Einleitung LSD ist alles, was man braucht
Lysergsäurediethylamid benötigt man nicht zum erfolgreichen Erstellen einer Abschlussarbeit. Zumindest nicht in jenen Disziplinen, die einer kulturwissenschaftlichen Methodik folgen. Von ihrem Einsatz sei sogar nachdrücklich abgeraten, auch wenn es noch vor wenigen Jahrzehnten einmal en vogue gewesen sein soll, die Lektüre von französischen Theorieklassikern durch die Einnahme von LSD zu neuen Wahrnehmungsebenen zu führen oder auf eine andere Bewusstseinsstufe zu heben. Doch dieser Stoff
LSD und LSD
würde einem weitergehenden Verständnis der geisteswissenschaftlichen Methoden und bisweilen recht komplexen Theorieansätze vermutlich sogar entgegenwirken. Was jedoch umso notwendiger bleibt, um Material und Theorie, eine Idee und ihre konsequente wissenschaftliche Ausarbeitung erfolgreich zu bewältigen, ist die Beherrschung einiger elementarer Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Denken. ‚Kann ich doch längst …‘, mag direkt Ihr Einwand sein, ‚und zwar schon seit der zweiten Grundschulklasse.‘ Sicher, aber nicht in der Form, die wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Denn das haben Sie erst in Ihrem Studium gelernt. Und allein diesen erfolgreichen Lernprozess zu dokumentieren und nachzuweisen, ist schließlich der vorrangige Zweck Ihrer Abschlussarbeit.
Dieses Buch will eine auffrischende Anleitung geben zum souveränen Gebrauch dieser grundlegenden Kulturtechniken, um Sie anhand von sieben schematisierten Arbeitsschritten Stück für Stück zu einer erfolgreichen Abschlussarbeit zu geleiten.
Von der Theorie und Geschichte zur Praxis
Dabei gilt es, sich dem Gegenstand zunächst behutsam zu nähern, indem wir den Prozess der Ideenfindung etwas ausführlicher (um nicht zu sagen: ‚gelehrter‘) umkreisen, und zwar anhand von verschiedenen kulturhistorischen Szenarien, wie man Ideen generieren und kritisch überprüfen kann. Danach wird’s dann im weiteren Verlauf zunehmend praktischer, wenngleich es auch hier nicht an Beispielen fehlen wird.
[<<7] Seitenzahl der gedruckten Ausgabe
Eigentlich müsste dieses Buch gar nicht geschrieben werden, denn es gibt bereits eine ebenso umfassende wie humorvolle Sammlung von Ratschlägen auf die Frage, wie man eine wissenschaftliche Abschlussarbeit schreibt.1 Die Lektüre von Umberto Ecos
Auf den Schultern von Riesen
informativer Anleitung bringt jedoch zwei Schwierigkeiten mit sich: Zum einen ist sie trotz aller allgemeingültigen Hinweise sowohl von den Beispielen als auch vom akademischen Kontext her allzu sehr auf die italienischen Verhältnisse eingestellt. Zum anderen hat Eco diesen Text 1977 verfasst, also Jahre bevor er Romancier wurde und nahezu ebenso lange, bevor der Personal Computer unsere akademischen Schreibweisen von Grund auf verändert hat. Sein Text bezieht sich also gewissermaßen auf die Vormoderne der wissenschaftlichen Datenverarbeitung. Das vorliegende Buch möchte hingegen eine zeitgemäße Einführung anbieten, die den beiden genannten Schwierigkeiten entsprechend begegnet. Es ist einerseits stärker auf die deutschen akademischen Belange ausgerichtet und bezieht andererseits die Finessen und Vorteile einer rechnergestützten Forschungslandschaft, angefangen bei der Ideenfindung, über die Verarbeitung des gesammelten Materials mit geeigneter Software bis hin zur ästhetischen Formatierung Ihrer Ausarbeitung mit ein, und zwar in geraffter Form, einem Kochrezept oder Algorithmus nicht unähnlich, wie er auch beim Computer selbst zur Anwendung gelangt.
