Heißes Geld. Jan Eik. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jan Eik
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783955520212
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ihres Verhaltens wirklich einsah. Prompt sagte sie als Nächstes: «Das ist ja wie im Osten! Die dürfen offiziell auch nicht bei uns einkaufen.»

      Bevor Kappe endgültig explodierte, klingelte es zu Klaras Glück. Das unterbrach den Streit zumindest für den Augenblick.

      Es war Karl-Heinz, der – rein zufällig – an ebendiesem Abend und zu Klaras Freude in der Wartburgstraße auftauchte, «um mal nach den beiden Alten zu sehen», wie er sich burschikos ausdrückte und Kappe damit zusätzlich aufbrachte. Der eigene, betont unauffällige Abgang aus der Waldbühne war ihm noch in schlechter Erinnerung, und nicht einmal die mitgebrachte Flasche Bourbon tröstete ihn darüber hinweg, vom eigenen Sohn als Alter abqualifiziert zu werden. Der Junge war ihm fremd geworden. Bis auf die sehr gelegentlichen Besuche von Sportveranstaltungen verband sie beide kaum noch etwas. Im Vorjahr hatten sie gemeinsam das erste Nachkriegsrennen auf der Avus genossen, das ausgerechnet ein Ostdeutscher mit dem schönen Namen Paul Greifzu gewonnen hatte. Auf der Sportseite mit den Ergebnissen aus der Waldbühne und vom Karlshorster Sandbahnrennen hatte Kappe gelesen, Greifzu sei bei einer Testfahrt tödlich verunglückt.

      Klara, von dem seltenen Besuch schier überwältigt, tat, als könne sie sich weder Pralinen noch Parfüm leisten und sei auf die Großzügigkeit des Jungen angewiesen, dem sie gar nicht genug danken konnte. In Windeseile zauberte sie das verspätete Geburtstagsgeschenk für ihn herbei, nicht ohne schmollend anzumerken, dass es sich wirklich nicht gehöre, einen solchen Ehrentag, und noch dazu den 25., ohne die Familie zu feiern. «Nicht einmal ans Telefon bist du gegangen!», stellte sie vorwurfsvoll fest.

      Karl-Heinz nuschelte etwas von dringenden Geschäften. Kappe fragte nicht nach. Er gab sich alle Mühe, den verkorksten Abend nicht noch mehr zu verderben, und öffnete die Flasche. Ihm schwante, dass der Sohn keineswegs gekommen war, um den Eltern eine nachträgliche Geburtstagsfreude zu bereiten.

      Sie stießen an. Klara war der Whisky zu stark. In ihr Lamento über das neue Grenzregime der Zone und die gekappten Telefonverbindungen stimmte Karl-Heinz nur bedingt ein. In einem Halbsatz gab er allerdings zu, dass sich die Unterbrechung nachteilig auf seine Geschäfte auswirken könnte. Der Streik der Drucker hingegen, der die gesamte Presse der Bundesrepublik und West-Berlins gerade für zwei Tage lahmlegte, amüsierte ihn. «In den Zeitungen steht doch sowieso bloß Käse!»

      Sie tranken, und sie redeten. Was Karl-Heinz mit seinem Besuch wirklich bezweckte, merkte Kappe erst nach einer ganzen Weile, als der ungeratene Sprössling das Gespräch wie zufällig auf seines Vaters Arbeit und die Kriminalität in der Stadt brachte. Kappe hatte nicht die Absicht, sich dazu zu äußern, und ließ den Jungen reden. In mancher Beziehung war der so leicht zu durchschauen wie ein Glas Wasser. Doch der Vergleich hinkte. Klares Wasser war Karl-Heinz fremd, wie die geübte Bewegung beim Trinken verriet. Auch die plötzliche Bewunderung für den dreisten Tresorraub im Osten bewies eine eher trübe Auffassung, zu der Kappe schwieg.

      Karl-Heinz schien das Thema zu faszinieren. Er wollte wissen, wie eng – wenn überhaupt – die Polizei in einem solchen Fall mit den Kollegen im Osten zusammenarbeitete. Kappe beantwortete das mit einer Gegenfrage: «Warum fragst du nicht deinen Bruder? Bei denen ist das Geld doch geklaut worden.»

      So direkt auf seinen Bruder angesprochen, zog Karl-Heinz ein saures Gesicht. «Ihr wisst ja, was ich von dem halte», murrte er und hob das Glas.

      Das Gleiche wie er von dir, wäre es Kappe beinahe entfahren. Klara zuliebe schwieg er, obwohl sie solche Rücksichtnahme heute kaum verdient hatte.

      «Ein paar Millionen haben die erbeutet!», äußerte sie jetzt, und auch aus ihren Worten klang so etwas wie Bewunderung.

      «Deine S-Bahn-Groschen», bestätigte Kappe bitter. «Und das Gehalt für die halbe Reichsbahn.»

