Sie verstehen bald, wenn Sie die Orte erfahren und erfühlen, jene sich aus dem Halbdunkel der Historie erschließende höhere Notwendigkeit, ja Determination der Agierenden, die auf der Jahrtausende alten Bühne des wuchtigen Weltentheaters so agieren, wie das Leben es will. Und wie es das Leben selbst dem Überlebens-Willigen zwingend vorschreibt.
In dieser sonst selten noch sagbaren, durchaus sozio-darwinistischen Archaik, die so mancher heutigen »Political Correctness« widerspricht, dort wo es nicht nur Gut gibt und Böse, sondern das Leben eben, – da liegt das Geheimnis, das Mysterium des Lebens selbst.
Sagen bewahren uraltes Einweihungswissen, sie entschlüsseln das Unterbewusst-Sein der gesamten Menschheit. Letztlich ist ein »hinführendes« Sagenbuch wie dieses ein »Überlebenstrainer« für das, was kommt.
Eine sagenhafte Zukunft!
Der Autor, im Frühjahr 2013
Wer Freude und neue Weltensicht aus diesem Buch gewonnen hat und seine Erlebnis-Touren bayernweit ausdehnen will, dem sei der dem Erfolg des »Teufels tritt« entsprungene Band »SAGEN UND MYTHEN AUS BAYERN« (Stiebner-Verlag, München 2009, ISBN 978-3-8307-1048-6) ans Herz gelegt.
Die eiserne Kette um München herum
Wie einem bald auffallen wird, führt dieses Buch gerne zu diesem und jenem magischen Ort, der an die Sage erinnert, es geleitet zu irgendeinem Bauwerk, einem Brunnen…, vor dem man dann stehen kann, sich gescheit mit dem Finger an die Stirn tippt und zu den lieben Begleitern sagt: »Soso. Aha. Ja da schau her.« Sodann hat man seine gebildete Pflicht und Schuldigkeit getan, darf das Buch zuklappen und sich ins nächste Wirtshaus begeben.
Erstmal aber haben wir es mit einer zauberwirksamen Kette zu tun, die um das »ursprüngliche München« herum gespannt ist.
Oder, sagenhaft schwer, davor liegt.
»Ja was denn«, wird so mancher ausrufen, »…diese Kette gibt es einfach nicht!«
So ist es auch. Man kann so lange außen um die Stadt herumlaufen, wie man will. Man findet einen »Innen oder Altstadt«-, einen »Mittleren« und gar einen »Äußeren« Ring, ein jeder von diesen stinkt mehr als der andere, aber eine Kette kann man lange suchen.
Es gibt sie aber. In der Sage und im Herzen! Wollen wir sehen:
Zunächst erzählt uns die Sage, dass in früheren Zeiten die Kinder und überhaupt die Leichtgläubigen »von draußen«, vom Lande also oder von anderswoher, wenn sie nach München herein haben wollen, gesagt bekamen:
»Nach München? Da darfst du aber sauber zur heiligen Apollonia beten.«
Der Angesprochene hat dies dann recht gut verstanden. Denn in Zeiten (das ist noch gar nicht so lange her), in denen ein ordentlicher Mensch genau gewusst hat, wo jeder Heilige hingehört, wie er zu Tode gefoltert worden ist und für welches Wehwehchen er also zu helfen vermag, da war bei dem Namen Apollonia ganz klar: Zähne!
Wer nach München herein will, der muß erst die schwere eiserne Kette durchbeissen: Das heißt, er muss lernen, die Stadt mit dem Herzen zu sehen!; 17
Und so war’s auch gemeint, denn man hat den Kindern gesagt, sie müssten »eine Kette durchbeißen«, wenn sie denn nach München herein wollten. Da haben die nicht wenig Angst gehabt vor der großen, fremden Stadt. Meiner Oma selbst ist es noch so ergangen, die hat bei den Bauern gewohnt und ist lange schon tot.
»Die Kette«, das ist natürlich ein aussagekräftiges Symbol, wie sich das für eine g’scheite Sage so gehört. Denn von einem ordentlichen Kerl, der nach München herein wollte, hat man schon erwarten dürfen, dass er Manns genug ist, den Kraftakt zu tun. Er hat sich »durch etwas durchbeißen müssen«, sich die Stadt sozusagen erst mal verdienen, erarbeiten und, vor allem: mit dem Herzen erschließen müssen*.
Wenn man sich nun einmal mit dem Finger ans Herz tippt, dann findet man vielleicht die Kette!
Wenn nicht, dann muss man halt noch eine Zeitlang danach suchen, dann ist einer »im Herzen« noch kein rechter Münchner, wenn er auch noch so angestrengt so tut.
Es ist erstaunlich, was Max Rohrer in einem Buch vom Jahre 1949 schreibt, also kurz nach Kriegsende, als es noch recht lange hin war zur Olympiade, der U-Bahn, dem Großflughafen, der »Szene München« und all dem modischen Schnickschnack, der uns mit »Münchnern« segnet, die von der Kette nichts wissen und selbst wie eine Kette aus Kletten das Stadtbild verkitten:
»Aber wann sie in den Straßen und den Ausstellungen und den ›Bräus‹, wie sie sagen, eine Weil umeinander spekulieren, oder gar wann sie sich in der Stadt heimisch einnisten wollen, da merken dann die mehreren doch, dass zwischen ihnen und dem wirklichen München eine eiserne Kette ist, die durchbissen sein will. Das sind aber die Bessern und Gescheitern unter den Zugereisten; die ganz Siebengescheiten meinen nämlich, dass sie mitten darinnen sind, und spannen durchaus nichts von einer Kette.«**
Übrigens ist es eine magische Kette, die München umgibt: Ein zauberwirksamer Kreis, dem keiner sich entziehen kann …
*Ganz schön viel Menschen, die aus einer Notlage heraus in der Stadt ihr Glück gesucht haben, die mussten sich tatsächlich sauber durchbeißen! Das ist heute nicht anders.
**Max Rohrer, Alt-Münchner Geschichten, München 1949, S. 8.
Der Schlafhaubenkramer
Wer den Liebfrauendom, das Wahrzeichen unserer Stadt München, besucht, der möge nicht nur den Teufelstritt unter der Orgelempore besichtigen und die grimmigen Winde des Teufels um die Ecken pfeifen hören, sondern auch daran denken, dass hier vor Zeiten ein Friedhof bestand, der »Frauenfreithof«, so wie er in alten Büchern genannt wird.
Darüber nun gibt es eine der lebendigsten und schaurigsten Sagen, die unsere Stadt zu bieten hat. Das ist die Sage vom »Schlafhaubenkramer«.
»Vor hundert und etlichen Jahren…«, wie wundersam doch altehrwürdige Überlieferungen sich auszudrücken vermögen! Also, sagen wir: Es war einmal, damals, als der alte Frauenfreithof noch bestand.
Dieser Ort galt damals als ganz und gar nicht geheuer, und jedermann mied die Stätte des Grauens. Die Stelle war so sehr verschrien, dass die schauerlichsten Spukgeschichten darüber in der Stadt herumerzählt wurden.
Eine davon ist die, dass ein Geist mit einer weißen Schlafhaube (so etwas trug man damals, wenn man zu Bette ging) den Friedhof beherrscht und unsicher gemacht haben soll:
Man muss wissen, in der Weinstraße, gegenüber dem alten Polizeigebäude, gab es damals einen Kramladen. Der Krämer, dem dieses Geschäft gehörte, der war in etwa das, was man heute einen »Gschaftlhuber« nennen würde. Immer und überall, wenn es g’schaftig etwas auszutragen galt, dann musste dieser Mensch mit der eingebauten inneren Unruhe mit dabei sein.
Der Krämer war, sobald er in seinem Geschäft stand, ein tüchtiger, geflissentlicher Kaufmann, nicht weniger tüchtig und pünktlich aber eilte er nach Ladenschluss zu seinen Trinkspezln, mit denen zusammen er beim Wirt tüchtig