König Ludwig II. hatte einen Vogel .... Heinz Gebhardt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heinz Gebhardt
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783830710554
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er »schön und herrlich in seiner Jugend Glanz« den traditionellen Königseid. Alle waren sich einig, mit Ludwig den liebenswürdigsten aller Monarchen bekommen zu haben, dessen »Herz rein und unverdorben sei«. Umgeben von den mausgrauen VIP’s der Residenzstadt München, den aufgepuderten Hofdamen und dauergrinsenden Promis seiner Zeit schritt der 18-Jährige Ludwig II. einher »wie ein Goldfasan unter Haushühnern!« Schöner konnte Graf Eulenburg die Präsenz des jungen Königs in München nicht beschreiben. Ludwig stürzte sich in den ersten Monaten nach der Thronbesteigung mit großem Eifer in seine neue Aufgabe, wälzte Berge von Akten, konsultierte seine Minister, gab Audienzen und ließ sich von erfahrenen Beamten beraten. Zwar hatte er eine Gymnasialausbildung hinter sich, einige Universitätskenntnisse in Staatsrecht, aber in Wirtschafts- und Finanzfragen war er überhaupt nicht bewandert. Ebenso hatte er keine Ahnung im Umgang mit dem Militär. Andere Länder hatte er nie bereist, seine Menschenkenntnis war gleich Null und wirkliche Personen seines Vertrauens waren weit und breit nicht zu sehen.

      Meuternde Minister wurden sofort entlassen

      Dem Ministerium seines Vaters, das ja noch in Amt und Würden war, kam der scheinbar schüchterne und unerfahrene Jüngling gerade recht: Man verständigte sich schnell untereinander, wie man den Willen des jungen Königs brechen und sich in nichts von ihm dreinreden lassen könnte. Doch sie hatten sich verrechnet: Ludwig sprach von »bürokratischer Meuterei« und warf sofort zwei Minister aus dem Amt. Freiherr von Schrenk wurde zur Demission gezwungen. Sie hatten sich im jungen Hupfer mit der Krone erst mal alle getäuscht: König Ludwig II. zeigte, wer Herr im Hause Wittelsbach ist.

      Ludwig begegnet seinem »Gott und Erlöser«

      War der Rausschmiss der Minister sein erster Streich, so folgte gleich der zweite, die Erfüllung seines sehnlichsten Kinderwunsches, Richard Wagner, dem Schöpfer des Lohengrins, dem Komponisten dieser überirdisch berauschenden Klänge persönlich zu begegnen. »Thränen des Entzückens« hatte er als 15-Jähriger beim ersten Besuch des Lohengrins vergossen, im Jahr darauf berauschte er sich im Tannhäuser und angeblich hatte sein »Gott und Erlöser«, wie er später Wagner bezeichnete, noch gewaltigere Werke in Arbeit: Tristan und Isolde, Götterdämmerung, Walküre. Ludwig ließ sich von Sekretär Pfistermeister sämtliche Münchner Fremdenlisten vorlegen, ohne aber zu sagen, wen er denn suche. Dann bekam Pfistermeister den königlichen Befehl, Richard Wagner aufzustöbern. Als Zeichen seiner Liebe sollte er einen goldenen Ring mit einem Rubin überreichen und den genialen Lohengrin-Schöpfer auf der Stelle zum König bringen. Das war aber gar nicht so einfach: Wagner war im März 1864 total überschuldet aus Wien geflohen, wo gerade sein Hausrat bis auf mehrere Kisten Champagner gepfändet wurde, weil man sich nicht vorstellen konnte, dass dem armen Schlucker so viel Schampus gehört. Erst tauchte er in Zürich unter, dann versteckte er sich in Stuttgart. Bei seinem ehemaligen Kapellmeister Karl Eckert bekam er was zu Essen, denn selbst dafür fehlte das Geld. »Ich bin am Ende«, schrieb er auf einen Zettel und spielte mit Selbstmordgedanken.

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      Ludwigs Kabinettssekretär Staatsrat Franz von Pfistermeister (1820–1912) stöberte Richard Wagner in Stuttgart auf und brachte ihn zum König.

      Tränen himmlischster Rührung

      Am Abend des 2. Mai meldete sich bei ihm Franz von Pfistermeister, der Sekretär des Königs. Wagner ließ sich verleugnen, weil er an einen Trick seiner Gläubiger dachte, um ihn zu pfänden. Dann folgte ein Gespräch unter vier Augen, bei dem ihm Pfistermeister einen goldenen Ring mit einem großen roten Rubin als Zeichen der Liebe des Königs überreichte und tief ergriffen schrieb Wagner an Ludwig II.: »Theurer huldvoller König! Diese Thränen himmlischster Rührung sende ich Ihnen, um Ihnen zu sagen, dass nun die Wunder der Poesie wie eine göttliche Wirklichkeit in mein armes, liebebedürftiges Leben getreten sind! Und dieses Leben, sein letztes Dichten und Tönen gehört nun Ihnen, mein gnadenreicher junger König: verfügen Sie darüber als über Ihr Eigenthum! In höchstem Entzücken, treu und wahr Ihr Unterthan Richard Wagner«.

      Am Vormittag des 4. Mai 1864 standen sich dann in der Münchner Residenz der 18-Jährige König und der 51-Jährge Richard Wagner erstmals Aug in Auge gegenüber. Sein »Ein und All«, »Wonne des Lebens«, »erhabener, göttlicher Freund«, »höchstes Gut! Alles!« wie er ihn danach bezeichnete, war leibhaftig in sein Leben getreten. Nach der Audienz schrieb Wagner an die Schriftstellerin Eliza Wille: »Er ist leider so schön und geistvoll, seelenvoll und herrlich, dass ich fürchte, sein Leben müsse wie ein flüchtiger Göttertraum in dieser gemeinen Welt zerrinnen.« In über 600 Briefen tauschten sich der König und sein Komponist im Laufe ihres Lebens in den unterschiedlichsten Stimmungen und Lebenssituationen aus. Der Ton, mit dem sich beide von nun an begegneten, ist ungewöhnlich, einmalig, enthusiastisch, überschwenglich und nur durch die Einzigartigkeit des Zusammentreffens zweier so außergewöhnlicher Persönlichkeiten erklärbar.

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      Erster Brief Richard Wagners an Ludwig II. aus Stuttgart, wo ihn Pfistermeister gefunden hatte.

      So begannen Ludwigs Briefe in der Regel mit:

      »Mein theurer Freund!«

      »Mein geliebter Freund!«

      »Geliebter, einziger Freund!«

      »Geliebter, Heiliger!«

      »Innig geliebter, über Alles theurer Freund!«

      »Heiß Geliebter! Mein Einziger!«

      »Ein und All! Inbegriff meiner Seligkeit!«

      »Mein Einziger! Wonne meines Lebens!«

      »Mein Feund! Mein Geliebter!«

      »Urquell des Lebenslichtes!«

      »Einziger! Herr meines Lebens!«

      »Großer, unvergleichlicher, über Alles, Alles theurer Freund!«

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      Richard Wagner, 1864 von Franz Hanfstaengl fotografiert.

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      »O mein herrlicher, himmlischer Freund!« Wagner und Ludwig als Kitschpostkarte um 1900.

      Als wäre er das Echo seines königlichen Bewunderers, begannen Wagners Briefe an Ludwig II. meist so:

      »Theurer huldvoller König-!«

      »Mein geliebter, theurer König!«

      »Mein erhabener, innig geliebter König!«

      »Mein stets huldvoller König!«

      »Mein inniggeliebter, wundervoller Freund!«

      »Mein holder, wunderbarster Freund!«

      »Mein wunderbar gütiger Freund!«

      »Geliebtester Mensch! Edler holder Freund!«

      »Mein Theurer, unermesslich Gütiger, Schöner!«

      »O mein herrlicher, himmlischer Freund!«

      »Mein lieber, theurer Wunderfreund!«

      »Mein hochgeliebter, angebeteter König und Freund!«

      Vor der Unterschrift folgten glühende Schwüre bis in den Tod:

      »Ihr Freund Ludwig König v. Bayern«

      »In ewiger Liebe«

      »Ihr bis in den Tod getreuer, glückseliger Ludwig«

      »Bis in den Tod!«

      »Heiland, der mich beseligt!«

      »Heil Dir Du mein Ein und All!«

      »Ewig