Und jetzt bringe ich einen anderen Aspekt in Ihre Planung ein: Aus neurophysiologischer Sicht wäre der ideale Beginn ein Zeitpunkt, zu dem Sie am stressfreisten, schmerzärmsten und stimmungsvollsten sind. Vielleicht staunen Sie jetzt. Es ist eine Tatsache, dass Ihr Gehirn die größte Empfänglichkeit für neue Impulse zeigt, wenn Sie „gut drauf“ sind, sich in Ihrer „Hochform“ oder Ihrer besten Verfassung befinden. Das mag der menschlichen Logik widersprechen, weil der Antrieb zu Veränderung dann am massivsten ist, wenn Dinge schwierig sind und die Nachfrage nach Lösungen am meisten drängt. Doch dann, und das mag Ihnen einleuchten, ist das Gehirn am wenigsten dazu bereit, seine Strategien der Informationsverarbeitung zu revidieren. Während es Probleme lösen muss, verlässt es sich lieber auf die eingespielten Mechanismen und ist weniger bereit, neue und deshalb unsichere Impulse entgegenzunehmen.
Ein Beispiel: Erfahrungsgemäß klagen viele von Rückenschmerz betroffene Klienten über zunehmende Beschwerden im Herbst und Winter. Das ist nachvollziehbar, weil die Muskeln in dieser Zeit der Kälte wegen angespannter und deshalb bei eh schon angespannten Menschen noch weniger funktionstüchtig sind. Vielen vom „November-Blues“ betroffenen Menschen ist das bekannt. Hinzu kommt, dass der Vorweihnachtsstress der Anspannung noch eins draufsetzen kann und die Kürze der Tage mit wenig Licht nicht unbedingt für Stimmungshochs sorgt. Ich kenne eine Reihe von Klienten, die dieser Zeit jährlich mit Grauen entgegensehen, weil sie sich nicht nur psychisch herausgefordert fühlen, sondern weil sich ihr Schmerz dann am unkooperativsten verhält. Logischerweise würden sie die Schmerzkur bewusst in diese Zeit legen, weil sie sich davon die größte Hilfe beim Durchleben der dunklen Wochen erhoffen. Das können sie natürlich versuchen. Doch intelligenter wäre es, wenn sie das Schmerzprogramm bewusst so einfügen, dass es kurz vor den „grauen“ Tagen liegt.
Vielleicht mag es Ihnen absurd erscheinen, zu einer Zeit mit dem Programm zu beginnen, in der Sie es gar nicht dringend finden. Doch es ist zu kurzsichtig gedacht, genau dann Veränderung einzuleiten, wenn das physische Desaster in vollem Gange ist. Versuchen Sie sich einmal in die Lage Ihres Gehirns zu versetzen, was ich Ihnen ohnehin während des Schmerzprogramms des Öfteren ans Herz legen möchte: Wie soll es gewohnte Prozesse umorganisieren, wenn es herausgefordert, beansprucht oder gestresst ist und physisch in der Klemme steckt?
Ein treffendes Beispiel sind die Raucher: Wenn sich jemand das Rauchen abgewöhnen möchte, empfiehlt man ihm auf keinen Fall, dies in einer stressigen oder besonders beanspruchten Zeit zu tun. Hier ist leicht nachzuvollziehen, dass der Entzug am besten in einer „ruhigeren Zeit“ gelingt. Und so ist es auch in der Schmerzintervention: Schauen Sie einmal, ob Sie das Programm so einfügen können, dass Sie es nicht inmitten einer physischen Krisenzeit, eines Schmerzschubs oder in der größten Aufgewühltheit beginnen. Ein massiver Teil der Impulse würde zunächst in die ersten „Rettungsmaßnahmen“ fließen müssen, ohne dass die eigentliche Schmerzintervention zum Tragen käme.
Deshalb: Wählen Sie einen Termin, an dem Ihnen ein guter und ermunternder Auftakt am besten gelingt. Viele gesundheitliche Schäden, chronische Erkrankungen und insbesondere langwierige Schmerzen könnten kürzere und weniger dramatische Verläufe nehmen, wenn neuronale Veränderungen in einer günstigen und vergleichsweise „besseren“ Zeit eingeschleußt würden.
Begleitende Therapie
Nachdem Sie den Zeitraum für das Schmerzprogramm nun schon eingekreist haben, werfen Sie einen Blick auf etwaige Termine bei Therapeuten, Masseuren, Heilern, Heilpraktikern oder bei Ihrem behandelnden Arzt. Stellen Sie sicher, dass Sie während der Zeit des Schmerzprogramms keine neuen Behandlungsformen einleiten oder Anwendungen mit extremen Impulsen planen, die den Schmerz provozieren könnten.
