TodesGrant. Wilfried Oschischnig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wilfried Oschischnig
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783827184160
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simple Plastikspangen gab, mit denen er das Blech und somit auch die Pfote lösen konnte.

      Endlich, endlich, endlich … legte er den Kater mitsamt dem Blech auf den Boden.

      Immerhin: So vereint waren sie noch nie, die beiden Herren im Hause Gradoneg. Beide völlig erschöpft auf dem Boden in Hemmas Kinderzimmer, umgeben von Harry Potters Freunden und Feinden, umgeben von Ron Weasley, Hermine Granger, Draco Malfoy und Dobby, dem Hauself.

      Vielleicht war es keine Träne und nur ein verirrter Schweißtropfen, der nun Gradoneg über die Wange lief, aber seine Erleichterung war echt und ehrlich, als sich Whitey endlich wieder bewegte; als sich der Kater irgendwie aufrappelte und wimmernd und taumelnd das Heizungsblech mit der gefangenen Pfote hinter sich herzog.

      Zum Glück – ja zum Glück wurde die Blutspur im Kinderzimmer immer länger. Selbst wenn Whiteys hinteres rechtes Bein aussah, als hätte es jemand wie ein nasses Handtuch ausgewrungen, und sein Fell am Oberschenkel aufgeplatzt war –, doch der Kater lebte. Lebte! Hemmas Liebling lebte! Und als Gradoneg dann die Tierrettung rief, sein Handy in der Hand wie sein Herz in der Brust hüpfte, da kam er sich fast schon wie ein Held und Lebensretter vor. Und zum Trost streute er dem Kater das exklusivste Trockenfutter auf den Boden hin. Alles, was der Vorratskasten hergab: „Pure Love Snackies“, „Knabberstangerl vom Voralpenrind“ und selbstverständlich den sündteuren „getrockneten Hirschmix“, den Whitey sonst nur zu Weihnachten und Ostern bekam. Denn bestimmt würde das Fressen in Tierkliniken so schlecht wie im menschlichen Krankenhaus sein, dachte sich Gradoneg.

      Von dem her unterschieden sich ja Mensch und Tier kaum.

      Verrückt. Einem Kater hatte er das Leben gerettet und sein eigenes dabei womöglich verloren. Der egoistischste Borderline-Kater Wiens sprang dem Tod von der Schaufel, und Gradoneg wurde von einer Tür erschlagen. Ja, was wäre gewesen, hätte sich Whitey an diesem Morgen nicht mit einer Pfote im Heizungsblech verfangen?

      Würde Gradoneg unbekümmert bei einem Kunden sitzen?

      Hätte ihn das Schicksal verpasst?

      Diese Fragen wagte sich Gradoneg nicht zu stellen. Er war zu müde, zu traurig und zu hoffnungslos, einfach viel zu erschöpft von diesem ungerechten Leben.

      „Platz machen! Die Sanis und der Notarzt sind endlich da!“, wurde es um Gradoneg wieder laut und hektisch.

      „Schnell, runter mit der Tür“, hörte er die Stimmen der Männer.

      „Aber nur die Tür, die Sau greif ich nicht an.“

      „Heb schon! Denk an die unterlassene Hilfeleistung.“

      „Wiederbeleben tust du ihn.“

      Tatsächlich spürte Gradoneg, wie die Last auf seinem Körper und sogar der Schmerz etwas nachließen; er meinte sogar seine Beine und Arme leicht bewegen zu können. Vielleicht war sein Kopf doch nicht wie ein Holzscheit gespalten und das Rückgrat nicht vom eisernen Türgriff zertrümmert. Womöglich gab es noch Hoffnung. Langsam versuchte er sich auf den Rücken zu drehen, biss vor Schmerz die Zähne zusammen und fürchtete, dass ihn ein gebrochener Wirbel daran hindern würde.

      „So eine Scheiße, der lebt ja noch!“, fluchte jemand empört. „Ich hab den zweimal getasert.“

      „Sag ich ja, diese Dinger sind ein Dreck. Hat der Staat wieder einmal an der falschen Stelle gespart. Meine Kuh im Pinzgau ist auch sofort aufgesprungen, noch lebendiger als davor. Das Einzige, was wirkt, ist die Glock. ’s gibt nichts Besseres … Lauf an die Stirn und abdrücken. Nur so geht’s.“

      Gradoneg schaffte es, sich auf den Rücken zu legen. Ein brutaler Tritt half ihm allerdings dabei. Er riss seine Augen auf und sah endlich, wer ihn da psychisch und physisch so brutal in die Mangel nahm: Die ‚Cobra‘!

      Ja, die ‚Cobra‘!

