Romy spielt sich frei. Günter Krenn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Günter Krenn
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783990406502
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Wirkung zum Zirkus gehen zu können. Während ihr Mann erwägt, das Haupt seines Stammhalters mit Ohrfeigen zu verzieren, macht Rosa Wolf klar, dass er dann künftig ohne sie leben müsse, woraufhin er den Entschluss erneut zu überdenken bereit ist.

      Rosa mit ihrem Sohn Wolf. 1910er Jahre. Als Schauspieler wird er später den Künstlernamen seiner Mutter, Albach-Retty, übernehmen.

      Ihren Sohn durch die Mittelschule zu navigieren, bezeichnet Rosa als Schwerarbeit. Mit großer Freude nimmt sie seinen Entschluss entgegen, Chemie studieren zu wollen. Tatsächlich lässt er sich ins Chemische Institut in der Währinger Straße Nr. 10 inskribieren, von Erfolg gekrönt ist das Unternehmen jedoch nicht. Seine wahre Berufung findet er in der Schauspielerei, sein Ziel ist nun das Reinhardt-Seminar. Dort wird er aufgenommen, studiert fleißig und erfolgreich – eine weitere Generation der Rettys betritt mit ihm die Bühne. Wolf erhält Angebote mehrerer Theater, Rosa plädiert für eine Ausbildung in der Provinz, etwa in Troppau, doch der damalige Burgtheaterdirektor Franz Herterich engagiert die Nachwuchshoffnung lieber gleich ans eigene Haus. Wolf Albach nennt sich nach seiner Mutter nun Albach-Retty. Sein Name findet sich auch in den Tagebüchern von Arthur Schnitzler, der am 22. März 1927 dort vermerkt: „Die Retty vorzüglich als Comtesse; ihr Sohn Albach spielte sehr nett ihren Sohn.“22 Rosa ist eine kritische Partnerin, sie bespricht Wolfs Rollen mit ihm, hält mit ihrer Meinung über ungenügende Leistungen nicht hinter dem Berg.

      Auch der Film, der ständig auf der Suche nach jungen, attraktiven Darstellern ist, findet Gefallen an dem jungen Mann. Zunächst agiert er in österreichischen Stummfilmen in Nebenrollen, wirkliche Karriere wird er jedoch erst im Tonfilm machen. Talente-Scouts der Universum-Film AG (Ufa) werden auf den gutaussehenden jungen Mann mit Theaterausbildung und hinreichender Gesangsstimme aufmerksam. Nach Probeaufnahmen in Berlin ist es der Megastar Lilian Harvey selbst, der ihn als neuen Partner für sich erwählt. Dass sich die neue Karriere in Berlin nicht mit der am Burgtheater abstimmen lässt, ist klar. Auf Wolfs Bitte versucht Rosa ihn aus dem Vertrag mit dem Burgtheaterdirektor und Schriftsteller Anton Wildgans loszueisen. Der weigert sich, pocht auf Vertragserfüllung des jungen Herrn Albach-Retty, weshalb Rosa ihre Kontakte zum damaligen Bundeskanzler Ignaz Seipel nützen muss, um Wolf aus dem Engagement zu befreien.

      Zwei Herzen und ein Schlag unter der Regie des gebürtigen Wieners Wilhelm Thiele, der 1930 mit Die Drei von der Tankstelle Tonfilmgeschichte schreibt, wird 1932 Wolfs erster Erfolg, weitere Angebote an das Nachwuchstalent folgen auf dem Fuß. Neben Willi Forst, Willy Fritsch und Willy Birgel wird Wolf Albach-Retty bald einer der beliebtesten Kavaliere beim deutschen Tonfilm. Die mittlerweile 69-jährige Adele Sandrock, mit der Wolf 1932 Das schöne Abenteuer dreht, gesteht ihrer Freundin Rosa, dass ihr Wolf, wäre sie nur zwanzig Jahre jünger, nicht „ausgekommen“ wäre. Die darstellerischen Aufgaben in den Filmstoffen ähneln einander und verlangen dem jungen Albach-Retty keinerlei Mühe ab. Wolf kann als Beau posieren, in Filmen wie Frühjahrsparade (1934) eine Uniform ebenso kleidsam tragen wie einst sein Vater für den Fotografen. Was er im Film zu singen und sagen hat, ist frei von jeglichem Tiefsinn: „Ich freu’ mich, wenn die Sonne lacht! Ich freu’ mich, scheint der Mond bei Nacht“, heißt es in einem von Robert Stolz komponierten Foxtrott und einem Text von Ernst Marischka: „Ich weiß oft selber nicht warum! Ich bin halt dumm!“ In Liebling der Matrosen (1937) mimt er den Marineoffizier Leutnant Juritsch, der sich um ein fünfjähriges Mädchen (dargestellt von dem Kinderstar Traudl Stark) kümmert – ein als Offizier und Vatermodell tauglicher Gentleman, zumindest vor der Kamera. Im Leben wird er sich in dieser Rolle nicht bewähren.

      Wolf Albach-Retty. 1930er Jahre. Noch vor der Jagd auf Wildpret und Frauenherzen muss man als seine größte Liebe wohl das Automobil ansehen.