Vergewissern Sie sich außerdem, dass Spitzenbelastungen, grenzwertige Bewegungen, das betonte Stretchen der Muskeln sowie jegliche Anwendungen oder Manipulationen im Schmerzgebiet unterlassen werden. Neue, und vor allem gegensätzliche Impulse können Ihr Gehirn verwirren und Ihnen einen klaren Effekt verbauen. Auf den Punkt gebracht: Verzichten Sie während des Programms auf therapeutische Experimente und jede Art von physischen Extremen.
Bekannte und gewohnte Therapien können Sie währenddessen weiterführen. Da Sie mit deren Effekten vertraut sind, sind Sie in der Lage, zu unterscheiden, welche Reaktionen Sie welcher Anwendung zuordnen können. Ideal wäre es, wenn Ihr Behandler ein offenes Ohr für Ihre „private Schmerzkur“ hat oder idealerweise sogar selbst meditiert. Falls Sie Schmerzmedikamente einnehmen, wäre es generell das Beste, wenn Sie Ihren Arzt ins Boot holen. Dazu erfahren Sie im zweiten Kapitel mehr.
Ermutigung
Falls es für Sie komplett abwegig ist und Sie von therapeutischer Seite aus eher Steine in den Weg gelegt bekommen und eher ent- als ermutigt werden, empfehle ich Ihnen, absolut unumgehbare Termine nicht unbedingt in die ersten zwei Wochen des Programms zu legen. In dieser Phase ist die Wahrscheinlichkeit am größten, dass Ihre Explorationen noch neu und uneinschätzbar für Sie sind. Mitunter kann eine einzige unachtsame Bemerkung von außen den Schwung aus Ihrem Vorgehen ziehen. Besonders wenn Veränderungen noch leise sind, haben unsachgemäße Kommentare allemal die Kraft, Ihre Erfahrung mit einem Mal verpuffen zu lassen, vor allem, wenn sie von medizinischen Fachkräften stammen. Nicht alle Menschen aus dem therapeutisch-medizinischen Bereich stehen der Meditation positiv gegenüber. Ich kenne einige Klienten, bei denen wir uns sehr lange um solche ins Denken „eingebrannten“ Sätze kümmern mussten, die ihnen bezüglich der Meditation gesagt wurden.
Schmerzlösung live
Mareike
solle doch bitteschön solchen Blödsinn (das Meditieren) unterlassen und sich in professionelle Hände begeben.
Hildegard
wurde gesagt, dass sie zu alt für jegliche Intervention sei und dass sie sich nicht in solchen „Eso-Quatsch“ verrennen solle. Es sei ja schon gut, dass sie ihre „degenerativen“ (also altersbedingten) Schmerzen erst mit Mitte fünfzig bekommen habe. Andere Menschen seien da schon viel früher fällig.
Michaela
gab man keinen Folgetermin mehr, weil bei ihr „sowieso nichts mehr zu machen“ sei. Sie solle sich endlich damit abfinden, dass ihre Nackenwirbel verschlissen seien und sie die einer Sechzehnjährigen sowieso niemals wiederbekomme. Den ganzen Aufwand (das Anwenden von Körperbewusstheit) könne sie sich sparen. Wenn es wirklich helfen würde, hätte man schon mehr davon gehört.
Zurück zur Programmplanung: Vermeiden Sie mindestens in den ersten zwei Wochen Besuche bei Ärzten oder Fachkräften, von denen Sie sich solche oder ähnlich gelagerte Sätze einfangen könnten. Diese werden sehr schnell zu inneren Barrieren, die Sie, wenn auch subtil, immer irgendwie zweifeln lassen: „Vielleicht hatte diese Person ja doch recht …“, „Vielleicht muss ich mich tatsächlich mit meiner Situation abfinden …“, „Vielleicht ist wirklich alles schon zu spät …“
Wenn sich solche Befürchtungen einmal im Kopf eingenistet haben, sind sie allemal kräftig genug, das Schmerzprogramm zu sabotieren. Nein, ich übertreibe nicht! Ich habe es einige Male „live“ miterlebt. Und vielleicht wissen Sie ja bereits aus eigener Erfahrung, wie machtvoll destruktive und verunsichernde Bewertungen sein können, die einmal damit begonnen haben, dauerhaft in Ihren Gedanken zu kreisen.
Machen Sie sich immer wieder bewusst, dass Sie mit dem Absolvieren des bewusstheitsorientierten 30-Tage-Programms zu den Wegbereitern in Sachen Schmerzintervention zählen und Sie deshalb besonders stark auf Ihren Eigeninstinkt angewiesen sind. Wachen Sie genaustens darüber, wie Sie Ihre Erfahrungen hüten und Ihre positive Grundstimmung pflegen.
Behandlungen
Welche Methoden denn mit der Schmerzkur am besten harmonieren, werde ich nicht selten gefragt. Das ist eine berechtigte Frage, die aber auch nicht ganz leicht zu beantworten ist. Denn es kommt weniger auf die Methode als solche an, sondern darauf, WIE sie appliziert wird.
Eine begleitende Massage beispielsweise kann etwas