Gottes Natur oder Gott ist Natur?
Für
Caro,
Josef und Hanko
Wenn etwas schön ist,
bevor wir es dazu machen können,
ist’s Natur.
Gedanken zum Anfang
Seit bald siebzig Jahren weiß ich, wie es ist, von Hunden gemocht zu werden. Es ist die zuverlässigste, haltbarste Zuwendung, die ein Mensch haben kann.
Nein, ich werte menschliche Beziehungen nicht ab. Aber die sind immer Schwankungen unterlegen. Hunde schwanken nicht. Oder nur so, dass Menschen das nicht merken. Sie kennen kein Wenn und Aber, kein hübsch und hässlich, kein klug und dumm, kein reich und arm.
Das Hündchen der Diva, das aus der goldenen Schüssel frisst, würde sich bei Penner Paul in der Abrisshütte genauso wohl fühlen. Vielleicht noch wohler, weil sich beide wärmen würden.
Darum geht’s.
Auch Außenseiter
haben nicht nur
die Außenseite.
Der erste Eindruck …
… ist nur ein Bild, dazu Gefühlsdurcheinander. Erst die Perspektiven, die Sichtweisen und Auseinandersetzungen mit einem Thema machen das Bild interessant oder nicht.
Relativ.
Das Internet hatte mir folgende interessante Information aus Spanien gegeben: Grassy sei ein lieber, ruhiger und stubenreiner Opa. Er habe sein ganzes Leben (zwölfeinhalb Jahre) bei seinem Herrchen verbracht, der jetzt ins Altenheim ziehen muss. Grassy sei sehr friedlich, komme gut mit anderen Hunden aus. Auch lebte er einige Jahre mit einem zweiten Hund in der Familie.
Caro, meine junge Tierfreundin, bringt täglich, wenn sie arbeitet, ihren Hund Blacky zu mir. Sie ist Tierpflegerin in dem Tierheim, in dem in den nächsten Tagen Hunde aus Spanien erwartet wurden.
Ich fragte, ob Grassy mit kommen würde. »Nein«, sagte sie, »der hat doch kaum eine Vermittlungschance.«
»Doch, hat er«, sagte ich, »bestell den mal nach!«
Meine spätpubertäre Risikobereitschaft war wieder einmal mit mir durchgegangen. Natürlich kamen da Zweifel vom Kopf her. Aber der Bauch war eindeutig. Der kennt keine Argumente, der kennt nur mich.
Und da ist er! Es hat geklappt. Caro übergibt mir ein wirres Bündel Wolle. Das strahlt nicht viel Leben aus. Nun sind wir zu dritt: Kira, die Kampfhundmischlingsdame, der Neue und ich.
Grassy, der alte Spanier, ist löwenfarbig, sehr langhaarig, sehr dick, sehr alt. Er hat die Größe eines lang gezogenen Igels. Die Körperform ähnelt einem wurstförmigen Sofakissen, ohne Bommeln. Das Zuchtziel dieser Rasse – falls es eine ist – war wohl ein Mopp. Übers Ausstauben etwas zu sagen, wäre sicher albern.
Grassy
Caro meinte: »Der muss auf Diät, hat ein kleines Gewichtsproblem.«
»Klein« ist relativ: Ein zwei Zentner schwerer Mensch, der normalerweise vierundsiebzig Kilogramm wiegen dürfte, hat prozentual das gleiche Übergewicht wie Grassy, und der wiegt zur Zeit acht Kilo.
Nach unserer ersten Nacht teilte ich dem Kleinen das Diätvorhaben in aller Deutlichkeit mit. Der stand auf, wackelte zur Tür, ging in die Küche und pinkelte seine Einverständniserklärung an den Kühlschrank. Das machte mich zwar nicht glücklich, aber bewies, dass der Hund bereit war, sein Zuhause zu akzeptieren.
Bei meiner Beschreibung von Grassy fiel mir ein, wie ich Berta und Anne kennenlernte. Ich lebte jahrelang erst in einem kleinen litauischen Dorf, dann in dessen Nähe, tief im Wald. In der Abgeschiedenheit wuchs die Harmonie mit den Tieren und gleichermaßen in mir.
Wäre das Dunkle nicht vom Hellen umgeben, könntest du’s gar nicht sehen.
Beobachtungen bringen Gedanken,
Gedanken schenken Bilder
und Bilder zeigen Ereignisse, die mal waren,
also Erinnerungen.
Berta
Unerwartet lag sie in der Scheune. Presste sich ins Heu. Zeigte die Zähne. Das stumpfe, graue Fell war oberhalb der Schwanzwurzel dunkel, fast schwarz und verkrustet. Das war angetrocknetes Blut, wie ich später feststellte. Ich ging langsam und ruhig redend auf sie zu. Ihre Nackenhaare sträubten sich, sie zog die Oberlippe noch höher, ließ leises, nachdrückliches Knurren vernehmen. Warum sie gerade in meiner Scheune lag, wer sie hier hineingeworfen oder gescheucht hatte, war