Als Josefina dann 2009 (mit 24 Jahren) schwanger wurde, und weil die erotische Anziehungskraft immer noch so überwältigend und ungestüm war, heirateten die beiden, und jetzt konnten sie ihre gegenseitigen Geschäfte noch viel besser abwickeln. Josefina machte sich langsam einen Namen. Sie wurde von Mitgliedern der Umweltverbände und der Grünen zwar nicht unbedingt hofiert, aber sie galt als dazugehörig, und auch in der Welt der Finanzjongleure, machte sich das gut. Solche Hilfsprojekte haben Alibifunktion, um in der Öffentlichkeit sein gutes Herz zu demonstrieren und das eigene hohe Einkommen zu rechtfertigen. Man demonstriert öffentlich, dass man ein Guter ist. Auch als Bänker, Industrieller, oder gutbezahlter Anwalt konnte man demonstrativ Herz beweisen und immagefördernd spenden. Seit 2013 zogen sich die rechtlichen Rahmenbedingungen langsam zu, innerhalb derer man solche Boni problemlos einsacken konnte. Die Schweiz erließ ein Gesetz zur steuerlichen Abschöpfung solcher Gewinne, mehrere Staaten beschlossen, das Bankgeheimnis aufzuheben, und Rudolfo überlegte bereits, Deutschland zu verlassen und nach London oder New York zu übersiedeln, aber dann hatte Rudolfo (der gerne und schnell Motorrad fuhr) zu Beginn der Motorradsaison 2013 auf regennasser Straße einen Unfall, den er nicht überlebte. Er war gerademal 35 Jahre alt geworden.Josefina wurde von einer auf die andere Minute ziemlich wohlhabend. Sie hatten nicht nur über zweihundert Millionen Euro im Ausland gebunkert, in Geld und in gewinnbringenden Beteiligungen. Josefina bekam jetzt auch eine Witwenrente und die Auszahlung einer Lebensversicherung über vier Millionen Euro. Das war zusammengenommen eine äußerst gesunde Basis, um in Zukunft sorgenfrei leben zu können, auch mit ihrer kleinen Tochter Carmelita. Noch besser war, dass Claudio ihr gezeigt hatte, wie man solche Millionen anlegt, so dass sie sich auch vermehren.
Im Rückblick konnte Josefina sogar sagen, dass es für beide vielleicht gut war, was da geschehen war. Rudolfo hatte den Knick nicht erleben müssen, der in den nächsten Jahren unweigerlich gekommen wäre, diesen plötzlichen und nur schwer verkraftbaren radikalen Abfall der Leistung, mit allen psychischen Folgen eines Burnouts, der viele Zocker Mitte Dreißig befällt. Vielleicht hätte sich Rudolfo in den neuen Firmen wiedergefunden, in die er sein Geld angelegt hatte, aber das wäre unwahrscheinlich gewesen, denn Rudolfo dachte in schnellen Vermarktungskategorien einer „Heuschrecke“, und nicht in den Kategorien einer langfristigen und sinnvollen, aber zähen Produktion. Wahrscheinlich wäre sogar ihre Liebe zueinander an dieser unterschiedlichen Haltung langfristig zerbrochen. So war dieses Erbe für Josefina ein Sprungbrett, um sich selbst zu entdecken. Sie musste sich plötzlich und unerwartet ganz auf ihre eigenen Stärken besinnen. Sie konnte ihren eigenen Weg gehen, ohne auf einen Partner Rücksicht nehmen zu müssen. Sie konnte sich auf ihre Stiftungen konzentrieren, und das gebunkerte Geld erst einmal in Ruhe arbeiten lassen.
2.
