Romy spielt sich frei. Günter Krenn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Günter Krenn
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783990406502
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Schnitzler, Liebelei, 1894

      Romy und Magda in New York. 1958. Man reist gemeinsam, streckt die Fühler nach Möglichkeiten zur Arbeit in der US-Filmindustrie aus, doch wie das Foto unbewusst verrät, werden sich die beruflichen Wege von Mutter und Tochter bald trennen.

      Magda. 1933. Das Porträt stammt von der Wiener Modefotografin Edith Glogau. Ein Jahr zuvor hatte Magda einen Vertrag bei der Ufa unterschrieben.

       Vom Büro zur Bühne

      In diesem Geschäft, sagt man zu ihrer Zeit über das Filmen, bist du als Frau mit dreißig Jahren alt und mit fünfundreißig so gut wie tot. Es gilt demnach, die Zeit zu nützen, und das hat sie sich frühzeitig antrainiert. Sie lernt, studiert, probiert und verbessert sich, wenn es geht. Dass sie nach einer Zwangspause mit Mitte vierzig noch einmal an frühere Erfolge anschließen kann, die Resultate dieser Zeit ihr sogar eine gewisse „Unsterblichkeit“ zumindest im Feiertagsprogramm diverser Fernsehsender sichern, ist eine der zahlreichen Unwägbarkeiten in ihrem unberechenbaren Geschäft. Der Übergang von Liebhaberinnen- zu Mutterrollen kann Karrieren knicken oder sogar vorzeitig beenden, wie sie es bei vielen erlebt hat. So ist es verständlich, dass Magda Schneider 1956, nachdem ihr Ernst Marischka seine Pläne für eine Fortsetzung von Sissi dargelegt hat, vor allem im Hinblick auf ihre Tochter Romy eine kritische Anmerkung hat: „Nachdem Du uns Sissi II in groben Zügen erzählt hast, musste ich mal 1 Nacht darüber schlafen. Es hat mir sehr gefallen, aber Ernstl, es ist zu früh für Romy, eine Frau und Mutter zu spielen! Der ganze schöne Aufbau geht flöten u. wir unterbrechen mit dieser einen Rolle die ganze schöne Entwicklungslinie. Ich erinnere Dich an Deine eigenen Worte!! Junge, taufrische Geschöpfe muss sie spielen! Ich habe sehr genau überlegt, und ich verstehe Dich gut, es ist sehr naheliegend den Sissi-Erfolg weiter auszunützen, aber ich muss ja in erster Linie an die Weiterentwicklung des Kindes denken.“1

      Besagte Weiterentwicklung wird sie vor allem interessieren, als Romy ein Teenager ist und sich zum Motor ihrer eigenen Karriere entwickelt hat. „Diese Jahre möchte ich noch einmal erleben“, das wird sie in Gesprächen deshalb später oft wiederholen und damit die Zeit meinen, in denen sie in den 50er Jahren gemeinsam mit ihrer Tochter acht Filme dreht, sich neuen Starruhm festigt, von Publikum und Presse gefeiert wird, nachdem der erste Erfolg, der sich zwanzig Jahre davor nur um ihre Person drehte, bereits verblasst ist. Dass ein Teil davon während der NS-Zeit stattfand, thematisiert in jenen Tagen niemand. Magda profitiert von der Ära des Wirtschaftswunders, in der man nicht über die zurückliegenden Jahre reden möchte, zumal viele der im Dritten Reich engagierten Personen in Politik und Wirtschaft wieder in guten Positionen sitzen, sondern lieber nach vorne blickt.

      Oder weit zurück in die Historie. So lässt sich mit jener Art von „Papas Kino“, in dem Magda ihre erste Karriere begann, wieder gutes Geld verdienen. Sie feiert 1953 ihr Comeback, bei dem sie an ihre Zeit als Ufa-Star anschließen kann. Innerhalb weniger Jahre wurde sie ein Vierteljahrhundert davor zu einem der bekanntesten Gesichter des deutschen Tonfilms und ihr Allerweltsname ein Erfolgsgarant für zahlreiche Kinohits. Inhaltlich oft austauschbar, präsentierten die frühen Musiktonfilme ein Ensemble beliebter Schauspielerinnen und Schauspieler in ihrem Zentrum, vom dem sich das Publikum die immer gleiche Geschichte in leicht variierter Form stets neu erzählen zu lassen bereit war. Auch Magdas Privatleben gab Anlass zu Phantasien, denn im Gegensatz zu anderen Kolleginnen war sie tatsächlich mit einem prominenten, von der Masse verehrten Filmpartner verheiratet und schien somit privat ebenfalls in einer Märchenwelt zu leben. Ihre Tochter, zunächst nur in Homestories als familiärer Background erwähnt, wird später zu einem Weltstar. Allerdings hat Magda früh gelernt, dass das Leben abseits eines gesicherten Drehbuchs, ohne Schminke, schicker Abendkleidung und ausgeklügeltem Lichtdesign für einen Filmstar genauso unwägbar ist wie für eine Durchschnittsperson aus dem Publikum.

