Dürnsteiner Himmelfahrt. Bernhard Görg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bernhard Görg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783990014493
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um circa acht Millionen Euro ersteigert worden. Trotz des recht großen Brandflecks da am linken oberen Bildrand.« Der Händler zeigte mit einer recht beiläufigen Geste auf den Fleck. »Heute sicher noch einmal um einiges mehr wert. Aber unverkäuflich.«

      »Donnerwetter!« Der Polizeidirektor legte den Katalog schnell wieder auf das Verkaufspult. »Schade, dass ich nicht über die Mittel des anonymen Privatsammlers verfüge. Für mich müsste es schon etwas Preiswerteres sein.«

      Samstag, 18. Juni 16 Uhr 58

      Den Teller mit den frischen Blätterteigbrezeln, die ihre Haushälterin vor ihrem Abgang ins Wochenende noch ins Rohr geschoben hatte, stellte Franziska Schremser auf den Terrassentisch neben den Wasserkrug, in dem sich die großen Limettenstücke zwischen den Eiswürfeln drängten. Mit dieser Mischung aus Askese und Luxus würde sie ihre Gäste passend bewirten. Zufrieden ließ sie den Blick schweifen. Teuer war es gewesen, den Gärtner aus Holland zu engagieren. In den letzten Jahren hatte dessen Eingriff noch nicht die volle Wirkung erzielt. Aber in diesem Jahr konnte sie endlich zufrieden mit ihrer Investition sein. Die Kletterrosen, die mittlerweile die gesamten zwei Meter Höhe der alten Gartenmauer überwucherten, waren jeden Cent wert. Der vom Gärtner geplante farbliche Verlauf der Blüten von Dunkelrot rechts der Terrasse über Hellrot beim Swimmingpool, Orange und Gelb rund um den Pavillon bis zu Weiß als Umrahmung des alten Nussbaumes links der Terrasse versetzte Gäste regelmäßig ins Staunen.

      Sie nahm das leichte blassgrüne Sommerkleid, das über dem Sessel vor ihr hing, und streifte es sich über ihren trockenen Badeanzug. »Julia!«, rief sie zum Pool hinüber. »Komm endlich aus dem Wasser und zieh dir was an.«

      Ihre Vierzehnjährige maulte. »Warum? Es ist doch noch urwarm in der Sonne. Und das Wasser hat sechsundzwanzig Grad. Habe ich gerade kontrolliert.«

      Sie war nicht in der Stimmung, sich mit ihrer Tochter auf eine lange Diskussion einzulassen. »Darum geht es nicht. Wir bekommen hohen Besuch. Deshalb.«

      »Den Besuch kriegst sicher nur du, nicht wir.« Julias vergnügt lachendes Gesicht, das von dichtem und, obwohl es klatschnass war, erkennbar hellblondem Haar eingerahmt wurde, tauchte über dem Beckenrand auf.

      Was für eine schon jetzt zum Anbeißen süße Tochter sie doch hatte, der die Männer bald zu Füßen liegen würden. Der Apfel fiel halt auch in ihrem Fall nicht weit vom Stamm. Sie bemühte sich um einen strengen Ton in ihrer Stimme. »Natürlich kommen die Herren zu mir. Aber ich will nicht, dass sie dich im Bikini herumlaufen sehen. Es sind nämlich zwei geistliche Herren. Den Dürnsteiner Pfarrer kennst du ja. Der zweite ist sein Chef, der Propst von Herzogenburg.«

      Mit einem Satz war ihre Tochter aus dem Wasser, streifte sich den Bikini ab, nahm ein neben dem Beckenrand liegendes Handtuch und begann, sich damit zügig abzutrocknen. »Geht es um das Theaterstück? Ehrlich gesagt würde es mich gar nicht mehr stören, wenn sie die Aufführung im Stift doch nicht erlauben. Diese Frau Machherndl ist sowas von lähmend, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Verdirbt einem völlig die Freude.«

      »Das Stück wird nicht abgesetzt, Liebling. Spätestens bei der Premiere wird deine Freude umso größer sein. Weil du frenetischen Applaus bekommen wirst. Was heißt Applaus. Standing Ovations.«

      »Wenn die Herren nicht wegen des Stückes kommen, warum kommen sie dann?« Julia stibitzte sich zwei Blätterteigbrezeln und huschte an ihr vorbei ins Haus. »Priester geben sich bei uns ja nicht gerade die Klinke in die Hand. War überhaupt schon einmal einer von denen da?«

      »Natürlich!«, rief sie der jungen Dame in gespielter Entrüstung nach. »Und überhaupt: Für ein Mädchen, das in sieben Wochen, wenn auch nur auf der Bühne, in den Himmel auffährt, könntest du für die Vertreter dieses Himmels auf Erden schon etwas mehr Respekt aufbringen.« Sie fuhr lauter fort, weil ihre Tochter im Inneren des Hauses verschwunden war. »Und wenn es dich beruhigt. Die Herren sind nicht wegen meines Seelenheils hier, sondern wegen des schnöden Mammons.«

      Die Antwort ihrer Tochter kam aus einem der Zimmer neben der Terrasse. »Sollst du etwas spenden?« Julia streckte ihren Kopf samt ihren nackten Schultern beim Fenster heraus und biss genüsslich in eine Blätterteigbrezel.

