Verbena II. Ruth Anne Byrne. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ruth Anne Byrne
Издательство: Bookwire
Серия: Verbena
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783944788982
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rieb sie meine Strähnen an die Stämme der Bäume. Ein letztes Mal trafen sich unsere Blicke, bevor sie ins Dorf zurücklief.

       KATZENJAMMER

      Bis über die Knie reichte mir das eisige Wasser des Moosbachs. Durch die Äste der Uferböschung sah ich die Burg blitzen. Erhaben stand sie auf ihrem Felsen, schaute ins Tal herab. Die Höhle des Drachen.

      Dort musste ich hinein, unbemerkt, wenn ich Alraune retten wollte.

      Von jenseits des anderen Ufers hörte ich die Hunde anschlagen. Sie waren nahe, sicher schon dort, wo Fria mir die Haare geschnitten hatte.

      Ich stieg aus dem Bach, kroch durch das Gebüsch, lehnte mich an die Mauer der Mühle. Keine Zeit zu verschnaufen. Aber wie konnte ich mich unerkannt durch Seggensee schlagen? Wie in die Burg hineinkommen?

      Da hörte ich eine Stimme. Sie war kaum zu verstehen, klang mehr wie zahnloses Nuscheln. Das musste der alte Gerwin sein.

      Vorsichtig schob ich mich zur Ecke der Hausmauer, warf einen Blick den Uferweg entlang Richtung Spelzendorf. Niemand zu sehen. Dann wagte ich, um die Ecke zu lugen. Da saß der alte Mann, auf der Bank vor dem Haus, seinen Blindenstock an die Schulter gelehnt.

      »Gibt’f doch nicht … fum Henker!«, murmelte er vor sich hin.

      Sprach er mit jemandem? War irgendwer im Haus? Es sah nicht so aus.

      Das Bellen wurde lauter.

      Mutter des Lebens, sie waren sicher schon wieder auf dieser Seite des Bachs! Wenn sie mich hier fanden … ich konnte nicht verweilen.

      Vorsichtig setzte ich einen Fuß vor den anderen. Ich musste an Gerwin vorbei, über die Felder, Richtung Burg. Die Tür des Nachbarhauses knarrte. Ich stand auf offener Straße, hatte kein Versteck.

      »Hallo, ift da wer?«, rief der alte Gerwin.

      Ohne zu überlegen, huschte ich durch die offene Tür der Mühle, kauerte mich hinter einen Schrank.

      »Gerwin, alles in Ordnung?«, hörte ich eine Frau draußen sagen.

      »Fieglind?«

      »Ja, mein lieber Herr Nachbar, ich bin’s!«

      »Fetf dich fu mir!«

      Das auch noch. Die Hunde würden gleich da sein und ich war in der Mühle gefangen!

      Neben mir rieben die schweren Mühlsteine gegeneinander. Feiner Mehlstaub bedeckte alles im Raum. Alles, bis auf die Spuren meiner nassen Schuhe …

      Was, wenn Sieglind hereinschaute?

      Ich bewegte die klammen Zehen, sah hinunter auf die Lache, die sich rund um meine Füße bildete.

      »Wahnfinn, daf mit Alraune«, sagte Gerwin draußen und ich horchte auf, bemüht, das Gespräch der beiden über das stetige Schaben der Mühlsteine hinweg zu verstehen.

      »Ach was, höchste Zeit! Vor allem bei der Kleinen habe ich mir das schon immer gedacht.«

      »Verbena meinft du?«

      »Ja, widerliches Findelkind dieses.«

      Ich schnappte nach Luft.

      »Hat fich nie geklärt, wo die herkam, oder?«

      »Wie ein Kuckuck ins Nest gesetzt hat sich die. Kein Wunder, dass dann herauskommt, dass sie eine Begabte ist. Ihrer Mutter war das wohl von Anfang an klar, sonst hätte sie sie nicht weggegeben. Alraune hätte sie nie aufnehmen dürfen. Das hat sie jetzt davon. Na ja, gleich und gleich gesellt sich gern, vermute ich mal.«

      Ich ballte die Fäuste. Was bildete sich dieses Weib ein?

