Als Bezugshöhe wird die Bodenoberfläche bestimmt; dort ist Ψz = 0. Messpunkte unterhalb der Geländeoberfläche haben daher ein abnehmendes Gravitationspotenzial. Die Werte in Abb. 5-6 stehen in Tab. 5-6 und wurden zur Berechnung des Gesamtpotenzials nach Gl. 5.12 für die Punkte A und B verwendet.
Abb. 5-6 | Messungen von Wasserspannungen im Boden zur Berechnung des Gesamtpotenzials und des hydraulischen Gradienten.
Tab. 5-6 | Beispiel zur Berechnung des Gesamtpotenzials und des hydraulischen Gradienten.
Der hydraulische Gradient (
Merksatz: Das hydraulische Potenzial beschreibt die Richtung und Kraft der Wasserbewegung im Boden.
Ist an einem Punkt
Da die Wasserbewegung bzw. der Fluss stets vom höheren zum niedrigeren Potenzial verläuft, ist in unserem Beispiel der Fluss des Bodenwassers nach oben gerichtet (= kapillarer Aufstieg), d.h., der Fluss verläuft von Punkt B zu Punkt A, denn –260 cm ist kleiner als –132 cm. Eine Abwärtsbewegung, also Versickerung, würde auftreten, wenn das Gesamtpotenzial (ΨH) von A größer als das von B wäre.
Box 5.4
Messung der Bodenfeuchte
Die Bestimmung der Bodenfeuchte, auch «volumetrischer Wassergehalt» genannt, kann mit dem FDR (Frequency-Domain Reflectometry) und/oder dem TDR-Verfahren (Time-Domain Reflectometry) erfolgen. Mit der TDR-Sonde wird die Laufzeit der elektromagnetischen Welle im Boden gemessen. Die Geschwindigkeit der Welle ist von der Dielektrizitätskonstante (Ɛ0) des Bodens abhängig. Da die Dielektrizitätskonstante von Wasser (Ɛ0 = ~ 81) deutlich größer ist als die von mineralischen Partikeln (Ɛ0 = 2–5) und Luft (Ɛ0 = 1), steigt Ɛ0 des Bodens mit zunehmendem Wassergehalt. Dieses zerstörungsfreie Verfahren hat vor 20 Jahren die früher eingesetzten radioaktiven Methoden wie Neutronensondetechnik oder Gammadoppelsonden weitestgehend abgelöst.
TDR-Messgeräte können aus einem Handmessgerät und einer Messsonde bestehen. Im Messgerät wird eine elektromagnetische Welle erzeugt und über ein Kabel an die Sonde übertragen. Die Welle läuft entlang der zwei Elektroden durch den Boden und wird am Ende der Sonde reflektiert; das Messgerät zeichnet das Reflexionsmuster auf. Dieses wird ausgewertet und die Dielektrizitätskonstante sowie der Wassergehalt berechnet. Durch die TDR-Technik ist es heute auch möglich, den Wassergehaltsverlauf im Boden mittels Logger kontinuierlich in hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung aufzuzeichnen. Dadurch können erstmals ereignisabhängige Prozessstudien unter Feldbedingungen zerstörungsfrei durchgeführt werden.
Abb. 5-7 | Links: Beispiel für ein TDR-Handmessgerät (Easytest, Lublin, Polen), rechts: Reflexionsmuster der Welle während einer TDR-Messung in einem Torfboden (80 = 34,2; Wassergehalt 46,4 Vol.-%) (Fotos: Gerd Wessolek).