      »An der Außenfassade der Stiftskirche muss dringend ein völlig verwitterter Heiliger Nikolaus restauriert werden. Und da die Kirche dafür kein Geld hat, kommen sie halt zu mir. Offensichtlich hat sich herumgesprochen, dass ich ab und zu für Restaurierungen spende.«

      »Mein Okay hast du«, meinte Julia mit vollem Mund. »Auch wenn es mein Erbe mindert. Vielleicht werde ich auch einmal Kunstgeschichte studieren.«

      Franziska Schremser strahlte ihre Tochter mit der ganzen Liebe, die sie aufbringen konnte, an: »Keine Sorge. Es sollte so viel für dich und deine Schwester übrigbleiben, dass du dich einer brotlosen Kunst widmen kannst. Vorsichtshalber werde ich mich allerdings nach einem seriöseren Verwalter meiner Finanzen umschauen.« Sie merkte, dass ihrer Tochter eine Frage auf der Zunge lag. Die konnte sie allerdings nicht mehr stellen, weil es an der Eingangstür läutete. Vor drei Jahren hatte sie sich eine Vorrichtung einbauen lassen, die den Klingelton auch in den Garten übertrug. Sie blickte auf ihre Uhr. »Pünktlich ist die Kirche immer.« Mit raschem Schritt ging sie ins Haus in Richtung Eingangstür und rief laut: »Ich komme!«

      Im Flur huschte ihr Julia, immer noch in das Handtuch gehüllt, entgegen. »Ich verzieh mich jetzt besser. Legst du Wert darauf, dass ich mich später zeige? Angezogen natürlich.«

      »Für dein Alter bist du schon ganz schön frech.« Im Vorbeigehen gab sie ihr einen Klaps auf den Popo. »Ja, ich bestehe darauf, dass du den Herren zumindest ›Guten Tag‹ sagst. Nein, sag lieber ›Grüß Gott‹. Das gefällt ihnen sicher besser.«

      Samstag, 18. Juni 19 Uhr 10

      Der Polizeidirektor hatte sich den Empfang des Landeshauptmanns viel exklusiver vorgestellt. Und exquisiter. Ein kurzer Rundblick zeigte ihm, dass sich auf dem Schiff mindestens fünfhundert Personen befinden mussten. Der Missmut im Gesicht seiner Britta war ihm schon beim Boarding in Krems aufgefallen. Weil sie sich wie die anderen Gäste auch der Prozedur der Abgleichung ihrer Namen mit der elendslangen Liste der Eingeladenen durch zwei überfordert wirkende Securitys unterziehen mussten. Ihr Unmut steigerte sich noch deutlich, als ihr die Gattin des Landeshauptmanns, die nebst Ehemann an der Reling stand, zur Begrüßung nur höchst beiläufig und ohne Blickkontakt die Hand gab, weil ihre Aufmerksamkeit bereits dem dahinter anrauschenden Paar galt. Offensichtlich wichtigere Leute als die Marbolts. Wenigstens war er froh, dass Britta noch keinen Tropfen Alkohol getrunken hatte. So konnte er sicher sein, dass sie keine Szene machen würde.

      Das Schiff legte ab und steuerte stromaufwärts. Es war ein wunderbar lauer Abend an einem der längsten Tage des Jahres. Noch stand die Sonne über den Weinbergen der Wachau. Untergehen würde sie erst in rund zwei Stunden.

      Den Nachmittag hatte er gemeinsam mit Britta dazu verwendet, sich über die Abendgarderobe klar zu werden. Ursprünglich wollte er seine Uniform anziehen. Nicht, weil er sich darin besonders gut gefiel, sondern weil er wusste, dass der Innenminister, der als Niederösterreicher sicher auch an der Sonnwendfeier seines Parteifreunds teilnahm, ein Faible für Uniformen hatte. Außerdem würde der Minister zumindest mittelfristig für die Karriere des Landespolizeidirektors wichtiger sein als der Landeshauptmann. Letztendlich hatte er sich aber doch für den Niederösterreich-Anzug samt Krawatte in den Landesfarben entschieden. Weil seine Frau darauf bestand, sich an Bord in ihrem neuen Dirndl zu zeigen, das sie sich zu ihrem morgigen Geburtstag gekauft hatte. Und das würde nach ihrer Meinung, deren Deutlichkeit er wohlweislich nicht zu überhören wagte, nicht zu einer Uniform passen. Obwohl sie schon öfter ohne das geringste Problem ein Dirndl zu seiner Uniform getragen hatte. Einen Krieg mit der Ehefrau – noch dazu am Vorabend ihres Geburtstags – war die Sache jedenfalls nicht wert. Ihm war gleich klar gewesen, dass ihr ›Nein‹ zur Uniform keine modisch-ästhetischen Gründe hatte. Sondern den, dem Minister auch durch die Wahl der Kleidung den Unmut darüber zu zeigen, dass er ihn bei der Besetzung des Postens des Generalsekretärs des Innenministeriums übergangen hatte.

      Nachdem sich seine Frau und er je ein Glas