      »Meinft du, Alraune auch?« Wenigstens in Gerwins Stimme vernahm ich einen gewissen Unglauben.

      »Auf jeden Fall. Wie die mich angesehen hat damals, dieser durchdringende Blick, als ob sie durch mich hindurchschauen könnte. Ich bekomme jetzt noch Gänsehaut, wenn ich nur daran denke! Gut, dass Korvinus sich darum kümmert.«

      Woher kam diese Bosheit?

      In meiner Tasche grummelte es.

       Oh, nein … Malve, bitte nicht!

      Hatten sie das gehört? Ich hielt still, hoffte inständig, dass es vom Lärm der Mühlräder überdeckt worden war.

      Meine Hand in der Tasche, versuchte ich, Malve zu beruhigen. Sollten sie doch reden, was sie wollten! Sie würden schon sehen, wie es war, ohne kundige Heilerinnen in der Gegend. Sieglinds brüchige Haut an den Fingern würde ohne Alraunes Salbe spätestens in einem Mond so wund sein, dass sie gar nichts mehr angreifen konnte.

      Wieder murrte Malve.

      Du musst mich nicht jedes Mal retten.

      Aber ich war die, die sich beruhigen musste! Sonst würde er nicht aufhören. Es war jedes Mal das Gleiche.

      Da steckte er seinen Kopf aus der Tasche.

      O nein, Malve, bleib wo du bist.

      Doch schon kletterte er meinen Mantel hinauf. Ich drückte ihn und strich ihm über den Rücken. Wie seidig sich sein Fell anfühlte. Bewusst dachte ich nur an dieses Gefühl, versuchte, Malve meinen Ärger vergessen zu lassen.

      Konnte die blöde Frau nicht endlich gehen?

      Und die Hunde, sollten sie nicht längst hier sein?

      Malve wand sich aus meinen Armen.

       Mist!

      Er wieselte sich frei und kletterte auf meine Schulter. Ich griff nach ihm, doch er glitt mir durch die Finger, sprang auf den Schrank und weiter ins Gebälk der Mühle.

       Sei leise, habe ich gesagt!

      Ich griff zu meinem Amulett.

      »… Lieferung für die Burg verfpätet.«

      »Ach was, die sind doch alle mit der Treibjagd beschäftigt!«

      »Ha, ftell dir vor! Ludovika mit dem Nudelholf im Wald …« Die beiden lachten.

      Ich rollte die Augen. Dann fiel mein Blick auf die gestapelten Mehlsäcke. War das die Lieferung für die Burg? Daneben hing ein weiß angestaubter Mantel.

      Ein Grinsen schlich sich auf mein Gesicht.

      Da sah ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung durch den Spalt einer angelehnten Tür. Einen Schatten.

      War da doch noch jemand?

      Ich presste mich hinter den Schrank.

      Die Tür bewegte sich, wurde aufgedrückt.

      Herein kam ein dicker, gefleckter Kater. Er legte den Kopf schief und begutachtete mich misstrauisch. Dann wandte er den Blick ab und sah in den Dachstuhl hinauf. Er plusterte sich auf und raunte drohend nach oben.

      Malve hielt mitten auf einem Balken inne und sah herunter. Seine schwarzen Knopfaugen weiteten sich. Er legte die Ohren an.

      Der Kater tänzelte mit riesigem Buckel und buschigem Schwanz an mir vorbei, ließ tiefe, gutturale Töne hören.

      Ich war geliefert!

      Bevor ich mich versah, sprang der Kater in die Dachbalken hinauf – erstaunlich behände für sein Gewicht.

      »Bei Mavanja, was ist denn da los?« Draußen kam Bewegung in die Leute.

      »Geh fauen bitte!«

      Oh nein, das durfte nicht passieren! Sieglind durfte nicht hereinkommen …

      Fest umschlossen hielt ich das Amulett, suchte nach Malves Geist. Ich spürte seine Furcht, fand meine eigene darin gespiegelt. Durch Malves Augen sah ich, wie hoch oben im Dachstuhl der fette Kater auf ihn zu kam. Er wog sicher dreimal so viel wie mein Marder. Was für ein Raubtier! Die Ohren angelegt, drohte er, fuhr seine Krallen aus.