6x3 Min. | TOP 14 | Abgeordnetenentschädigung | A |
14.30- 15.05 Uhr | 30 Min. | TOP 15 | Bundeswehreinsatz EUNAVFOR MED I RIM I | A1 |
15.05 - 15.40 Uhr | 30 Min. | TOP 16 | Wirtschaftliche Belebung | Ü |
15.40-16.15 Uhr | 30 Min. | TOP 17 | Änderung des SGB IV | A |
16.15- 16.50 Uhr | 30 Min. | TOP 18 | Schutz vor Konversionsbehandlungen | A |
16.50- 17.25 Uhr | 30 Min. | TOP 19 | Ökologisches und sozial gerechtes Zukunftspaket | Ü |
17.25 - 18.00 Uhr | 30 Min. | TOP 20 | Änderung des Strafgesetzbuches - Bildaufnahmen | Ü |
18.00 - 18.35 Uhr | 30 Min. | TOP 21 | Stärkung des Gesundheitssystems | Ü |
18.35- 19.10 Uhr | 30 Min. | TOP 22 | Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz | Ü |
bb) Vereinbarungen ohne Anknüpfungspunkt in der GO-BT
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Zum Parlamentsbrauch gehören interfraktionelle Absprachen, die nicht an eine Vorschrift der GO-BT anknüpfen. Zu nennen sind Pairing-Vereinbarungen, nach denen ein Mitglied einer Regierungsfraktion, das einer Sitzung fernbleiben möchte, mit einem