3. Rechtsfolgen misslungener Einbeziehung von AGB
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Wenn die Voraussetzungen für eine wirksame Einbeziehung der AGB verfehlt wurden, so ist der Vertrag nicht etwa nach § 139 BGB insgesamt nichtig. Vielmehr kommt der Vertrag nach § 306 I BGB ohne AGB zustande.
IV. Der Hinweis des Verwenders auf die AGB
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Dem Hinweis des Verwenders auf die AGB kommt eine Anstoßfunktion zu: Der Kunde soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass AGB gelten sollen und dass es ratsam sein kann, diese vor Vertragsschluss zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihnen näher zu befassen. Der Verwender muss den Kunden grundsätzlich ausdrücklich auf seine AGB hinweisen; erst wenn dies wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, darf er stattdessen mittels eines deutlich sichtbaren Aushangs hinweisen.
1. Hinweis bei Vertragsschluss
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In jedem Fall hat jedoch der Hinweis bei Vertragsschluss zu erfolgen, d.h. im Zusammenhang mit den Erklärungen oder Verhandlungen der Vertragspartner, die zum konkreten Vertragsabschluss führen[1]. Spätere oder frühere Hinweise sind generell unbeachtlich.
a) Hinweise nach Vertragsschluss
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Beispiel 20
a) | Ein Spielsalon bietet seinen Gästen an, gegen ein stundenweise berechnetes Entgelt die im Salon aufgestellten Billardtische zu benutzen. Der Vertrag wird an der Theke geschlossen; dort werden den Gästen auch Kugeln und Queues ausgehändigt. Die Billardtische stehen in einem separaten Zimmer, in dem sich – von außen nicht sichtbar – ein Aushang befindet: „Das erste Getränk ist Pflicht.“ |
b) | K bestellt bei Fußballverein V eine Eintrittskarte für ein Fußballspiel vor. Nach Bestätigung der Bestellung überweist er im Voraus den Eintrittspreis. Am Tag des Spiels wird ihm an der Stadionkasse die für ihn reservierte Karte ausgehändigt. Auf ihr steht unter anderem geschrieben: „Bei Spielabbruch wird der Eintrittspreis nicht zurückerstattet.“ |
c) | V verkauft an K einen Gefrierschrank, zu liefern frei Haus. Auf dem Lieferschein findet sich (erstmals) ein Hinweis auf die AGB des V, wonach die Gewährleistung für Mängel ausgeschlossen wird. |
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In sämtlichen Beispielsfällen sind die betreffenden Klauseln nach § 305 II Nr. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden:
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Im Beispiel 20 a) wird der Vertrag zwischen Kunden und Salonbetreiber an der Theke geschlossen; dort erfolgte ein Hinweis auf die Verpflichtung, mindestens ein Getränk zu verzehren, weder ausdrücklich noch durch sichtbaren Aushang. Der Aushang wird erst zu einem Zeitpunkt sichtbar, da der Vertrag bereits geschlossen ist; dies reicht für eine wirksame Einbeziehung von AGB nicht aus.
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Im Beispiel 20 b) kam der Vertrag bereits mit Bestätigung der Bestellung zustande; die AGB auf der Eintrittskarte wurden daher von V erst nach Vertragsschluss eingeführt. Sie konnten daher nach § 305 II Nr. 1 BGB jedenfalls nicht mehr Bestandteil des ursprünglichen Vertrags werden. Allenfalls ist denkbar, dass der geschlossene Vertrag nachträglich inhaltlich geändert wurde, wenn man nämlich argumentiert, dass V mit Aushändigung der Karte ein Angebot auf Vertragsänderung abgegeben und K dies Änderungsangebot mit der widerspruchslosen Entgegennahme der Karte und dem Besuch des Fußballspiels angenommen hat. Das setzt freilich voraus, dass wenigstens im Zeitpunkt der Vertragsänderung ein ausreichender Hinweis nach § 305 II Nr. 1 BGB erfolgt ist. Dass K sich mit dieser Änderung allein durch Inanspruchnahme der vertraglichen Leistung einverstanden erklärt hat, dürfte freilich im Beispiel 20 b) kaum anzunehmen sein: Wer in der Gewissheit, eine Karte reserviert zu haben, den Weg ins Stadion antritt, wird berechtigterweise davon ausgehen, das Spiel zu den bisher vereinbarten Konditionen besuchen zu können. Er wird sich kaum darauf einlassen, entweder eine Veränderung dieser Konditionen zu seinen Lasten zu akzeptieren oder unverrichteter Dinge wieder abzuziehen. Die Inanspruchnahme der Leistung durch K bedeutet damit kein konkludentes Einverständnis mit der nachträglichen Einbeziehung der AGB des V.
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Im Beispiel 20 c) war bei Vertragsschluss niemals von den AGB des V die Rede; diese fanden sich vielmehr erst auf dem Lieferschein. Der Hinweis auf die AGB erfolgte damit nach Vertragsschluss; auf diesem Wege konnten die AGB nicht mehr wirksam einbezogen werden[2]. Selbst in laufenden Geschäftsverbindungen werden AGB auf Lieferscheinen und Rechnungen nicht Vertragsbestandteil[3]: nicht Bestandteil des ursprünglichen Vertrags, da insoweit der Hinweis erst zeitlich nach dem Vertragsschluss liegt; nicht Bestandteil nachfolgender Verträge innerhalb der Geschäftsverbindung, da es am erforderlichen Zusammenhang zwischen dem früheren Hinweis und dem neuen Vertragsschluss fehlt.
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Tipp
Nicht selten berufen sich Unternehmen auf AGB, von denen bei Vertragsschluss niemals die Rede war. Im Mandantengespräch ist also gezielt zu fragen, wann erstmals die (angebliche) Geltung der AGB erwähnt wurde.
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Wie sorgfältig hier vorgegangen werden muss, zeigt sich gerade bei Eintrittskarten. Im Beispiel 20 b) lagen Vertragsschluss und Aushändigung der Karte zeitlich auseinander. Meistens fällt beides jedoch zeitlich zusammen: Der Kunde verlangt an der Kasse eine Karte, der Kassenangestellte nennt den Preis und händigt sofort die Karte aus. Wenn nunmehr auf der Eintrittskarte auf die AGB des Veranstalters hingewiesen wird, stellt sich die Frage, ob dieser Hinweis i.S.d. § 305 II BGB „bei Vertragsschluss“ erfolgt ist. In der Literatur wird diese Frage verbreitet bejaht[4]. Nach hier vertretener Ansicht ist die Frage jedoch zu verneinen[5]: Die Aushändigung der Eintrittskarte ist eine Erfüllungshandlung und setzt als solche voraus, dass ein Vertrag bereits geschlossen ist. Damit wird nicht etwa das Abstraktionsprinzip überbewertet oder gar spitzfindiger Konstruktionsjurisprudenz das Wort geredet; vielmehr entspricht allein diese Deutung dem Schutzanliegen des § 305 II BGB: Wer von den AGB erst erfährt, wenn er die Eintrittskarte in der Hand hat, wird nicht mehr nach seinem Einverständnis mit den AGB gefragt, da der Vertrag schon rechtsgültig geschlossen ist. Er wird