Das Versprechen dieser kleinen Anleitung lautet, in sieben Schritten zum Ziel zu kommen. Was ist also alles erforderlich, um in einem vorgegebenen Zeitrahmen von vielleicht vier oder sechs Monaten, oder im Fall einer Promotion auch in vier (oder sechs) Jahren einen Text zu verfassen,
Arbeits-Algorithmus in 7 Schritten
den Ihre Gutachter möglicherweise so glänzend finden, dass sie ihn sogleich publizieren möchten? Entscheidend sind alle sieben Schritte, und zwar nahezu gleichzeitig. Wie das? Muss man nicht zunächst ein Thema haben, um gezielt danach zu recherchieren? Und
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muss man nicht erst lesen, um sodann zu schreiben? Und ist es nicht erforderlich, eine Vielzahl von Exzerpten verzettelt zu haben, bevor man korrekt zitieren kann? Ja, keine Frage. Doch kein Thema findet sich, ohne dass man zuvor – und sei es ziellos – ein wenig recherchiert hat. Oftmals wird erst während der Niederschrift klar, wo eine weitergehende Lektüre noch Not tut. Genauso wie man gelegentlich erst zitiert, um die Belegstellen dann nachträglich in seinen Zettelkasten einzutragen. Mit anderen Worten, auch wenn das Buch eine algorithmische Vorgehensweise verspricht, kommt es zuweilen vor, dass man in der Praxis einen Schritt vorziehen muss, also erst das Dessert anrichtet, bevor der Schmorbraten köchelt, um letztlich ein stimmiges Menü zu servieren. Ähnlich einem Computer erfordert die wissenschaftliche Vorgehensweise daher, in Rekursionen zu arbeiten, das heißt im beständigen Vorgriff auf den Rückgriff. Nichtsdestotrotz lässt sich ein allgemeines Schema angeben, das in Teilschritten gelegentlich wechseln mag, prinzipiell jedoch alle unabdingbaren Elemente enthält, die es letztlich zu absolvieren gilt, um eine Arbeit irgendwann einreichen zu können.
Unhintergehbarer Ausgangspunkt der Arbeit ist eine Idee. Ohne die geht es nicht. Und gut sollte sie natürlich auch sein. Der erste von sieben Schritten besteht also in der Themenfindung (Schritt 1, S. 15), im Sondieren und Erproben von unterschiedlichen Ideen und Fragestellungen, im Durchspielen von Hypothesen und der letztlichen Festlegung auf eine These.
Aufforderung zum Tanz: Die Schrittfolge
Diese gilt es dann, mit Material anzureichern, das heißt, der zweite Schritt besteht in einer umfassenden Recherche (Schritt 2, S. 31), und das heißt keineswegs, (nur) eine Internetsuchmaschine zu betätigen. Vielmehr bedeutet das, zielgenau auf das gesammelte Wissen des Abendlandes (und auch darüber hinaus) zu einem bestimmten Thema einzugehen und es ausfindig zu machen. Von der Recherche kaum zu trennen, weil sie zur spezifischeren Suche führt, ist unterdessen der dritte Schritt, die Lektüre (Schritt 3, S. 49). Hier kommt es zunehmend darauf an, problemorientiert zu lesen, also sich vom anfänglichen allgemeinen Überblick langsam in die subtileren Zweige und abgesonderten Spezialfragen eines Themenkomplexes hineinzuarbeiten. Während der ausschweifenden Lektüre zu Anfang gilt es, möglichst viel vom Gelesenen zu behalten und passgenau für die Arbeit vorzubereiten. Diese Technik
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gelangt im vierten Schritt zur Anwendung, bei der Verzettelung der Exzerpte (Schritt 4, S. 61), das heißt bei der softwaretechnischen Aufbereitung und analytischen Durchdringung des Materials. Sobald man hier den Eindruck hat, genügend Masse, und das heißt sowohl ausreichend Stoff als auch hinreichend viele und überzeugende Argumente und Teilthesen, angesammelt zu haben, kann man sich an den fünften Schritt, die Reinschrift oder das Abfassen der Arbeit begeben (Schritt 5, S. 73). In dieser Phase wird das zuvor entworfene Grundgerüst immer weiter verfeinert und in Kapiteln ausformuliert, sodass sich die Grundthese in ihren einzelnen Teilschritten argumentativ verfestigt und stabilisiert. Während der Reinschrift werden die einzelnen Argumente durch die zuvor erlesenen Texte untermauert, das heißt, die Exzerpte und Lesefrüchte aus Schritt 4 werden aus der Zitatensammlung punktgenau in die Argumentation eingewoben und mit den korrekten Belegstellen versehen (Schritt 6, S. 89). Nachdem sich die Argumentationskette so in eine stabile Form einrenkt und durch Einleitung und Resümée ergänzt worden ist, gilt es noch abschließend, dem Text eine typographisch ansprechende Erscheinungsweise zu geben, das heißt, ihn nach allen Regeln der Kunst zu formatieren (Schritt 7, S. 97). Danach kann die Arbeit zum Buchbinder gehen, um sie daraufhin der Prüfungsbehörde vorzulegen.
Sieben Schritte und Lesen, Schreiben, Denken: