Der Sozialphilosoph Daniel LoickLoick, Daniel (*1977) erforscht die Bedeutung der von ihm so genannten Subalternen Sozialitäten, also der Lebenszusammenhänge von sozialen Gruppen, die gegenüber der privilegierten Mehrheitsbevölkerung benachteiligt werden und aus dem berechtigten Gefühl der Ohnmacht heraus alternative Lebensformen jenseits des klassisch nationalstaatlichen Rahmens entwickeln. Hierunter fasst er zum Beispiel queere Gemeinschaften, die sich in bewusster Abgrenzung von heterosexistischen Geschlechterverhältnissen und der bürgerlichen Kleinfamilie politisch und auch demokratisch organisieren. Ebenso zählt er diasporische Communities von Migrant*innen und Geflüchteten in Großstädten und Lagern dazu, die sich von den hegemonialen Subjektivierungsformen der bürgerlichen Gesellschaft emanzipieren und in einer so genannten präfigurativen Praxis mögliche zukünftige Alternativen zur nationalstaatlichen Demokratie experimentell vorwegnehmen. In diesen alternativen und aktivistischen Kontexten, etwa auch im Rahmen der Platzbesetzungen, Protestcamps und der radikalen Ökologiebewegung der jüngeren Vergangenheit (siehe hierzu auch die Frage zu den Protestbewegungen), wird aus der Kritik an den negativen Aspekten nationalistisch und kapitalistisch organisierter demokratischer Gemeinschaften heraus versucht, alternative Verständnisse von Arbeit, neue Identitäten und damit verbunden auch neue Institutionen und solidarischere Formen des Miteinanders zu entwickeln. Für Loick stellen die Erfahrungen von Migrant*innen in der Diaspora, denen seitens der Nationalstaaten vollwertige Staatsbürgerschaften verwehrt werden, sowie ihre Fähigkeiten, Verbindungen über die Grenzen von Nationalstaaten hinweg zu knüpfen, also die Möglichkeit bereit, Demokratie jenseits des Nationalstaates vorwegzunehmen. Statt weiter vergeblich auf die Anerkennung durch Politik, Verwaltung und Mehrheitsgesellschaft der Nationalstaaten zu hoffen, ziehen sie sich aus den etablierten vertikalen Machtverhältnissen zurück und formieren Gegengemeinschaften, deren Mitglieder sich horizontal, also gegenseitig anerkennen und dadurch subalterne Handlungsfähigkeit ausbilden.
Kann die Stadt eine Alternative zum Nationalstaat sein?
Der Politikwissenschaftler Paul SörensenSörensen, Paul (*1983) hat soziale Bewegungen analysiert, die sich auf die Stadt als den Ort emanzipatorischer und progressiver politischer Bestrebungen konzentrieren, etwa die Recht-auf-Stadt-Initiativen, das Solidarity-City-Netzwerk, die Sanctuary-Cities in den USA und Großbritannien oder die munizipalistischen Bewegungen im Anschluss an die Platzbesetzungen 2011 und 2012 in Spanien. Er deutet diese Interventionen, die ganz zentral die Stadt als den Ort politischer Transformationsprozesse begreifen, als Praktiken eines transnationalen WiderstandsWiderstandtransnationaler, der jedoch nicht einfach nur rein negativ gegen den Nationalstaat gerichtet ist, sondern diesen in einer welterschließenden Absicht transformieren möchte. Anstatt also nur dem Staat den Gehorsam zu verweigern, geht es auch hier zentral darum, alternative Formen von Sozialität und SubjektivitätSubjektivität vorzuleben und neue Ordnungen zu erschaffen, die dereinst das Modell des Nationalstaats ablösen könnten. Einmal im Sinne einer alternativen Globalisierung der Vernetzung von politischen Akteur*innen über die Grenzen der Nationalstaaten hinweg und zum anderen in Form der Infragestellung des staatlichen Monopols auf territoriale SouveränitätSouveränität, was vielleicht den Weg für eine post-territoriale Form der Bürger*innenschaft bereiten kann.
Es existieren unterschiedliche Arten und Weisen, das Prinzip der Volksherrschaft im Rahmen des Nationalstaats und gemäß dem Prinzip der GewaltenteilungGewaltenteilung umzusetzen. Jede kann dabei als eine Antwort auf die grundlegenden Fragen der Demokratie verstanden werden: wer zum demosdemos gehört und in welcher Art und Weise dessen Herrschaft organisiert wird. In den politischen Systemen sowie Regierungsformen drücken sich also spezifische politisch, historisch, sozial, ökonomisch und kulturell bedingte Interpretationen von Demokratie aus, denen eine Struktur und ein Regelwerk gegeben wurde. Eine der zentralen Grundfragen war dabei seit jeher das Verhältnis zwischen Herrschenden und Beherrschten, das von einer unterstellten IdentitätIdentität, etwa in den Theorien direkter Demokratie, bis hin zur größtmöglichen DifferenzDifferenz in eher konfliktorientierten Demokratietheorien reicht, die dann in der Praxis auf das Prinzip der → RepräsentationRepräsentation zurückgreifen. Die demokratischen Regierungsformen werden dann danach unterschieden, wie sie die Bestellung und Legitimation der Regierung, also der Spitze der Exekutive, organisieren. Hier unterscheidet man vor allem präsidentielle von parlamentarischen Systemen und danach, ob die Institutionen im Einzelnen sowie das System als Ganzes eher auf Konfliktvermeidung, Konsens, oder aber auf Streit und die offene Austragung von KonfliktenKonflikt ausgerichtet ist. Im ersten Fall spricht man in der Forschung von Konsens- oder Konkordanzdemokratien, im zweiten Fall von Mehrheits- oder Konkurrenzdemokratien. In der Realität sind die Demokratien Mischformen und die Modelle daher als Idealtypen zu verstehen. Konkurrenzdemokratien zeichnen sich demnach dadurch aus, dass sie Macht und GewaltGewalt sehr stark konzentrieren und die Durchsetzung politischer Programme über die Herstellung parlamentarischer Mehrheiten befördern. Konsensdemokratien setzen hingegen auf das Prinzip der Machtteilung und bemühen sich um einen möglichst hohen Grad an InklusionInklusion unterschiedlicher politischer und gesellschaftlicher Gruppen. Konkurrenzdemokratien werden zudem meist durch Einparteienregierungen in Zweiparteiensystemen angeführt, das Wahlsystem wird über ein Mehrheitswahlrecht organisiert und dem Parlament kommt die Letztentscheidung in der Legislative zu. Konkordanzdemokratien setzen demgegenüber auf Koalitionsregierungen in einem Vielparteiensystem und greifen auf das Verhältniswahlrecht zurück. Zudem kontrollieren Verfassungsgerichte letztinstanzlich die parlamentarische Gesetzgebung. Als Vorteile der Konkurrenzdemokratie gelten gemeinhin die hohe Effizienz der Regierung, da diese auf einer stabilen Mehrheit im Parlament aufruht. Außerdem können Entscheidungen hier angeblich schneller, weil relativ unabhängig von den Parteien getroffen werden. Als Nachteil gilt, dass die Perspektiven und Interessen von Minderheiten unter Umständen weniger berücksichtigt werden. Demgegenüber gelten Konkordanzdemokratien als weit repräsentativer, gleichzeitig aber wenigstens im Konfliktfall als weniger effizient, insofern Entscheidungen mitunter eben nicht so schnell getroffen werden können. Empirische Forschungen zur Demokratie haben jedoch ergeben, dass diese Vorannahmen nicht immer haltbar sind. Mit Blick auf die Problemlösungsfähigkeit sind auch die präsidentiellen Systeme den parlamentarischen also nicht unbedingt überlegen, ebenso wenig die Konkurrenzdemokratien den Konkordanzdemokratien. Laut dem Politikwissenschaftler Arend LijphartLijphart, Arend (*1936) sind Verhandlungsdemokratien zum Beispiel wirtschaftlich gleichrangig zu Mehrheitsdemokratien und auf den Gebieten des Umweltschutzes und der Sozialpolitik sogar überlegen. Als ein Beispiel für eine Konkordanzdemokratie kann das politische System der Schweiz gelten, wohingegen das britische Westminstermodell den Idealtyp der Konkurrenzdemokratie darstellt.
Was bedeutet repräsentative Demokratie?
Unter einer repräsentativen Demokratie versteht man eine Art der Herrschaftsform, die ganz zentral auf das Prinzip der → RepräsentationRepräsentation zurückgreift, um verbindliche politische Entscheidungen vorzubereiten, zu legitimieren und zu treffen. Anstelle eines unmittelbar die Gesetze gebenden