Inhaltsverzeichnis
Fall 1 Die verlorene Handtasche
Fall 3 Der australische Zwillingsbruder
Fall 6 Kein Parkett für flotte Sohlen
Fall 8 Kein Anschluss unter dieser Nummer
Fall 10 Werkvertragliche Leistungskette
Fall 13 Aus für den Hundesalon?
Fall 1 Die verlorene Handtasche
Fall 1 Die verlorene Handtasche
Materielles Recht: | Gesetzliche Schuldverhältnisse (Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, Fund, Deliktsrecht, Anwartschaftsrecht, Haftungsmaßstab) |
Prozessrecht: | Streitgenossenschaft, Zuständigkeit, prozesstaktische Erwägungen aus Klägersicht |
Prüfer: | Sie sind zugelassener Rechtsanwalt. Wimmer betritt aufgeregt ihre Kanzleiräume anlässlich einer Erstberatung und berichtet von folgendem Vorgang: Vor drei Monaten hatte er im Gesundbrunnen-Center in Berlin-Wedding in der Tiefgarage geparkt. Im Erdgeschoss kaufte er sich bei der „Asia-Imbiss-GmbH“ etwas zu essen, bezahlte und ließ dabei seine schwarze Handtasche am Tresen liegen. Darin befand sich neben dem Personalausweis sein iPhone, dass er vor zwei Jahren neu für 600 € von der Deutschen Telekom AG unter Eigentumsvorbehalt erworben hatte. Von den 36 Monatsraten sind noch 12 Raten offen. 5 Minuten nach Verlassen des Imbiss bemerkte Herr Wimmer in der Tiefgarage das Fehlen der Tasche und erinnerte sich sofort daran, dass er sie auf dem Tresen liegen gelassen hatte. Er eilte sofort zurück. Die Angestellte Frau Ming erklärte ihm auf Nachfrage, dass sie die Tasche gefunden und dann hochgehalten habe. Dabei habe sie gefragt, wem die Tasche gehöre. Zwei Frauen hätten sich daraufhin gemeldet, die Tasche genommen und seien verschwunden. Herr Wimmer holte einen Polizeibeamten, demgegenüber Frau Ming ihre Aussage wiederholte. Konkrete Einzelheiten zum Aussehen der Frauen konnte sie nicht machen. Nachdem das Strafverfahren gegen die unbekannten Frauen und gegen Frau Ming (Letzteres mangels Vorsatz) eingestellt wurden, begab sich Herr Wimmer in den Asia-Imbiss und verlangte von Frau Ming Schadensersatz. Diese stritt nunmehr ab, eine Handtasche gefunden zu haben. Herr Wimmer ist von Frau Ming (die im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Charlottenburg wohnt) schwer enttäuscht und findet, dass sie Schadenersatz leisten müsste. Er wünscht erstmal nur eine umfassende Beratung bzgl. des weiteren Vorgehens. Das Gesundbrunnen-Center befindet sich im Sprengel des Amtsgerichts Wedding. Wie gehen Sie den Fall an? |
Kandidat 1: | Zunächst ist das Mandantenziel zu ermitteln. Dabei sind nicht nur Schadensersatzansprüche gegen Frau Ming sondern auch solche gegen die „Asia-Imbiss“ GmbH zu prüfen. Der Mandant ist zwar insbesondere über Frau Ming verärgert, hat jedoch Ansprüche gegen die GmbH nicht ausgeschlossen. |
Prüfer: | Richtig.[1] Warum ist auch die Prüfung von Ansprüchen gegen die Asia GmbH von besonderer Bedeutung? |
Kandidat 2: | Die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die GmbH könnte insbesondere den wirtschaftlichen Vorteil bieten, dass diese Ansprüche eher realisiert werden können, als gegen eine einfache Angestellte, deren Einkommen die Pfändungsfreigrenzen nicht überschreitet. |
Prüfer: | Ganz genau. Gut gesehen.[2] Fangen wir mit Ansprüchen gegen Frau Ming an. Wie sieht es denn da aus? |
Kandidat 3: | Es könnte ein deliktischer Anspruch bestehen … |
Prüfer: | Das ist zutreffend, jedoch würde ich gern in der Prüfungsreihenfolge Vertrag, Vertrauen, Gesetz bleiben. Gibt es vertragliche Ansprüche?[3] |
Kandidat 3: | Ein vertraglicher Anspruch gegen Frau Ming dürfte ausscheiden, da Herr Wimmer lediglich ein Bewirtungsvertrag mit der „Asia-Imbiss“ GmbH geschlossen hat. Der Arbeitsvertrag von Frau Ming dürfte keinen Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten der jeweiligen Kunden darstellen, zumal diese eigene vertragliche Ansprüche gegen die GmbH haben können. Auch Ansprüche aus Vertrauenstatbeständen sind nicht ersichtlich. |
Prüfer: |
Das stimmt. Wie
|