      Geboren wird Magda am 17. Mai 1909 mittags um 12:30 Uhr in Pfersee, damals noch ein Industrievorort im Westen von Augsburg, der zwei Jahre später eingemeindet wird. Zu jener Zeit drückt ein anderer Augsburger, der später von sich reden machen wird, gerade die Schulbank am heutigen Peutinger Gymnasium auf der anderen Seite des Flusses Wertach: Bertolt Brecht. Später übersiedelt die Familie Schneider zunächst in die Stadtjägerstraße 26 und dann auf den Fasanenweg Nr. 2. Man tauft sie katholisch auf den Namen Maria Magdalena Schneider, ruft sie Leni, Lena, später Magda. Ihre Eltern sind der Installateur Xaver Schneider, geboren am 28. Dezember 1878, und seine Frau Maria, die am 28. Januar 1879 unter ihrem Mädchennamen Meier-Hörmann im Geburtenregister eingetragen wird. Xaver und Maria heiraten am 1. Mai 1904 in Marias Geburtsort Deubach, übersiedeln 1907 nach Pfersee und wohnen dort zunächst in der Stadtbergerstraße auf Nr. 45. Aus den Dokumenten im Augsburger Stadtarchiv geht auch hervor, dass Magda eine Schwester namens Irmengard hatte, die am 15. Dezember 1913 geboren wurde und bereits am 1. März 1917 in Augsburg verstarb.

      Im Gegensatz zu ihrem ersten Ehemann hat Magdas Familie keinerlei Beziehung zum Theater. Sie muss sich ihre Karriere daher allein aufbauen und darf sich in der Branche später zu Recht als „Außenseiterin“ definieren. Um sich herum sieht sie in ihrer Kindheit Industrie- und Gewerbebetriebe, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts hier angesiedelt haben. „Und sonst hast du keine Wünsche?“2, fragt ihr Vater sie daher, als sie ihm als Heranwachsende erstmals ihre Träume von einer Bühnenkarriere offenbart. Er selbst hat sich als Sohn des aus dem bayerischen Memmingen stammenden Tagelöhners Thomas Schneider und seiner Frau Anna, geborene Gut, vom Erdarbeiter, Soldat und Tagelöhner zum Installateur hochgearbeitet. Wenn auch rhetorisch gemeint, beantwortet Magda die Frage im Laufe der nächsten Jahre doch mit einem klaren Nein. Sie hat ein Ziel vor Augen und wird es mit der ihr eigenen Gründlichkeit, ihrem Fleiß und dem Hang nach Perfektion auch erreichen.

      Das für ein Mädchen aus ihrem Stand vorgegebene Muster – einen einfachen Beruf ergreifen und dann möglichst schnell heiraten – ist nicht nach ihren Vorstellungen. Etwas scheint sich früh in ihr ausgebildet zu haben: Sie weiß genau, wie sie nicht leben will, hat eine vage Ahnung davon, wohin sie sich entwickeln möchte, und dabei sehr früh erkannt, dass sie dafür hart arbeiten muss und auch dazu bereit ist. Das sind Charaktereigenschaften, die sich später auf ihre Tochter übertragen.

      Ihre ersten Bühnenerfahrungen macht sie, wie andere Kinder, bei Weihnachtsspielen. Sie tritt einem Gesangsverein bei, nimmt Geigenunterricht. Immer wenn ihr Chor bei festlichen Anlässen ein Stück aufführt, ist Magda mit dabei, adaptiert Geschichten für die Bühne, hilft bei der dramaturgischen Konzeption. Ein von ihr geschaffenes und betreutes Werk öffentlich aufgeführt zu sehen, macht sie stolz, doch bleibt alles noch auf den Amateurbereich beschränkt.

      Dem Wunsch der Eltern folgend, ergreift Magda nach dem Abitur zunächst einen bürgerlichen Beruf und wird Stenotypistin in einer Augsburger Getreidehandlung, ohne den Beruf jemals schätzen zu lernen. Im Grunde spielt sie die subalterne Bürokraft nur, wie später in Filmen, dort dann jedoch für bedeutend mehr Gehalt. Über ihren Gesangsverein, dessen Leiter auch dem Chor des kommunalen Theaters vorsteht, gerät sie in Kontakt mit der Bühnenwelt – und dieser Chorleiter ist es, der ihren Vater von ihrem Talent überzeugen kann. Sängerin zu werden ist ihr Berufsziel, sie besteht die Aufnahmeprüfung in das Leopold-Mozart-Konservatorium, studiert dort mit dem sie auszeichnenden Fleiß und eignet sich nach eigenen Angaben über zwanzig Partien an. Ihre Stimme ist nicht groß genug für eine Opernprimadonna, aber in ihrer Leichtigkeit und Beweglichkeit ideal für das in vielen Sparten einsetzbare Fach einer Soubrette. Magda studiert Schauspiel, Gesang, Ballett – all das wird ihr später beim Tonfilm helfen, der sich um 1930 in Deutschland etabliert. Neben dem Theater besucht sie das Kino regelmäßig, sieht zunächst die mit Livemusik begleiteten Stummfilme jener Zeit. Im Augsburger Adressbuch sind 1919 sechs „Lichtspieltheater“ verzeichnet, darunter der Gloria-Palast, die Schauburg und die Hofbräu-Lichtspiele. In Pfersee eröffnet bei wesentlich günstigeren Kartenpreisen in der Augsburger Straße im Jahr 1926 das Odeon. Ab 1928 beherbergt die Stadt mit dem Emelka-Palast