      Nicht irgendwelche uniformierten Analphabeten oder gar Kriminelle waren in seine Wohnung und in sein Leben eingedrungen – nein, es war Österreichs elitärstes und gefürchtetstes Polizeikommando. Die ‚Cobra‘! Sozusagen die ‚Giftnatter‘ der heimischen Justiz hatte sich vor Gradoneg erhoben und rasselte mit all ihrer Macht. Und dass diese durchtrainierten Schlangen immerhin 2003 und 2015 die „Olympischen Spiele der Spezialeinheiten“ gewonnen hatten, bekam Gradoneg sogleich mit einigen Fußtritten und Faustschlägen zu spüren.

      „Das … das ist ein Irrtum, bitte …“, brachte er endlich ein paar hörbare Worte heraus. Ein jedes brannte ihm in der trockenen Kehle, klebte auf der blutigen Zunge. „Ich … ich bin unschuldig. Aufhören, bitte … Ich hab niemandem etwas getan. Sie … Sie verwechseln mich mit jemandem. Gradoneg … bitte … mein … mein Name ist Matthias Frerk Gradoneg.“

      Sinnlos. Die ‚Cobra‘ versprühte weiterhin ihr Gift. Fußtritte und Faustschläge, als wäre Gradoneg ihr neuestes Trainingsgerät für die nächsten ‚Olympischen Spiele der Spezialeinheiten‘. Alle hatten sie ihre Helme auf und waren selbst darunter vermummt, niemand, und schon gar nicht ein Schwerverletzter, würde sie je beschreiben und überführen können. Und genauso traten sie zu.

      Erst als zwei Sanitäter mit einer kleinen Trage in die Wohnung stürzten, zischten die Schlangen zur Seite.

      „Wo ist die Katze?“, keuchte einer der Sanitäter völlig außer Atem in die Wohnung. „Und das nächste Mal ruft nicht in Salzburg an, wenn’s in Wien ein verletztes Tier gibt. Wär das bitte möglich, ja? Die Salzburger kümmern sich um die Salzburger und wir uns um die Wiener. Oder hebt zumindest das Telefon ab. Wir telefonieren da mit den Kollegen im Kreis, während das Tier leidet. Also, wo ist jetzt die Katze?“

      „Welche Katze …?“, wollte ein verblüffter Cobra-Beamter vom Sanitäter wissen.

      „Na, die Katze … Ihr habt uns doch wegen einer Katze gerufen. Irgendwas von einer Heizung und einer verdrehten Pfote ...“

      „Ihr seid von der Tierrettung …?“, konnte es der Cobra-Beamte nicht glauben, lief wahrscheinlich unter seiner Schutzmaske vor Zorn rot an. „Das gibt es doch nicht! Die Tierrettung!“

      „Hinten, im Kinderzimmer … auf dem Boden“, flüsterte Gradoneg, „Ich… ich hab Sie gerufen und … und der Whitey ist ein Kater, bitte helfen Sie ihm.“ Für diese wertvolle Auskunft gab es einen umso härteren Tritt vom Cobra-Beamten, der noch immer baff die Tier­retter musterte:

      „Ihr seid von der Salzburger Tierrettung und wir warten hier seit einer halben Stunde auf die Wiener Rettung!“

      „Wir kommen eh aus Wien, verdammt noch einmal! Und mich interessiert jetzt das Tier und sonst nichts“, gab der Tiersanitäter seinem Kollegen ein Zeichen und lief mit diesem in die Wohnung, rief noch: „Kümmert euch inzwischen um euren Verletzten. Der schaut eh nicht so schlimm aus – und die Wiener Rettung wird auch bald da sein, meistens tauchen sie nur ein paar Minuten nach uns auf.“

      Fast schon verständlich, dass sich die ‚Cobras‘ jetzt erst recht vor Gradoneg erhoben.

      „Du frisst Menschen und quälst auch noch Viecher!“, traten sie abermals auf ihn ein.

      Und schlimm, aber wahr: Je mehr man ihm auf den Brustkorb drosch, desto rhythmischer schlug sein Herz; je mehr man ihm die Nieren malträtierte, desto beweglicher wurde er. Eine höchst zweifelhafte Behandlungsmethode, verwerflich und für kein medizinisches Lehrbuch geeignet, doch bei Gradoneg wirkte sie Wunder – er wurde aus seiner Schockstarre erlöst. Und als sie ihn an den Haaren hochzogen und die Handschellen anlegten, blieb er sogar stehen. Mit weichen Knien zwar, aber die schlotterten ihm vor Angst, und nicht weil die Kreuzbänder oder der Meniskus gerissen waren.

      Zwischendurch hetzten die beiden Tierretter wiederum ins Vorzimmer. Whitey lag bewusstlos auf der kleinen Trage, starr und leblos, das verdrehte Bein bandagiert.

      „Du elendiger Teufel!“, spuckte einer der Tierretter Gradoneg ins Gesicht und warf ihm ein Futterpäckchen an den Kopf. „Du fütterst mir nie wieder einen sterbenden Kater mit einem abgelaufenen Hirschen. Zuerst reißt du ihm das Bein ab und dann vergiftest du ihn auch noch!“ Dann trugen sie Whitey fort. „Sag ich doch immer: