IV. Gewaltsamer Tod › 1. Stumpfe Gewalt
1. Stumpfe Gewalt
Die stumpfe Gewalt ist charakterisiert durch eine flächige oder kantige Einwirkung auf den menschlichen Körper. Dabei sind mehrere Abläufe möglich:
• | Der sich bewegende Mensch trifft auf ein ruhendes Widerlager. Dies geschieht vor allem beim Sturz zu ebener Erde (Standfläche), auf der Treppe oder aus größerer Höhe. |
• | Ein bewegter Gegenstand trifft auf den Körper. Hierzu zählen Schläge mit den Fäusten und mit Gegenständen (Knüppel, Kanthölzer, Schlagstöcke, Baseballschläger, Schlagringe, Hämmer, Beile oder Äxte mit ihrer stumpfen Seite, Flaschen) sowie geworfene und herabfallende Gegenstände (z. B. Pflastersteine, Dachziegel). |
• | Beim Zusammenstoß (Kollision) treffen ein Mensch und ein Gegenstand oder Gegenstände aufeinander (Verkehrsunfall). |
Die Folgen stumpfer Gewalt werden bestimmt von Art und Intensität der Einwirkung sowie von der Lokalisation am Körper und damit von der Beschaffenheit der getroffenen Körperstelle. Die Verletzungen sind außerordentlich vielgestaltig und können an der Körperoberfläche sichtbar sein oder im Körperinneren entstehen. Demzufolge vermittelt die äußere Besichtigung des Leichnams keinen vollständigen Überblick über Art und Schwere aller Verletzungen.
Die Schädigungen durch die Einwirkung stumpfer Gewalt können umschrieben sein und nur einzelne Körperabschnitte betreffen. Nicht selten handelt es sich aber um Mehrfachverletzungen. Ein und dasselbe Ereignis schädigt gleichzeitig mehrere Körperregionen oder Organsysteme, wobei wenigstens eine Verletzung oder die Kombination mehrerer lebensbedrohlich ist (Polytrauma).
Je nach Verletzungslokalisation und -mechanismus sind folgende Todesursachen nach stumpfer Gewalteinwirkung möglich:
• | Zertrümmerung lebenswichtiger Organe, einzeln oder kombiniert, |
• | Schädelinnenraumblutungen, |
• | innere oder äußere Verblutung, |
• | Ersticken durch Blutaspiration oder durch Aspiration von erbrochenem Mageninhalt, |
• | Kreislaufschock, |
• | Fettembolie, Luftembolie, |
• | Komplikationen (Infektionen wie Tetanus und Gasbrand, Multiorganversagen, Lungenentzündung, Allgemeininfektion = Sepsis, Thromboembolie). |
IV. Gewaltsamer Tod › 1. Stumpfe Gewalt › 1.1 Verletzungen der Haut
1.1 Verletzungen der Haut
Infolge streifender oder schräger Einwirkung auf die Körperoberfläche (Schürfen, Kratzen, Rutschen, Schleifen) entsteht eine Abschürfung (Exkoriation) oberflächlicher Hautschichten. Kriminalistisch bedeutsam ist die Möglichkeit, an den zusammengeschobenen Oberhautschüppchen (sog. Epithelmoräne) die Schürfrichtung zu erkennen. Aufgehäufte Hautschüppchen an einem Wundrand belegen eine Abschürfung in Richtung dieses Randes. In Abhängigkeit von der Oberflächenbeschaffenheit des schürfenden Gegenstandes kann es zu Materialübertragungen zwischen Gegenstand und Haut kommen (z. B. Erde, Fahrbahnbestandteile, Lacksplitter, Hautpartikel, Gewebsflüssigkeit).
Oft wird die Oberhaut nur geringfügig verletzt, sodass die betroffene Stelle nicht sofort sichtbar ist. Die Verletzung tritt an der Leiche erst nach einiger Zeit zutage, weil durch das Fehlen der oberflächlichen Zellschicht Gewebswasser verdunsten kann und die geschädigte Fläche vertrocknet. Diese Hautvertrocknungen sind von gelblich-brauner Farbe und weisen eine pergament- bis lederartige Konsistenz auf.
Vereinzelt werden Oberhautdefekte durch senkrechte Gewalteinwirkung hervorgerufen. Von kriminalistischer Bedeutung sind die resultierenden Hautvertrocknungen, weil daran die Form der verursachenden Gewalt ablesbar sein kann (Schlagflächen, Kanten, Profile). Auch Strangulationsmarken sind geformte Defekte der Oberhaut, die alsbald vertrocknen.
Es lässt sich bei vertrockneten Oberhautdefekten nicht immer erkennen, ob die Verletzung vor oder nach dem Tod entstanden ist. Erbringt die Leichenöffnung eine Unterblutung dieser Stelle, darf eine Entstehung der Hautabschürfung zu Lebzeiten angenommen werden.
Wird durch die schürfende Gewalt auch die unter der blutgefäßlosen Oberhaut gelegene, gefäßführende Lederhaut verletzt, kommt es zu Blutungen und Wundschorfbildung.
Ein Bluterguss (Hämatom) entsteht infolge Zerreißung von Blutgefäßen durch Gewebsquetschung und -zerrung mit oder ohne Hautabschürfung. Sein Ausmaß ist abhängig von der Größe der einwirkenden Gewalt, den anatomischen Gegebenheiten der betroffenen Körperregion, dem Blutgefäßreichtum der verletzten Stelle und der individuellen Blutungsbereitschaft. Besonders leicht entstehen Blutergüsse an Stellen, an denen die Haut direkt über einem Knochen liegt (Schienbein, Schädeldach). In lockeren Gewebsschichten breiten sich Blutungen leicht aus (Augenober- und -unterlid mit Absinken bis in die Wange, Hodensack, äußere weibliche Geschlechtsorgane). Ausgedehnte Hämatome entstehen bei krankheitsbedingter Blutungsbereitschaft (Bluterkrankheit, schwere, häufig alkoholbedingte Lebererkrankungen) oder bei Dauerbehandlung mit gerinnungshemmenden Medikamenten zur Thrombosevorbeugung (z. B. nach Herzinfarkt oder Schlaganfall, bei Durchblutungsstörungen an den Beinen).
Die Blutergüsse können die Haut, die Unterhaut und/oder die tiefer liegenden Weichteilgewebe betreffen. Je nach ihrer Lage treten die Hämatome gleich nach der Gewalteinwirkung oder aber nach Stunden, mitunter erst nach Tagen an der Körperoberfläche in Erscheinung. Es dauert einige Zeit, bis eine in der Tiefe entstandene Blutung unter der Haut sichtbar wird.
Die Blutunterlaufung der Haut, als blauer Fleck bekannt, entspricht in ihrer Ausdehnung ziemlich genau dem geschädigten Bereich. Eine Hautunterblutung muss aber nicht unbedingt den Ort der äußeren Gewalteinwirkung markieren. So kann die Unterblutung von Ober- und Unterlid eines Auges (Monokelhämatom, blaues Auge) durch eine direkte Gewalteinwirkung mit der Faust entstanden sein oder bei einem Schädelbasisbruch indirekt zustande kommen, weil sich die Blutung von der Bruchstelle bis in das lockere Bindegewebe der Augenregion ausbreitet. Durch kräftiges Saugen an der Haut, vor allem des Halses, können umschriebene Hautunterblutungen verursacht werden (sog. Knutschflecke).
Unabhängig