Für die „Maximen im pädagogischen Alltag“ gilt Ähnliches: Hier haben wir Stichworte zusammengefasst, die bislang teilweise als Grundbegriffe (z. B. Beratung, Hilfe) und teilweise als Diskurse (z. B. Partizipation, Kooperation) thematisiert werden, aber unseres Erachtens für jegliches pädagogisches Handeln als Reflexionshintergrund dienlich sind.
Sowohl die Grundbegriffe als auch die Maximen sind unserer Ansicht nach Schlüsselbegriffe, um pädagogische Diskurse zu erschließen und hinsichtlich ihrer Konnotationen und Abgrenzungen oder Besonderheiten zugänglich zu machen, um die pädagogische Bandbreite der erziehungswissenschaftlichen Auseinandersetzung in intradisziplinärer Perspektive weiter zu betrachten und Maßstäbe für die zuvor genannte Reflexivität zu ermitteln.
Der zweite Teil des Kapitels erweitert den Blick um die Begriffe, die pädagogische Analysen unter den Bedingungen der Migrationsgesellschaft verhandelbar machen (Diversity), sich mit Übergängen in Biografie und Bildungssystem befassen (Transitionen), ressourcenorientiert in anerkennender Absicht (Handlungsfähigkeit) individuelle Biografien in gesellschaftlichen Kontextualisierungen betrachten helfen und deren institutionelle Gebundenheit thematisieren.
Die intersektionalen Perspektiven des dritten Kapitels heben die gegenseitige, offenkundige oder verdeckte Bezogenheit der perspektivischen Teilbereiche hervor und subsumieren schulpädagogisch derzeit gebräuchliche Begriffe wie Heterogenität und Vielfalt unter dem international gültigen Verständnis von Diversity. Zugleich wollen sie Zusammenhänge aufzeigen, die den Rahmen für pädagogische Betrachtungen und Tätigkeiten vorgeben, mit denen die pädagogisch gewollten, tragfähigen Bindungen und sozialen Fertigkeiten gefördert, die Bewältigung kreativer und produktiver Aufgaben vermittelt sowie die Sinnerfüllung in einem selbstständigen Leben unter dessen lebensplanerischen Anforderungen ermöglicht werden sollen. Dafür klären wir zunächst den Zusammenhang zwischen Diversität und Erziehung und kommen exemplarisch zu Genderfragen im Bildungssystem der Migrationsgesellschaft, die wir entlang der Übergänge im Bildungssystem vertiefen. Aus der biografischen Perspektive gelangen wir von der Kindertagespflege bis zur Erwerbstätigkeit und münden im sozialpädagogischen Konzept der Handlungsfähigkeit, das aus anerkennungstheoretischer Perspektive die Ressourcen der Individuen in deren biografischem Verlauf in den Mittelpunkt stellt, deren mögliche temporäre Unterstützungsbedarfe von den normativen Prozessverläufen und Hilfeverständnissen der Vergangenheit abzugrenzen versucht und sich dafür auch der intersektionalen Perspektiven bedient. Hier soll deutlich werden, dass traditionelle und zu Beginn des 21. Jahrhunderts verwendete pädagogische Begriffe und Orientierungen eng miteinander verwoben sind und sich gegenseitig aufeinander beziehen.
Das vierte Kapitel kann, trotz seiner Ausführlichkeit, die gesamte Bandbereite der pädagogischen Handlungsfelder und ihren Entwicklungsbedarf nur andeuten und Ahnungen von Entwicklungsherausforderungen geben. Hier gehen wir auf die relativ neue Konstruktion der (kommunalen) Bildungslandschaft ein, in deren Rahmen die Settings der pädagogischen Angebote und Aufgaben angesiedelt sind und sich vernetzen sollen. Als Bestandteile der Bildungslandschaft stellen wir die Settings der frühen Förderung und Elementarbildung vor und skizzieren Schule als pädagogisches Handlungsfeld der Weichenstellung für gesellschaftliche Teilhabechancen. Als institutioneller Kontext, der föderalistisch geregelt ist, folgt sie biografisch auf die vorschulische Lebensphase. Die flankierenden Möglichkeiten zur Förderung individueller Bildungsverläufe durch die Jugendhilfe und deren Position im Gefüge der Bildungslandschaft werden anschließend erläutert. Dieser Abschnitt endet mit Hinweisen auf die Position der Erwachsenenbildung und einem Einblick in das sozialpädagogische Handlungsfeld der Gemeinwesenarbeit, die beide die vorangegangenen Handlungsfelder in der Praxis quasi flankierend einrahmen.
