Genau das soll eine der bleibenden Wirkungen einer Borreliose sein. Die Krankheit hinterlässt, auch wenn sie ausgeheilt ist, beim Betroffenen eine erhöhte Empfindlichkeit. Er wird zu einer Highly Sensitive Person (HSP), zu einem »hoch empfindsamen Menschen« (Aron 1999). Zu diesem Aspekt des »Post-Lyme Syndroms« gehört eine erhöhte Intuition und ein feines Gespür für die Umwelt. Diese Menschen vertragen keinen Elekrosmog, wie er von schnurlosen Telefonen, Handys oder Mikrowellen ausgeht, auch keine niedrig frequente Strahlung von Fernseher, Computer oder Steckdosen. Schwermetalle und geopathische Belastungen machen ihnen zu schaffen. Dafür schätzen sie Ruhe, Meditation und den Aufenthalt in natürlicher Umgebung.
Wer weiß, vielleicht ist es die Aufgabe der Borrelien-Entität, die heutigen Menschen wieder etwas feinfühliger und empfindsamer zu machen?
Die Natur hat immer Recht,
Und die Fehler und Irrtümer sind immer die der Menschen.
Johann Wolfgang von Goethe
Und selbst jedes Käferlein,
jedes schmutzige Käferlein,
fest lass mich sie alle halten,
keines meinem Griff entfallen.
Mögen meiner Kinder Wege
allesamt Erfüllung finden …
Aus dem Lied eines Zuni-Regenpriesters
9 Der Manichäismus, benannt nach dem Religionsstifter Mani (216–277 u.Z.), vertritt einen radikalen Dualismus von Gut gegen Böse, Licht gegen Dunkel. Die Lehre beeinflusste das Denken des heiligen Augustinus und wirkt im Islam, im Calvinismus und einigen philosophischen Strömungen fort. Siehe Storl, Shiva, Kap. 9, KOHA-Verlag, 2002.
10 B-Lymphozyten (Bursa-abhängige L.) bilden hochspezifische Antikörper (Immunglobulin) gegen unbekannte Eindringlinge (Bakterien, Pilze, Viren) und speichern die Informationen (»Gedächtniszellen«).
11 T-Lymphozyten (Thymus-abhängige L.) zerstören als »Killer-Lymphozyten« körperfremde Zellen; sie können aber auch Immunreaktionen unterdrücken, wenn die Abwehr erfolgreich ist (»Unterdrückerzellen«), oder sie speichern als »Gedächtniszellen« die Merkmale der Eindringlinge.
12 Jean-Baptiste de Lamarck, Naturforscher, stellte die These auf, dass die Arten veränderlich sind, weil sie auf unmittelbare Umweltreize reagieren, und dass sich diese Reaktionen im Erbgut niederschlagen. Diese als überholt geltende evolutionäre These wurde durch Darwins Theorie der natürlichen Auswahl ersetzt.
13 Vancomycin, ein Bakterizid, das in die Zellwand grampositiver Bakterien eindringt, galt lange als letzte Hoffnung bei lebensbedrohlichen Infektionskrankheiten.
EIN GLIEDERTIERCHEN VERSETZT DIE WELT IN SCHRECKEN
Die Kleinstadt Old Lyme mit siebentausend Einwohnern liegt am Long-Island-Sund, der Meeresenge, die Connecticut von New York trennt. Der Ort mit seinen schmucken weißen Holzhäusern und alten Kirchen aus der Kolonialzeit ist umgeben von Feuchtgebieten und bewaldeten Hügeln, die im Indian Summer in den leuchtendsten Farben aufflammen. Schon um 1665 siedelten hier die ersten Weißen – für Amerika ist das eine lange Geschichte. Bekannt wurde der Ort aber durch etwas anderes.
Im Frühsommer 1975 machte sich eine Mutter Gedanken darüber, dass das Städtchen von einer merkwürdigen »Arthritisepidemie« heimgesucht wurde. Zwölf Kinder waren von rheumatischer Arthritis befallen. Wie konnte das sein, wo doch Arthritis meistens ältere Menschen befällt? Und vor allem, Arthritis ist doch nicht ansteckend! Außerdem ereignete sich der Befall im Frühsommer, während doch die Knochen und Gelenke sonst vor allem im feuchten, kalten Herbstwetter schmerzen. Aufmerksame Beobachtung zeigte, dass die Krankheit meistens mit einem roten, sich ausdehnenden Hautfleck anfing. Dieser Hautfleck entstand nach dem Stich der Hirschzecke14. Die merkwürdige Krankheit wurde nach dem Ort benannt; man sprach von nun an von der Lyme-Krankheit (Lyme disease).
