112. Später, nach Verfuß von drei Jahren, wurde auf fünf Jahre von den Peloponnesiern und Athenern ein Waffenstillstand geschlossen: und die Athener stellten jetzt die Feindseligkeiten in Hellas ein: dagegen machten sie unter Unführung des Simon mit zweihundert eigenen und Bundesgenossen-Schiffen einen Zug gegen Cypern. Sechzig Fahrs. zeuge von diesen segelten nach Egypten, da Amyrtäus, der Fürst in den Sumpfgegenden, fie eingeladen hatte: die übrigen belagerten Sition. Als aber Timon starb13, und Hungersnoth eintrat, so zogen sie sich von Tition zurück, und fuhren auf die Höhe von Salamis in Sypern, und lieferten den Siliciern und Phöniciern eine See- und Landschlacht: und nach doppeltem Siege zogen sie in die Heimath zurück, nebst den aus Egypten wiedergekehrten Schiffen. Die Lacedämonier zogen hierauf zu dem sogenannten heiligen liriege aus, und bemächtigten sich des Tempels zu Delphi, und übergaben ihn den Delphiern. Später, als sie abgezogen waren, rückten die Athener ein, gewannen die Oberhand, und übergaben den Tempel wieder den Phoceern.
113. Nach Verfluß einiger Zeit (447 v. C.), als Böotische Verbannte Orchomenus und Chäronen und einige andere Plätze Böotiens besetzten, zogen die Athener mit tausend Schwerbewaffneten und verhältnismäßig gestellten Schaaren der Bundesgenossen gegen diese Orte, die man als feindlich ansah, unter Anführung des Tolmides, des Sohn von Tolmäus. Sie eroberten Chäronea, und nachdem sie eine Besatzung dorthin gelegt, zogen sie wieder ab. Aus dem Zuge aber wurden sie bei Coronea von den verbannten Böotiern aus Orchomenus und den Lokriern, die es mit diesen hielten, und den Euböischen Ausgewanderten, und wer sonst zu dieser Partei gehörte, angegriffen. Diese siegten im Treffen, und tödteten einen Theil der Athener, den andern nahmen sie gefangen. Die Athener räumten hierauf nach geschlossenem Vertrage ganz Böotien, unter der -Bedingung, daß man die Ihrigen wieder frei ließe; und die Verbannten der Böotier, die wieder eingesetzt wurden, und die übrigen Alle wurden wieder unabhängig.
114. Bald darauf (446 v. C.) fiel Enböa von den Athenern ab. Und als bereits Perikles mit einem Athenischen Heere dorthin übergesetzt hatte, erhielt er Nachricht, daß Megara abtrünnig geworden, und die Peloponnesier im Begriff seien, in Attika einzufallen, und die Beratung der Athener von den Megareern niedergemacht worden sei, die ausgenommen, welche sich nach Nisäa geflüchtet. Die Megareer hatten nämlich ihren Abfall mit Hülfe der Korinther, Sikyonier und Epidaurier bewerkstelligt. Perikles aber führte schleunig sein Heer von Euböa zurück. Hierauf machten die Peloponnesier einen Einfall in Attika nach Eleusis und auf das Thriasische Feld, und verheerten es unter Aluführung des Lacedämonischen Königs Pleistoanar, des Sohns von Pausanias. Weiter rückten sie aber nicht vor, sondern zogen nach Hause zurück. Die Athener setzten nun wieder nach Euböa über, unter Anführung des Perikles, und brachten die ganze Insel zur Unterwerfung. Dem übrigen Theile gaben sie eine durch Vertrag bestimmte Verfassung; die Hestiäer aber vertrieben sie, und behielten ihre Ländereien für sich.
115. Nicht lange nach dem Abzuge von Euböa (445 v. CH.) schlossen sie auf dreißig Jahre einen Frieden mit den Lacedämoniern und ihren Bundesgenossen, und gaben Pegä Nisäa, Trözen und Achaja zurück. Denn diese Theile des Peloponneses hatten die Athener inne. Nach sechs Jahren ( 440 v. C. ) erfolgte ein Krieg zwischen den Samiern und Milesiern wegen Priene: und da die Milesier in diesem Kriege Verlust hatten, so wandten sie sich an die Athener, und beschwerten sich über die Samier. Es unterstützen sie aber auch einzelne Bürger aus Samos selbst, die eine Aenderung in der Verfassung wünschten. Die Athener regelten nun mit vierzig Schiffen nach Samos, setzten dort eine Volksregierung ein, und nahmen von den Samiern fünfzig Kinder und eben: so viele Männer zu Geiseln, brachten diese nach Lemnos und ließen eine Besatzung in Samos, und zogen wieder ab. Einige Samier aber waren nicht da geblieben, sondern hatten sich auf das Festland geflüchtet: diese schlossen mit den Angesehensten in der Stadt und mit Pissuthnes, dem Sohne des Hystaspes, der damals Statthalter von Sardes war, einen Bund, brachten gegen siebenhundert Mann Hülfsvölker zusammen, und setzten bei Nacht nach Samos über. Und zuerst erregten sie einen Aufstand gegen die Mitglieder der Volksregierung, und bemächtigten sich der Meisten: sodann entführten sie die aus ihrer Mitte genommenen Geiseln von Lemnos, erklärten den Abfall, und überlieferten die Beratung der Athener und die Beamten, die bei ihnen waren, dem Pissuthnes, und rüsteten sich alsbald zum Kriegszuge gegen Milet. Mit ihnen fielen auch die Byzantier ab.
116. Als die Athener dieß hörten, so segelten sie mit sechzig Schiffen gegen Samos, wovon sie aber sechzehn hier nicht gebrauchten: denn diese waren zum Theil gegen Karien auf Kundschaft gegen die Phönicischen Schiffe ausgelaufen, zum Theil nach Chios und Lesbos, um Hülfe zu holen. Sie lieferten nun mit sechs und vierzig Schiffen unter der Anführung von Perikles und neun andern, bei der Insel Tragia siebenzig Samischen Schiffen ein Seetreffen, wovon zwanzig mit Landtruppen bemannt waren: alle aber waren von Milet hergekommen. Die Athener trugen Hier den Sieg davon. Später stießen zu ihnen noch vierzig Athenische und fünf und zwanzig Schiffe von Chios und Lesbos; nun landeten sie, gewannen ein Landtreffen, und umgaben die Stadt Samos von drei Seiten mit Belagerungswerken, und schlossen sie zugleich zur See ein. Perikles aber nahm sechzig Schiffe von denen, die dort vor Anker lagen; und regelte schnell gegen Kannus (jetzt Kaigues an der Küste von Natolien) und Karien hin, da man ihm gemeldet hatte, daß Phönicische Schiffe gegen die Athener ausgelaufen seien. Es war auch aus Samos Stefagoras und Andere mit fünf Schiffen den Phönicifchen entgegengefahren.
117. Indessen liefen die Samier unerwartet aus, übers fielen das Athenische Geschwader, das zur Gegenwehr nicht gefaßt war, zerstörten die Wachschiffe, besiegten in einem Seetreffen die Schiffe, die zum Kampfe sich entgegenstellten, und waren vierzehn Tage lang Meister des Meeres in ihrer Umgegend, so daß sie nach Gefallen die Ein- und Ausfuhr betreiben konnten. Als aber Perikles zurückkam, so wurden sie wieder von seiner Flotte eingeschlossen: auch kamen ihm später vierzig Schiffe unter Thucydides,14 Hagnon und Phormion, und zwanzig unter Tlepolemus und Antikles, Hund von Chios und Lesbos dreißig zu Hülfe. Die Samier versuchten noch ein kleines Seetreffen zu liefern: da die sich aber nicht behaupten konnten, so wurden sie nach neun Monaten durch die Belagerung genöthigt, sich zu ergeben. Die Vertragsbedingungen waren, daß sie ihre Mauern niederreißen, Geiseln stellen, Schiffe ausliefern und die aufgewendeten Kosten in bestimmten Fristen erstatten sollten. Auch die Byzantier ergaben sich unter der Bedingung, daß sie, wie zuvor, Athen unterworfen sein sollten.
118. Darnach, erfolgten, wenige Jahre später,15 die oben erwähnten Begebenheiten, welche Corcyra und Potidäa betrafen, und alles das, was zu diesem Kriege den Vorwand gab. Dieß alles, was die Hellenen in ihren gegenseitigen Verhältnissen und wider die Perser thaten, umfaßt einen Zeitraum von etwa fünfzig Jahren zwischen dem Rückzuge des Xerres und dem Anfange des Peloponnesischen Krieges. In dieser Zeit begründeten die Athener ihre Oberherrschaft immer fester, und gediehen zu großer innerer Macht. Wiewohl nun dieß von den Lacedämoniern nicht unbemerkt blieb, so leisteten sie doch nur kurzdauernden Widerstand, und verhielten sich, die meiste Zeit ruhig, theils weil sie von jeher gewohnt waren, nicht rasch zum Kriege zu schreiten, wenn man sie nicht dazu nöthigte, theils, weil sie auch durch einheimische Kriege verhindert waren: bis endlich die Macht der Athener sich auffallend erhob, und ihre Bundesgenossenschaft antastete. Nun glaubten sie, es nicht länger ertragen, sondern mit allem Eifer Hand ans Wert legen zu müssen, um, wo möglich durch Unternehmung dieses Kriegs, jene Macht zu stürzen. Die Lacedämonier selbst hatten sich nun dahin entschieden, daß der Friede gebrochen sei, und die Athener Unrecht haben. Doch schickten sie nach Delphi, und befragten den Gott, ob, wenn sie Krieg begännen, der Vortheil ihnen zufallen würde. Er aber ertheilte, wie man sagt, die Antwort: es werde ihnen, wenn sie mit Nachdruck kämpfen, der Sieg zu Theil werden: er selbst aber werde, gebeten oder ungebeten, ihnen beistehen.
119. Sie beriefen nun abermal ihre Bundesgenossen zusammen, um abstimmen zu lassen, ob