Im folgenden fünften Kapitel diskutieren wir die Frage der AdressatInnen pädagogischer Arbeit und erläutern das Aneignungskonzept des Diskurses. Damit sind wir in einem originär sozialpädagogischen Begriffskontext angekommen. Denn sowohl die AdressatInnen als auch die Aneignungsperspektive sind zentrale Bezugspunkte des sozialpädagogischen Diskurses und werden im schulpädagogischen Kontext noch nicht als solche reflektiert – wenngleich hier das Konzept des „adaptiven Lernens“ und des adaptiven Unterrichts möglicherweise Anknüpfungspunkte bieten könnte, weil beide Kontexte sich darauf beziehen, dass sich pädagogisches Handeln in seinen Konzepten und Absichten an seine AdressatInnen anpassen muss, um zu nachhaltigeren Wirkungen zu gelangen. Auch die Überlegungen zur pädagogischen Position innerhalb von Managementaufgaben und Ordnungsaufträgen ist im Kern zunächst eine sozialpädagogische Positionsbestimmung entsprechend des tradierten Mandats zwischen den Polen Hilfe und Kontrolle (Kessl 2006; Seifert 2013; Sengling 1996). Aus schulpädagogischer Perspektive bildet sich hier aber auch der ähnlich spannungsreiche und widersprüchliche Bogen zwischen Förderung und Disziplinierung ab, der die AdressatInnenschaft der SchülerInnen betrifft, die der Schulpflicht im selektiv agierenden institutionellen Rahmen unterworfen sind, damit sie gesellschaftliche Teilhabechancen erwerben können.
Wir schließen unsere Überlegungen im sechsten Kapitel mit einem Blick auf die sichtbaren pädagogischen Diskursperspektiven hinsichtlich der AdressatInnen, deren momentane Situation sich aus Traditionen und Visionen speist: Sie müssen sich zwischen diesen Polen positionieren – und haben nach dem Verständnis des lebenslangen Lernens kaum eine biografische Chance, den lebensalterübergreifenden, pädagogisch begründeten Visionen um ihr Wohlergehen zu entgehen, für das von ihnen Bildungsbereitschaft im Sinne von Motivation und Befähigung zum selbstorganisierten Lernen innerhalb gegebener Strukturen erwartet wird. Für diese Bildungsprozesse halten professionelle PädagogInnen Organisations- und Hilfekonzepte bereit, die Menschen bei der ständigen Anpassung und Erweiterung ihres Wissens begleiten wollen.
Die Ausführungen des Bandes verfolgen je nach Begriff und Kontext mal die sozialpädagogische und mal die schulpädagogische Perspektive, erweitern diese, wo es hilfreich scheint, um sonderpädagogische oder erwachsenenbildnerische Aspekte und müssen an vielen Stellen dort Halt machen, wo die Grenzen der teildisziplinären Zugänge sichtbar werden. Insofern steht die Betrachtung aus intradisziplinärer Perspektive noch ganz am Anfang ihrer Möglichkeiten und wird sich für diesen Band mit der Suche nach den Anschlussmöglichkeiten zufrieden geben müssen. Dafür haben wir entlang der tradierten Begriffe, der Maximen und neueren fachlichen Entwicklungen die künftigen Diskussionsstränge „aufzufädeln“ versucht – auch wenn dabei der (traditionelle) rote Faden nicht immer auf Anhieb sichtbar ist. Uns ist daran gelegen, die Kontexte von bildungs- und sozialpolitischen Zusammenhängen und deren biografische Konsequenzen für (vor allem junge) Menschen mit derzeit weit auseinanderklaffenden gesellschaftlichen Teilhabechancen sichtbar zu machen, weil diese jungen Menschen, die als AdressatInnen von Jugendhilfe und/oder Schule innerhalb des Bildungs- und Hilfesystems und seiner Institutionen „auf dem Weg“ sind, auf die Qualität und die Reflexivität des pädagogischen Handelns angewiesen sind.
Wir haben von der explizit historischen Perspektive Abstand genommen und nur auf vereinzelte Zugänge verwiesen – in der Hoffnung, dass auch so das Interesse an den weiteren historischen Kontexten geweckt werden mag. Rechtliche Grundlagen haben wir dort, wo sie nach unserer Ansicht von Belang sind, einfließen lassen, aber auf rechtssystematische Grundlegungen zugunsten der Darstellung von Diskurssträngen oder Kontroversen verzichtet – und hoffen, dass dennoch deutlich wird, wie wichtig die rechtliche Verortung für das Verständnis der pädagogischen Tätigkeiten ist. Manche Diskursbezüge müssen wir ohne Vertiefung in die studienpraktischen Hinweise verlagern, wie beispielsweise den Armutsdiskurs, die Frage nach den Entwicklungsaufgaben, den Resilienzdiskurs oder die internationalen Aspekte des Dargestellten.
Wir hoffen, dass unsere Angebote der Perspektiverweiterung zu interessanten Reflexionen anregen, der pädagogischen Theorie ebenso wie der pädagogischen Praxis, und deren Verhältnis vielleicht nützliche Impulse bieten kann und den Professionalisierungsprozess künftiger KollegInnen auch ohne die explizite Darlegung dessen, woran pädagogische Professionalität gemessen werden kann (Nike 2002), befördern mag.
1 Nachdenken über das pädagogische Handwerkszeug