Josefina hatte von Rudolfo gelernt, dass Geld sehr schnell versickern kann, wenn man unvorsichtig ist. Vom tatsächlichen Eigentümer der Stiftungen und ihrer Gelder wussten die deutschen Behörden allerdings nichts, und von den Briefkastenfirmen im Ausland schon gar nicht. Josefina würde von den Stiftungen nach außen hin nur als Repräsentantin in leitender Position geführt. Die Beteiligungsgesellschaften liefen über Treuhänder, die Gelder waren in Steueroasen geparkt, und Josefina hatte längst Prokura. In der Trauerphase (Rudolfo fehlte ihr wirklich, denn der Verzicht auf die sexuellen Ausschweifungen machten Josefina schwer zu schaffen) wurde Josefina von verschiedenen Freunden getröstet, manche vom BUND, von Greenpeace und von mehreren Abgeordneten der Grünen. Sie wurde gebeten, ihre Arbeit mit den Stiftungen weiterzuführen, und wenn es auch nur in Andenken an Rudolfo sein würde. Über die geheimen Konten wusste ja auch hier niemand Bescheid. In dieser Zeit ereigneten sich auch diese neuerlichen Jahrhundertfluten an Donau, Elbe und ihren Nebenflüssen. Sie fuhr nach Regensburg, Wasserburg, Bad Schandau und nach Wittenberg. Sie sah sich das Desaster an. Sie sprach mit Grünenpolitikern und Experten in Sachen Wasserbau, die jetzt aber alle Hände voll zu tun hatten, und sie beschloss, dass man da langfristig etwas tun müsse, für Mensch, Pflanzen und Tier.Erst mal war sie noch geschockt von Rudolfos plötzlichem Tod. Sie würde sich zunächst nur darum kümmern, ihr Erbe ordentlich zu verwalten, bevor sie sich Hals über Kopf in ein neues Projekt stürzen würde, das bodenlos schien, denn soviel war ihr klar geworden, der Hochwasserschutz musste schon in den Alpen, in Tschechien und Polen beginnen, bevor er in Deutschland sinnvoll fortgesetzt wird. Auch in Deutschland gibt es Länderhoheiten. Wenn man etwas erreichen wollte, gab es Verwaltungsakte und Kompetenzrangeleien, an denen sich schon andere die Zähne ausgebissen hatten. Also verschob sie eventuelle Pläne auf einen späteren Zeitpunkt, und das war wohl eine sehr weise Entscheidung.
3.
Über ihre Kontakte lernte Josefina jetzt einen Ingenieur für Formenbau kennen, einen Horst Maierhauser in Baden Württemberg.2013 war das Jahr der Bundestagswahl in Deutschland, es war aber auch eine Art Zäsur, weil sich nach der sogenannten Energiewende in Deutschland diverse Volksvertreter unter anderem in der Pflicht sahen, für den Ausbau der Windkraft eine Lanze zu brechen, auch wenn das viele nur aus wahltaktischen Gründen taten. Horst hatte nach intensiver Forschung ein Verbundverfahren entwickelt, das den gesamten Aufbau und die Oberflächen der Flügel bei Windrädern veredelte. Die Flügel wurden um ein vielfaches leichter und gleichzeitig stabiler und windschlüpfriger, so dass weniger Energie verloren ging, beim Antrieb der Windräder.Horst war vorsichtig gewesen. Er hatte das Verfahren nicht öffentlich zugänglich gemacht, und er bot das nun verschiedenen Herstellern von Windkraftwerken an, ohne sich in Details zu verlieren, aber er war kein Kaufmann, und er hatte nicht mit der menschlichen Gier gerechnet. Man war gerne bereit, das Verfahren zu übernehmen, aber man würde das wohl in der Versenkung verschwinden lassen, wie viele gute Innovationen zuvor, man denke nur einmal an den Wankel-Motor. Man war gerne bereit, die Anwendung für ein paar Euro zu übernehmen oder gar zu stehlen, damit das kein anderer verwertet. Unternehmer sind nicht unbedingt die besseren Menschen, wenn sie im Bereich der alternativen Technologien tätig sind.
Horst hatte aber ein paar gute Freunde. Sein Vater, der eine kleine, aber exportintensive Maschinenfabrik führte, und für den er offiziell arbeitete, um Formteile zu entwickeln, hatte ihn bisher gesponsert, aber es fehlte das Kapital, um das Projekt von Horst auch umzusetzen. Horst war nicht bereit, sich bei den Banken hoch zu verschulden. Allein das Versprechen und die Aussicht um ein gewinnbringendes Verfahren bringt die Banken noch lange nicht dazu, dir das notwendige Geld auch vorzuschießen. Der Zinssatz liegt bei solchen Risikofinanzierungen in der Regel unanständig hoch. Nun kannte Horsts Vater aber durch alte Seilschaften den grünen Ministerpräsidenten von Baden Württemberg, und irgendwann trafen die beiden anlässlich einer Regionalmesse mal zu einem Glas Wein zusammen.Dieser Ministerpräsident wiederum kannte Josefina und er vermittelte ein Gespräch.So kam es, dass Josefina und Horst eines schönen Sonntags im Spätherbst 2013 zusammen durch den Bad Vilbeler Stadtwald wanderten, der vor den Toren von Frankfurt liegt.Josefina