Weischedels Minimaltheologie im Spiegel der Sprachkunst. Dieter Radaj. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dieter Radaj
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783429063030
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des Vonwoher nicht ausreichend bestimmt. Weitere Analogien sind erforderlich, um zu einem genaueren Begriff des Vonwoher zu gelangen.

      Eine erste positive Bestimmung des Vonwoher erfolgt über den Begriff des Vorgehens (analog ausgedrückt). Das Vonwoher tritt in seine Präsenz über die Erfahrung der fraglichen Wirklichkeit. Das Vonwoher bringt die Wirklichkeit in ihre Fraglichkeit. Dazu muss es die entsprechende Mächtigkeit (analog ausgedrückt) besitzen. Das mächtige Vorgehen liefert die Wirklichkeit dem Nichtsein aus und hält sie doch wieder im Sein. So wird das Sein über dem Abgrund des Nichtseins gehalten, und das macht den Schwebezustand der Wirklichkeit aus. Die Mächtigkeit des Vorgehens bedeutet jedoch kein mächtiges Seiendes, keinen mächtigen Geist und schon gar keine mächtige Person. Die Annahme eines allmächtigen Gottes würde der radikalen Fraglichkeit widersprechen.

      Der Begriff des mächtigen Vorgehens des Vonwoher ist noch zu formal. Es muss genauer bestimmt werden, in welcher Weise sich dieses Vorgehen vollzieht. Nach Weischedel vollzieht es sich als Erschüttern, als Im-Sein-Halten und als Erwirken des Schwebens (analog ausgedrückt). Das Vonwoher erschüttert in seinem Vorgehen das Bestehende, es liefert das Seiende (einschließlich der menschlichen Existenz) dem möglichen Nichtsein aus. Das fragliche Seiende hält sich dennoch im ständig gefährdeten Sein, das Sein im fraglichen Seienden kommt erst durch die Präsenz des Vonwoher zustande (jedoch nicht als schaffendes Prinzip). Schließlich gilt es, die abstrakte Trennung des vom Vonwoher Erwirkten in Sein und Nichtsein aufzuheben. Was eigentlich erwirkt wird, ist das Schweben zwischen den beiden Extremen; eben das macht die Wirklichkeit aus.

      Es stellt sich die Frage, ob nicht nur das Vorgehen des Vonwoher, sondern auch dieses selber durch analoge Bestimmung gekennzeichnet werden kann – über die Momente des Geheimnisses und der Mächtigkeit hinaus. Welche Strukturen sind dem Vonwoher zuzusprechen, damit es gerade so, wie beschrieben, vorgehen kann und nicht anders? Zum Vonwoher gehört das Sein schlechthin, durch das es über das Sein aller Weltwirklichkeit mächtig ist. Ebenso gehört die »Nichtigkeit« dazu, durch die es als Abgrund für die Weltwirklichkeit wirkt. Schließlich hält das Vonwoher das Sein und die Nichtigkeit in der Schwebe – in einem Prozess ständigen Auseinandertretens und Wiedervereinens. Das Vonwoher ist daher das Unfragliche über aller Fraglichkeit.

      So und nur so kann nach Meinung von Weischedel heute vom Gott der Philosophen gesprochen werden. Es ist dies kein unmittelbarer Gott, aber auch kein erdachter Gott. Es ist dies das Vonwoher, dessen Begriff aus der Betrachtung der Weltwirklichkeit entspringt, wenn diese als zugleich seiend, nichtseiend und schwebend angesehen wird. Der Gott der Philosophen – das Vonwoher – ist somit das absolute Schweben. Dieser Gott ist vermutlich umfassender, als was der menschliche Geist von ihm begreifen kann. So tritt am Ende an die Stelle des Redens das Schweigen.

      Zum vorstehend Ausgeführten ist noch eine Ergänzung notwendig. Bisher ist das Vonwoher ausschließlich unter dem Gesichtspunkt betrachtet worden, dass es in seinem Vorgehen Sein, Nichtsein und Schweben des Seienden ermöglicht. Jetzt muss auch noch das Vonwoher unter dem Gesichtspunkt von Sinn und Sinnlosigkeit betrachtet werden. Was Sein ermöglicht, ermöglicht auch Sinn, denn eben wenn Sein vom Vonwoher ermöglicht wird, wird ihm im Blick auf dieses Sinn verliehen. Das Vonwoher ist aber nicht nur als unbedingte Sinnermöglichung, sondern ebenso als unbedingte Sinnabgründigkeit zu verstehen. Also kann die Weltwirklichkeit – einschließlich des menschlichen Daseins – weder als eindeutig sinnhaft noch als eindeutig sinnlos wahrgenommen werden.

      Abschließend stellt Weischedel die Frage nach der Zeitlichkeit bzw. Ewigkeit des Vonwoher. Da das Vonwoher selber ein Vorgehen ist, muss es aus menschlicher Sicht zeitlich gedacht werden. Möglicherweise muss aber gerade diese Aussage analogen Denkens zurückgelassen werden, zumal ein zeitliches, also begrenztes Absolutes schwer vorstellbar ist. Andererseits ist das angesprochene Schweben nur als zeitlicher Prozess vorstellbar, zumindest in der Weltwirklichkeit. So muss die Frage nach der Zeitlichkeit oder Ewigkeit des Vonwoher offen bleiben.