      Wolf Albach-Retty wird schnell zu einem beliebten Star des deutschen Kinos, zum verlässlich gewinnbringenden männlichen Teil für jegliche Lustspielkonstruktion. Für Interviews kämpfen sich die Reporter zwischen Damen in Garboschnitten, Titusfrisuren, Wuschelköpfen, Parfumwolken aus Chanel Nr. 5 und Soir de Paris hindurch, fragen ihn dann nach seinen bevorzugten Farben bei Frauenaugen oder Krawatten, seinen Hobbies. Da nennt er Fußball, Tennis, Bergsteigen, die Jagd, er betont, sich von Cadillacs leichter trennen zu können als von auf der Pirsch erbeuteten Geweihen. Es sind sichtbare Trophäen, nach denen er strebt, mit denen er sich gerne umgibt. Wolf liebt die Jagd, wie es schon sein Vater tat, der oft in der Villa des Schauspielers und Schriftstellers Rudolf Tyrolt in Gutenstein zu Gast war, um nach Ausübung des Waidwerks seine Lieblingsspeise, einen unterspikten Schweinsbraten, zu dinieren. Der Sohn begleitet ihn bald und wird sich später ein eigenes Jagdgebiet pachten: im Käfertal am Großglockner.

      In den Drehpausen unterhält Wolf Albach-Retty den Drehstab mit Anekdoten und Scherzen, nennt alle vom Regisseur bis zu den Komparsen „Mein Schatz“ oder „Liebling“. Abends geht er mit Tirolerhut, braunem Lumberjack und Creppsohlenschuhen ins Nachtleben der jeweiligen Stadt, raucht stark, trinkt wenig, manchmal auch keinen Alkohol. Seine Gagen investiert er in ein angenehmes Leben, dazu gehören schnelle Autos, das erste ist ein Mercedes 4,5 Kompressor, das seine halbe Gage verschlingt. Seiner Mutter erzählt er am Telefon davon, in stolzer, jungenhaft lauter Diktion. Beim ersten Wien-Besuch fährt er damit vor dem Burgtheater vor und präsentiert sein Luxusauto stolz der Kollegenschaft. Die Familie nutzt alle Kontakte zur lokalen Polizei, um ihm Strafmandate wegen notorischer Geschwindigkeitsüberschreitung zu ersparen oder zu mindern. Sein Vater goutiert die neumodische „Bledheit“ seines Juniors nicht, ihn bringen öffentliche Verkehrsmittel ans Ziel. Die Frauen am Beifahrersitz wechseln rasch, am wichtigsten scheint Wolf zu sein, dass sie sich sorgsam die Schuhe abputzen – an deren Unterseite, damit sie sein Heiligtum nicht verschmutzen. Außer gegebenenfalls den Piloten dürfen die Damen nichts berühren, sich nirgendwo anhalten. Rosa erträgt so manch oberflächliche Bekanntschaft („sehr schön, sehr dumm“) ihres Sohnes mit mokantem Lächeln in ihrem Haus, dekoriert auf Wolfs Bitten hin seinen Bereich mit Blumen, kann sich nicht verkneifen, auch welche davon im Nachttopf zu platzieren. Sie hält sich aus seinem Beziehungsleben heraus, ihr Schweigen ist beredt genug, sie begnügt sich damit, die Halbwertszeit der Affären im Voraus zu schätzen. Es sind „Herzensschlampereien“, wie Arthur Schnitzler es genannt hat. Vergleiche mit dessen Figur des Anatol und Wolf bieten sich an.

      Rosa fasst zusammen: „Film, Autos und Frauen waren, solange er jung war, die Leitmotive seines Lebens. Später las er eine Menge guter Bücher und befaßte sich mit Religion und Philosophie.“23 Im Frühjahr 1933 dreht Wolf in der Schweiz, diesmal heißt der Film Kind, ich freu mich auf dein Kommen. Aus Lugano, das im Leben seiner Familie später eine zentrale Rolle spielen wird, ruft er Rosa an, um ihr die (nächste) Frau seines Lebens anzukündigen. Bildschön, lieb, gescheit und seriös. Die Katalog-Adjektive kennt Rosa mittlerweile, auch das öfter verwendete Stichwort „Lebenspartnerin“, deren Namen sie meistens schon in dem Moment vergisst, wenn nach dem Abgang der Dame der Titel wieder frei wird. Doch immerhin ist Rosa neugierig auf den Namen – und diesmal fällt ihre Reaktion zu Wolfs Überraschung a priori positiv aus: „Ach ja, die ist entzückend!“24 Sie ist Schauspielerin, Rosa hat einige Filme mit ihr gesehen, besonders ihre Leistung in Max Ophüls’ Liebelei (1933) hat ihr dabei imponiert. Diesen Namen wird sich Rosa merken, weil er ein Leben lang und darüber hinaus mit der Familie Albach-Retty verbunden bleibt: Magda Schneider.

      Ein Blick in die Zukunft repräsentiert dieses Familientreffen in Schönau am Königssee. Um 1970. Im Hause von Magda Schneider treffen sich Rosa, Magda und Romy Schneider, ihr Sohn David sowie Romys Bruder Wolfdieter mit dessen Familie, von der Tochter Patrizia zu sehen ist. Rosa erhält die Fotoserie als Erinnerung ein „unvergessliches Wochenende“. Und was bei dieser Zusammenkunft auch noch dokumentiert wird: Romys Beziehung zu ihrem Bruder ist eine besondere.

Magda