4 https://en.wikipedia.org/wiki/Yuval_Noah_Harari.
5 Ders., »Eine kurze Geschichte der Menschheit«. München: dva 2013.
6 Ders., »Homo Deus. Eine Geschichte von morgen«. München: C.H. Beck Verlag, 2017.
7 Etwas paradox, weil Achtsamkeit ja so viel mehr ist als Denken und orthogonal dazu verläuft. Bewusstheit und Denken schließen sich natürlich gegenseitig nicht aus und können einander, richtig verstanden, enorm ergänzen und bereichern. »Orthogonal« heißt in diesem Kontext, dass Achtsamkeit oder Bewusstheit eine unabhängige Dimension oder ein Bereich ist, zur gleichen Zeit relevant wie das Denken und fähig, einen anderen Standpunkt zu liefern, der alles Denken beinhalten kann. Mehr zum Thema »Orthogonalität« im Buch 3, »Das heilsame Potenzial der Achtsamkeit«, Seite 69 – 87.
8 Siehe Band 1, S. 257ff: »Leere«.
9 Im Original der Neologismus heartfulness analog zu mindfulness. Mindful ist »achtsam«, und dieses hat mit -sam eine Sprachwurzel, die bedeutet, dass »die Person oder Sache von etwas erfüllt ist«, deshalb: »Herzerfülltheit«. (Anm. d. Übers.)
10 »kindfulness« analog zu »mindfulness«. Im Deutschen gibt es dafür m.E. kein gut funktionierendes Wortspiel. (Anm. d. Übers.)
11 Und vielleicht ist es, aufgrund epigenetischer Signalwege, auch ein biologischer Evolutionsprozess.
12 Siehe z. B. MacLean, Nancy, Democracy in Chains. The Deep History of the Radical Right’s Stealth Plan for America. New York, NY: Viking, 2017. Ebenso: Chomsky, Noam, Chomsky on Mis-Education. Lanham, MD: Rowman & Littlefield, 2000.
13 Siehe: Rosling, Hans, Factfulness: Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist. Berlin: Ullstein Verlag, 2018. Pinker, Steven, Aufklärung jetzt. Für Vernunft, Wissenschaft, Humanismus und Fortschritt. Frankfurt a.M.: S. Fischer Verlag, 2018.
14 Vgl. Band 3 dafür, wie entscheidend diese dabei sein kann, unsere persönliche Lebensweise wieder zu finden, sie zu heilen und weiterzuentwickeln.
15 Zinn, Howard, Schweigen heißt Lügen: Autobiografie. Hamburg: Edition Nautilus, 2010. Siehe auch das Zinn Education Project (ZEP): https://www.zinnedproject.org/.
Teil 1
Die Heilung des politischen Gemeinwesens
Die beste Form der Macht ist Liebe,die die Forderungen der Gerechtigkeitverwirklicht, und die beste Form derGerechtigkeit ist Macht, die alles korrigiert,was der Liebe im Weg steht.
MARTIN LUTHER KING
Die Heilung des politischen Gemeinwesens
Alles, worüber wir in den ersten drei Bänden dieser Reihe, im Laufe unserer Erkundung der Achtsamkeit auf der persönlichen Ebene, gesprochen haben, trifft genauso gut auf unser Verhalten als Land und als Spezies in der Welt zu. Schauen Sie sich irgendein aktuelles Ereignis an. Wissen wir eigentlich, was wirklich vor sich geht? Oder bilden wir uns einfach eine Meinung, die auf unserem Ver- oder Misstrauen gegenüber bestimmten Nachrichtenkanälen beruht, auf reflexartigen Vorlieben und Abneigungen, die uns dazu bringen, uns bestimmte Narrative zu eigen zu machen und andere schnurstracks zurückzuweisen, was uns im Freund-Feind-Denken gefangenhält, in Vorlieben und Abneigungen, darin, dass wir uns gewisse Dinge wünschen und andere fürchten, gefangen in der oberflächlichen Erscheinung der Dinge oder darin, dass wir uns lediglich vorstellen, was unter der Oberfläche geschieht, ohne es, wenn man es genau nimmt, wirklich zu wissen?