      Der christliche Gottesbegriff unterscheidet sich von Weischedels Vonwoher. Der Transzendenz Gottes steht die Immanenz des Vonwoher gegenüber, bedingt durch dessen Bezug auf die Fraglichkeit der Weltwirklichkeit. Eine verborgene innerweltlich-göttliche Region wird zwar nicht ausgeschlossen, es wird aber keine Möglichkeit gesehen, darüber eine begründete Aussage zu machen. Unvereinbar mit der philosophischen Theologie des Vonwoher ist auch die Aussage der christlichen Theologie, Gott sei wesensmäßig Person und Geist. Schließlich ist die Offenbarung Gottes in Menschwerdung, Kreuzestod und Auferstehung Jesu Christi im Rahmen der philosophischen Theologie des Vonwoher nicht nachvollziehbar.

      Die aufgezeigten Gegensätze im Gottesbegriff sind in den ganz unterschiedlichen, zum Ausgangspunkt gewählten Grunderfahrungen begründet – in der christlichen Religion das persönliche Angesprochensein des Menschen durch den als Person erfahrenen Gott, in der philosophischen Theologie des Vonwoher die denkerisch festgestellte Fraglichkeit der Weltwirklichkeit. Die philosophische Theologie sieht ihre Aufgabe daher darin, auf das aufmerksam zu machen, was auf Basis des Denkens verantwortlich über Gott ausgesagt werden kann.

      Die philosophische Theologie des Vonwoher hat nach Weischedel eher Berührungspunkte mit der philosophischen Theologie von Hegel. Übereinstimmend wird festgestellt, dass die erfahrbare äußere und innere Wirklichkeit auf etwas anderes verweist: bei Hegel auf den absoluten Geist bzw. bei Weischedel auf das Vonwoher der Fraglichkeit, das eigentlich Wirkliche in aller faktischen Wirklichkeit. In beiden Fällen ist damit keine Transzendenz gemeint: Der absolute Geist ebenso wie das Vonwoher sind in der faktischen Wirklichkeit anwesend. Beide philosophischen Theologien kennen des Weiteren eine Art von unmittelbarer Berührung mit dem eigentlich Wirklichen: die Erhebung des Geistes vom Endlichen zum Unendlichen bei Hegel; dem ist gegenüberzustellen das Vorgehen des Vonwoher durch alles fragliche Wirkliche hindurch bei Weischedel.

      Erheblicher als die Übereinstimmungen sind jedoch die Unterschiede. Hegel setzt bei der allein als geistig verstandenen Wirklichkeit ein; dem ist gegenüberzustellen die Wirklichkeit als Fraglichkeit. Hegel meint, mittels der Erhebung der Vernunft vom Endlichen zum Unendlichen, vom Zeitlichen zum Ewigen gelangen zu können; dem ist gegenüberzustellen das Verbleiben im Endlichen bzw. Zeitlichen. Hegel begreift das ermöglichende Prinzip der rein geistigen Wirklichkeit als absoluten Geist oder Gott; dem ist gegenüberzustellen die Zurückweisung geistiger Phänomene als Eigenschaften Gottes. Hegel leitet die Weltwirklichkeit aus einem obersten Prinzip ab, nämlich aus der dialektischen Struktur des absoluten Geistes; dem ist gegenüberzustellen das Vorgehen des Vonwoher ohne Aussage über die Weise der Ermöglichung des Wirklichen und über dessen Struktur.

      Eine enge Beziehung sieht Weischedel dagegen zwischen seiner philosophischen Theologie des Vonwoher und der philosophischen Theologie von Schelling. In dessen Begriff Gott wird innergöttlich zwischen Existenz, Grund der Existenz und Ungrund unterschieden – das entspricht den Momenten des Seins, der Nichtigkeit und des Schwebens im Begriff des Vonwoher der Fraglichkeit. Im Unterschied zu Hegel und in Übereinstimmung mit dem Konzept des Vonwoher wird das oberste Prinzip nicht einseitig als Geist aufgefasst. Aber auch in Schellings philosophischer Theologie sind die Unterschiede zum Vonwoher erheblicher als die Übereinstimmungen: Die Wirklichkeit wird nicht als fraglich gesehen, das Ziel ist eine der Zeit enthobene Sphäre, Existenz als geistige Existenz und Grund der Existenz als Natur in Gott sind positiv bestimmt, und die Struktur der Weltwirklichkeit wird aus einem absoluten Prinzip hergeleitet.

      Abschließend werden die Folgerungen hinsichtlich Weltwirklichkeit und Menschenbild mitgeteilt, die sich nach Weischedel aus der philosophischen Theologie des Vonwoher ergeben.

      Weltwirklichkeit ist nicht selbstverständliches Bestehen, sondern Fraglichkeit. Sie tritt unter den Aspekt des Vorgehens des Vonwoher. Ermöglichend ist das Vorgehen im Ermöglichten anwesend – also kein Schöpfungsgedanke im christlichen Sinn. Die als fraglich angesehene Weltwirklichkeit verschafft dem Menschen eine absolute Distanz, die es ihm gestattet, aus den welthaften Verstrickungen herauszutreten, einmündend in die wesenhafte Freiheit des Menschen. Neben der Grundhaltung der distanzierten Freiheit ergeben sich im Hinblick auf die drei Momente im