      Karl-Heinz grinste. «Ich finde, das schadet denen gar nichts!»

      Kappe hatte nichts anderes von seinem Jüngsten erwartet. Er blickte ihn nur vorwurfsvoll an.

      «Was unternehmt ihr denn, um den Panitzke und seinen Komplizen zu finden?», bohrte Karl-Heinz weiter.

      Kappe hob die Schultern. «Das ist Aufgabe der Fahndung. Damit habe ich glücklicherweise nichts zu tun.»

      Das klang endgültig, doch Karl-Heinz ließ sich nicht von dem Thema abbringen. «Angenommen, du erkennst Panitzke oder seinen Kumpanen auf der Straße, würdest du sie verhaften?»

      «Mit Vergnügen!», bestätigte Kappe. «Nur werden sie mir den Gefallen nicht tun und einfach so durch die Stadt spazieren.»

      Karl-Heinz gab sich wissend. «Angeblich weiß ja keiner, wo die beiden stecken. Aber in gewissen Kreisen sind Gerüchte im Umlauf …», sagte er vieldeutig.

      Kappe missfiel das. «In was für Kreisen verkehrst du denn?», fragte er.

      «Nur in den besten!», entgegnete Karl-Heinz fröhlich. «Demnächst werde ich ins Baugeschäft einsteigen.»

      «Durchs Fenster oder durch die Wand?», erkundigte sich Kappe spöttisch. Großtuerei war ihm von jeher verhasst. Der Junge hatte nicht einmal einen Beruf erlernt.

      Das fiel sogar Klara ein. Mahnend sagte sie: «Du verstehst doch überhaupt nichts vom Baugeschäft, Junge!»

      «Mehr, als ihr denkt! Zum Beispiel braucht man Kies, wenn man bauen will.»

      «Na ja, nachher für die Wege», gab Klara zu. «Das sieht sehr hübsch aus mit so kleinen Kieselsteinen.»

      «Ach Mama!» Karl-Heinz schüttelte tadelnd den Kopf. «Heute baut man mit Beton! Und dafür braucht man ungeheure Mengen Kies. Genauso wie für den Mörtel. Wenn man in dieses Geschäft einsteigt, lässt sich Kies direkt in Kies verwandeln.» Seine Finger machten die Geste des Geldzählens. «Man braucht nur ein paar Lkws und eine Kiesgrube, mehr nicht.»

      «Mehr nicht!», sagte Kappe schroff.

      Es war alles andere als ein Zuspruch, doch Karl-Heinz ließ sich nicht beirren. «Ihr werdet es nicht glauben, die Grube habe ich schon!», sagte er triumphierend. «Und der erste Lkw folgt demnächst. Es mangelt nur ein bisschen an Kapital …»

      Kappe sah ihn mit ernster Miene an. «Schlag dir solche Flausen aus dem Kopf!», sagte er trocken. «Und was Geld angeht, bist du bei uns sowieso an der falschen Adresse.»

      «Das brauchst du nicht zu betonen. Du warst schon immer ziemlich knickrig.»

      Kappe war nahe daran, über den Tisch zu langen, beschränkte sich jedoch darauf, deutlich zu erklären: «Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich mein Geld stets auf ehrliche Weise verdienen musste.»

      «Wahrscheinlich», stimmte Karl-Heinz leichthin zu. «Das mit der Kohle lass mal meine Sorge sein. Ich habe schon was im Auge.»

      «Einen Kreditgeber? Suchst du deshalb nach Panitzke?»

      Das fand Karl-Heinz erheiternd. «Zumindest versteht der was von Beton», sagte er lachend und goss sich noch einen Whisky ein.

      Klara sah von einem zum anderen und begriff nicht. Kappe schon. «Karl-Heinz!», sagte er. In seiner Stimme lag ein scharfer Unterton, der dem Jungen aus der Kindheit vertraut sein musste. «Halt dich von diesen Kreisen fern, ich sage es dir im Guten!»

      Der Sohn gab sich unbeeindruckt. «Bleib du mal bei deiner Kripo und nähre dich redlich!» Er blickte sich ein wenig verächtlich im Wohnzimmer um, dessen Einrichtung Klaras ganzer Stolz war. «Besser als redlich werdet ihr eben nie leben», ergänzte er und fügte noch etwas hinzu, das Kappe besonders verletzte: «Ich dachte immer, Mutter hätte was Besseres verdient …»

      Schweigend erhob sich Kappe, um den Raum zu verlassen.

      Aber sein Sohn war noch nicht fertig. «Bevor ich es vergesse – deine beiden Kumpels wollten mir neulich in der Waldbühne ’ne olle Tasche andrehen, die angeblich dir gehört.»

      «Und?», fragte Klara begierig.

      Karl-Heinz lachte hämisch. «Ich habe gesagt, mein Vater sei alt genug, selbst auf seine Sachen aufzupassen.»

      Kappe