Zeckenbisse hat es in den Wäldern Neuenglands schon immer gegeben, zwar nicht in der Häufigkeit, wie sie in den letzten Jahren beobachtet wurde. Der Biss oder besser Stich war zwar lästig, aber er galt nie als ein Problem. Mit einer Streichholzflamme oder etwas Nagellack war man den Plagegeist los. Nun aber schien es, dass die Zecke doch nicht so harmlos war. Der ursprünglich aus der Schweiz stammende Willy Burgdorfer, Bakteriologe in den Rocky Mountain Laboratories (Montana), nahm sich der Sache an: Er untersuchte die Krabbeltiere und entdeckte in ihrem Magen eine Spirochäte, ein schraubenförmiges Bakterium, das fortan seinen Namen trug: Borrelia burgdorferi. Im März 1983 veröffentlichte er seinen Forschungsbericht im »New England Journal of Science«.
Der Bösewicht
Die Zecke – auch Holzbock, Laubbock, Wald- oder Schildzecke genannt – gibt es auch bei uns. Ihr wissenschaftlicher Name ist Ixodes ricinus (ricinus bezieht sich auf die Samen des Wunderbaums, der Rizinuspflanze, denen die prall vollgesogene erwachsene Zecke ähnelt). Das Wort Zecke (englisch tick, plattdeutsch Tike) ist altgermanisch und bedeutet »Zwicker«, »zwickendes Insekt«. Als solches gehörte es zu den »elbischen Plagegeistern«, zu dem »Gewürm«, das von boshaften Zauberern und Zauberinnen den Menschen und seinen Haustieren angehext wird und alle möglichen Krankheiten bringen kann. Die Germanen glaubten, dass das Ungeziefer genauso wie Mensch und Vieh auch die Bäume plagt; übelgesinnte Hexer gingen daher in den Wald und schüttelten es von den Bäumen (Mannhardt 1875: 14).
Der Holzbock ist ein 1 bis 2 Millimeter langes Spinnentier, verwandt mit Milben und Krätzmilben. Weltweit gibt es etwa 650 Zeckenarten.15 Die meisten Zeckenarten durchlaufen, nachdem sie aus dem Ei geschlüpft sind, drei Stadien: Larven, Nymphen und erwachsene Tiere. Die winzigen Larven und die rund anderthalb bis zwei Millimeter großen Nymphen haben sechs Beine, die Erwachsenen acht. Zecken mögen kein direktes Sonnenlicht; sie lauern im feuchten, schattigen Gebüsch oder im Gras und warten auf eine vorbeiwandernde »Blutmahlzeit«. Die winzigen Vampire klettern jedoch nicht, wie es im Volksmund heißt, auf die Bäume und lassen sich auf ihre Opfer herabfallen. Im Gebüsch krabbeln sie aber immerhin bis auf anderthalb Meter, was der Höhe eines potenziellen Wirts entspricht, und gehen in Lauerstellung, bis ein Mensch oder Tier vorbeistreift. Zwar sind sie blind, aber sie nehmen mit besonderen Organen an den ersten Beinpaaren die leichteste Veränderung in ihrer Umgebung wahr. Sie empfinden die feinste Erschütterung, die durch die Bewegung ihres unfreiwilligen Wirts verursacht wird; sie riechen seinen kohlensäurehaltigen Atem, seine Ausdünstungen, den Schweißgeruch (Milchsäure, Buttersäure, Ammoniak); sie nehmen die Lichtveränderung durch seinen Schatten wahr; sie können Wärmeunterschiede von wenigen Hunderstel Grad spüren, und dann bewegen sie sich rasch krabbelnd in die verheißungsvolle Richtung. Am meisten zieht es sie zu Menschen mit »saurem« Schweiß, also jenen, die unter Stress leiden oder die sich nicht basisch ernähren, sondern mit einem Überschuss an fleisch- und zuckerhaltiger Nahrung den Körper übersäuern.
Die winzigen Larven, die nicht größer sind als der Punkt am Ende eines Satzes, leben vom Blut vor allem von Kleinsäugern, von Mäusen, Ratten, Igeln, Siebenschläfern und gelegentlich von Eidechsen und Vögeln. Die Eier der Zecken enthalten noch keine Borreliose-Spirochäten. Erst durch diese Kleintiere, vor allem die Nager, die so etwas wie ein Borrelienreservoir bilden, werden die Zecken mit Borrelien infiziert. Die Spirochäten, die in diesen Tieren leben, merken sofort, wenn eine Zeckenlarve an ihrem Wirt saugt. Die betäubenden, immun- und histaminhemmenden Chemikalien im Speichel, den die Zecken in den Wirt hineinspritzen,