Hier kommt die Herausforderung: Können wir die nichtduale Perspektive des achtsamen Gewahrseins auf das anwenden, was in der Welt vor sich geht, und darauf, wie wir als integrale Einheit (Zelle) des politischen Gemeinwesens, das unsere Gesellschaft und unser Land darstellt, mit der Welt interagieren (egal, in welchem Land wir wohnen oder mit welchem wir uns identifizieren)? Können wir zum Beispiel, wenn es um »die Nachrichten« geht, dem, was sich unseren Sinnen darbietet, mit Achtsamkeit begegnen und unser Unterscheidungsvermögen und Nicht-Wissen mobilisieren? Können wir uns jener großen oder kleinen Ereignisse bewusst sein, die sich früher oder später in unterschiedlichem Maße auf unser privates persönliches Leben auswirken werden, die aber meistens weit entfernt von unserer direkten Erfahrung und dem, was im täglichen Leben passiert, ablaufen (bis sie uns betreffen, natürlich)? Und wenn sie uns dann betreffen: Können wir den Momenten bewusst begegnen, in denen wir uns plötzlich direkt oder indirekt von Kräften überrollt und in Mitleidenschaft gezogen sehen, die wir nicht vollständig verstanden haben, ob sie nun in erster Linie ökonomischer, sozialer, politischer, militärischer, ökologischer oder medizinischer Natur sind, oder vielleicht eine komplexe Kombination von allem, wie zum Beispiel die Erderwärmung oder die sich ändernden Spielregeln im Bereich der Gender-Thematik, oder die überaus reale Herausforderung der Migration – dass ganze Völker vor Kriegsgräueln oder Hungersnot und Ähnlichem fliehen? Wir können nichts daran ändern, dass diese Kräfte viel größer sind als wir. Sie stören das Wohlbehagen unserer persönlichen Interessen, Traditionen und Kulturen. Das kann sehr schmerzhaft und besorgniserregend sein. Aber genau diese Kräfte haben auch das Potenzial – wenn wir uns nicht aus dem Angstimpuls heraus gegen sie sträuben –, uns in eine umfassendere Perspektive hineinzukatapultieren, weil es um ganz fundamentale menschliche Fragen geht.
Letzten Endes ist die Frage also: Können wir orthogonal denken?16 Ist es uns möglich, offenherziger zu sein, einladender, ohne dass es gleich unser Wohlbefinden und unsere Sicherheit bedroht? Ist es uns möglich, ein lebendes Beispiel für Mitgefühl zu sein? Können wir lebendige Weisheit verkörpern in der Art und Weise, wie wir auf Veränderungen und Unsicherheit und mögliche Bedrohungen unserer Identität als Individuen, als Land, als Spezies reagieren? Können wir klug sein? Dies sind heute die Herausforderungen, wenn es um die äußere Welt geht, genau wie bei der inneren Welt unseres Geistes und Herzens. Da innere und äußere Welt einander widerspiegeln, bieten sich uns zahllose Möglichkeiten, unser Verhältnis zu beiden zu gestalten und im Gegenzug von ihnen gestaltet zu werden. Vielleicht gibt es auch hier, für uns als Gesellschaft, die Möglichkeit, uns als Ankömmlinge an der eigenen Tür zu begrüßen und erneut den Fremden lieben, der dein Selbst gewesen ist (in den Worten von Derek Walcotts Gedicht Liebe für Liebe am Ende des dritten Bandes der Reihe).
Wir brauchen nur zurückzudenken an das Kippbild alte Frau/ junge Frau oder an das Kanizsa-Dreieck im ersten Band, um uns daran zu erinnern, dass wir sehr leicht nur bestimmte Aspekte der Dinge wahrnehmen oder etwas hartnäckig für real halten können, das eher eine Illusion ist als eine Tatsache. Und das sind sehr einfache Beispiele im Vergleich zu der fließenden Komplexität der Probleme und Situationen, mit denen wir es im Leben jeden Tag zu tun haben, ganz zu schweigen von den Problemen, denen sich unsere Länder und die Welt als Ganzes gegenübersehen. Uns allen passiert es nur allzu leicht, dass wir komplexe Situationen falsch wahrnehmen und an einer unvollständigen oder einseitigen Sichtweise festhalten, besonders wenn wir nicht aufmerksam darauf achten, wie wir sehen und wie wir wissen. Und so schließen wir vielleicht gedankenlos andere Dimensionen einer Thematik rundweg aus, die es eigentlich verdient hätten, als zumindest teilweise berechtigt anerkannt zu werden, bloß weil wir sie schlichtweg nicht sehen wollen. Diese Scheuklappen-Mentalität, dieses zumindest partiell blinde Festhalten an einer Interpretation von Ereignissen, die vielleicht nur zu einem gewissen Grad stimmt, wenn überhaupt, erzeugt Feindschaft und Leid – für uns und für andere. Könnten unsere Institutionen und unsere Politik nicht gesünder und klüger werden, wenn wir alle uns nur ein klein wenig darum kümmerten, das Feld des Bewusstseins innerlich und äußerlich so auszuweiten, dass wir zumindest zu einem gewissen Grad in Betracht ziehen könnten, dass Formen des Wissens, Sehens und Seins, die grundsätzlich anders sind als unsere, auch ihre Berechtigung haben?
Was