Wasserspannungs- und Wassergehaltsmessungen können genutzt werden, um die reale Evapotranspiration aus der Wurzelzone und/oder die Versickerung unterhalb des Wurzelraums quantitativ zu ermitteln. Für diesen Zweck müssen die Wassergehalte und die Wasserspannungen des Bodens als Funktion der Tiefe und Zeit vorliegen. Die Wasserspannungen dienen dabei zur Berechnung der Richtung und Größe des hydraulischen Gradienten. In Vegetationszeiten ist häufig in einer bestimmten Bodentiefe der hydraulische Gradient gleich null. Oberhalb dieser Zone ist der Wasserfluss nach oben gerichtet, unterhalb findet ein abwärts gerichteter Wasserfluss statt. Die Grenze selbst stellt daher eine Wasserscheide in der ungesättigten Bodenzone dar.
Ein Beispiel für eine solche Situation und für die Berechnung von hydraulischen Gradienten geht aus Abb. 5-8 hervor. Oberhalb von 90 cm treten negative hydraulische Gradienten auf, d.h., es findet eine aufwärtsgerichtete Wasserbewegung statt. Unterhalb von 90 cm ist die Wasserbewegung abwärtsgerichtet, es findet also Versickerung statt. Abb. 5-9 zeigt ein Beispiel für die Berechnung der realen Evapotranspiration und Versickerung für einen bestimmten Zeitraum.
Für Messperioden ohne Wasserscheide unterhalb des Wurzelraums kann die Versickerung Qseep in [mm] nach der Gl. 5.14 berechnet werden:
Merksatz: Mit Messungen zur Bodenfeuchte und Wasserspannung lassen sich reale Verdunstung und Versickerung messen.
Im Winterhalbjahr kann man in unseren Breitengraden die reale Evapotranspiration aus der potenziellen Evapotranspiration (→ Kap. 7) multipliziert mit 0,9 einsetzen, da infolge der niedrigen Wasserspannungswerte nur geringe Differenzen zwischen realer und potenzieller Evapotranspiration auftreten.
Abb. 5-8 | Berechnung von hydraulischen Gradienten und hydraulischer Wasserscheide aus Tensiometermessungen; mit Ψm = Matrixpotenzial bzw. Wasserspannung [cm WS bzw. hPa]; Ψz = Gravitationspotenzial [cm WS bzw. hPa]; z = Tiefe [cm].
Abb. 5-9 | Beispiel für die Berechnung der realen Evapotranspiration (ETa) und der Versickerung (Qseep) in 1,5 m Tiefe aus Wassergehaltsmessungen im Boden.
5.3 | Wasserbewegung im Boden
Mit der Darcy-Gleichung lässt sich der Wasserfluss im Boden beschreiben.
Das Wasser im Boden ist aufgrund von Einflussgrößen wie Evaporation und Niederschlag selten in einem statischen Gleichgewicht, sondern bewegt sich stets in Richtung des niedrigeren Potenzials. Es herrschen also zumeist nicht stationäre (= transiente) Fließbedingungen vor. Stationäre Wassergehaltsänderungen sind selten anzutreffen und besagen, dass Wasserflüsse stattfinden, ohne dass sich dabei der Wassergehalt ändert. Dies kann z.B. in grundwasserbeeinflussten Böden der Fall sein, wenn im Kapillarsaum oberhalb des Grundwassers Wasser aufsteigt.
Die Intensität der Wasserbewegung wird durch das antreibende Potenzialgefälle und die Wasserleitfähigkeit bestimmt. Dieser Zusammenhang wurde erstmals von dem französischen Ingenieur Henry Darcy (1803–1859) mathematisch beschrieben:
In der Bodenphysik wird zwischen der gesättigten (kf) und ungesättigten Wasserleitfähigkeit (ku) unterschieden. Bei der gesättigten Wasserleitfähigkeit sind alle Poren mit Wasser gefüllt, während bei der ungesättigten nur Teile des Porenraums am Fließgeschehen teilnehmen. Mit zunehmender Austrocknung des Bodens sinkt der am Wassertransport beteiligte Porenanteil, und die hydraulische Wasserleitfähigkeit nimmt ab. Um dies auszudrücken, wird k in Gl. 5.15 umgeschrieben zu: