4.5 Jugendhilfe – Das pädagogische Handlungsfeld zur Sicherung von gesellschaftlichen Teilhabechancen
4.5.1 Jugendhilfe muss geplant werden
4.5.2 Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit
4.5.3 Jugendsozialarbeit und Jugendberufshilfe
4.5.4 Hilfen zur Erziehung
4.5.5 Kindeswohlsicherung – Inobhutnahme
4.5.6 Gemeinwesenarbeit
4.6 Erwachsenenbildung und Weiterbildung
5 AdressatInnen pädagogischer Arbeit – Entwicklungen und kritische Reflexion
5.1 Zwischen Haltung und Hilfe – Der Begriff der AdressatInnen
5.2 Zwischen Managementstrukturen und Ordnungsauftrag – Die Beziehung zwischen Förderung und Kontrolle
6 Zwischen Vergangenheit und Zukunft – Entwicklungsperspektiven und Reflexionsbedarfe
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Einleitung: Pädagogische Ausgangslagen und intradisziplinäre Schnittstellen
Wenn Bildung sowohl die berufliche Qualifikation für die Arbeitswelt als auch die Herstellung von Autonomie und sozialer Verantwortung umfasst, leisten viele Bereiche des alltäglichen Lebens einen Beitrag hierfür und erfordern folglich von Wissenschaft und pädagogischer Praxis die Überschreitung der Binnenlogiken von Bildungsinstanzen und -verständnissen (Giese/Wittpoth 2014; Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2010).
Diese Einführung möchte – ähnlich wie die beiden Türme auf dem Titel – teildisziplinäre Perspektiven miteinander verbinden, die zwar eigene Eingänge und separate Turmspitzen haben, aber die tragenden Elemente des Gebäudes und das Fundament miteinander teilen.
Uns ist bewusst, dass beispielsweise jeder einzelne Grundbegriff und jede Maxime einen eigenen Grundlagenband für sich beanspruchen kann. Für Unterkapitel, wie z. B. Schulentwicklung, Kinder- und Jugendhilfe, liegen bereits komprimierte Zusammenfassungen im Handbuchformat sowie auch weiter differenzierende Abhandlungen in vielen einzelnen Studien oder thematischen (Sammel-)Bänden vor. Zu diesen möchte unser Studienbuch einen Zugang ebnen.
Über unsere Fragen zum Weiterdenken möchten wir Studierenden auf ihrem Weg in eine künftige, stärker intradisziplinäre Auseinandersetzung Anregungen bieten, sich innerhalb der Diskurse der erziehungswissenschaftlichen Teildisziplinen genauer einzuarbeiten. Über die Tipps zum Weiterlesen möchten wir zur weiteren, eigenaktiven Vertiefung anregen. Mit unserem Konzept der Fragen und Vertiefungstipps wollen wir vor allem neugierig darauf machen, sich so viel wie möglich an den Grundlagen und Gegebenheiten zu „reiben“, um einerseits die eigenen pädagogischen Handlungsspielräume zu entdecken und zu erweitern, aber auch andererseits die institutionellen Beschränkungen nicht unhinterfragt hinzunehmen, sondern an strukturellen Veränderungen mitzuwirken.
Innerhalb der einzelnen Kapitel verweisen kursiv gesetzte Begriffe auf zuvor oder im weiteren Verlauf erläuterte Begriffe. Sie werden von den Marginalien am Rand des Textes ergänzt. Diese studienpraktischen Hinweise machen jeweils die Grenzen des Buchkonzepts sichtbar, das vieles anregen kann, nur weniges ausführlicher erläutert und nichts abschließend zu erklären mag.
Andreas Gruschka (1996) war mit seiner Sammlung von Positionen zur Frage „Wozu Pädagogik?“ der „Zukunft bürgerlicher Mündigkeit und öffentlicher Erziehung“ auf der Spur und hat über die Kontextualisierung der Beiträge eine intra- und interdisziplinäre Zusammenschau von Antworten aus u. a. bildungstheoretischer, sozialpädagogischer, bildungssoziologischer und rechtssystematischer Perspektive vorgelegt. Wir haben gleichfalls eine Auswahl jener Positionen und Argumentati-onen zusammengetragen, die wir Studierenden gerne als Anregung für ihren Weg in die pädagogische Zukunft mit geben möchten. Wir denken also an jene LeserInnen, die ihre „Lust am Werden von Menschen oder an sich entwickelnden Verhältnissen“ (Thiersch 2005) durch ihr Studium fachlich fundieren wollen, die in der Schule Kindern und Jugendlichen aus der Begeisterung für ein Schulfach heraus etwas beibringen möchten, die aus Interesse an sozialen Zusammenhängen und im Anliegen einer chancengleichen Gerechtigkeit „Lust am Umgang mit etwas schwierigen und mühsamen Kindern“ (Thiersch 2005) haben oder sich vorstellen können, im Weiterbildungsbereich auch mit Erwachsenen zu arbeiten oder sich von den Herausforderungen der institutionellen Managementaufgaben angezogen fühlen.
Im auf die Einleitung folgenden ersten Kapitel setzen wir uns mit dem Erfordernis der Überwindung der auch 15 Jahre nach der Jahrtausendwende existenten Trennung zwischen Schulstrukturen und den sich an Familienförderung und begleitendem Hilfesystem orientierenden sozialpädagogischen Bildungsstrukturen anhand eines Fallbeispiels auseinander.
Im nachfolgenden zweiten Kapitel diskutieren wir aus intradisziplinärer Perspektive pädagogische Begrifflichkeiten und die damit verbundenen Themen, Aufgaben und Fragestellungen. Dafür treffen wir eine Unterteilung in Grundbegriffe in pädagogischer Tradition (Kap. 2.1) und Maximen im pädagogischen Alltag (Kap. 2.2), die als Grundsätze des Wollens und Handelns innerhalb der erziehungswissenschaftlichen Diskurse in unterschiedlicher Intensität und Zugangsweise thematisiert werden. Wir beginnen mit dem pädagogischen Handeln, weil neben der zuvor genannten „Lust“ auch die Bereitschaft vorhanden sein muss, sich Kindern und Jugendlichen „als Sparringpartner zur Verfügung [zu] stellen“, weil deren „Groß-Werden […] auch Kampf, Auseinandersetzung“ beinhaltet. Dies bedeutet, dass PädagogInnen sich darauf einlassen wollen müssen und es zu ihrer Rolle gehört, auch bekämpft zu werden (Thiersch 2005). Thiersch folgert aus dem für die pädagogische Praxis notwendigen Verständnis, das „Leben in der Auseinandersetzung“ zu deuten, dass PädagogInnen in ihrem Selbstverständnis „nicht nur wohlmeinend und hilfreich“ sind, sondern „in der Auseinandersetzung um Lebensbewältigung“ agieren, ihre Position in Auseinandersetzung und Kampf gewinnen müssen. Dazu ist es notwendig, dass sie ein reflexives Verhältnis („Reflexibilität“) aufbauen, um ihr pädagogisches Handeln zu klären und sich auf „das Werden“ einlassen zu können (Thiersch 2005).
Welchen Anteil Erziehung, Bildung und Sozialisation sowie Lernen und Lebenswelt an diesem „Werden“ haben, wo die Begriffe verankert sind und wo ihre z. T. fließenden Übergänge dennoch sichtbar gemacht werden können, versuchen wir unter Rückgriff auf die pädagogische Tradition dieser Begriffe zu klären. Unser Anspruch kann weder der Ersatz des einen noch die Erweiterung des anderen sein, sondern soll vielmehr das systematische, begriffliche Fundament umreißen, das sich spätestens mit dem Lernbegriff und dem Lebensweltkonzept differenziert: In sozialpädagogischen Diskursen werden nur sehr selten der schulische Lernbegriff und in schulpädagogischen Diskursen so gut wie nie die sozialpäd-agogische Lebensweltorientierung diskutiert. Wir gehen davon aus, dass u. a. die