Da gibt es kein Wenn und Aber: Solche Vergleiche untergraben das Selbstwertgefühl der Kinder massiv. Im Grunde geben Eltern ihren Kindern damit zu verstehen, dass sie enttäuscht über sie sind. Die Kinder trauen es sich dann schließlich nicht mehr, zu sich selbst zu stehen. Sie lernen, sich auf Äußerlichkeiten zu verlassen und beurteilen sich hauptsächlich nach den Maßstäben anderer. In anderen Worten, sie sind dann fremdbestimmt.
Besser ist es, wenn wir unsere Kinder an ihren eigenen Leistungen messen, statt sie mit anderen Leuten zu vergleichen. Das stellt ihnen frei, inwiefern sie sich weiter verändern wollen. Sie nehmen sich dann selbst zum Maßstab und finden zu einer realistischen Selbsteinschätzung – ein wesentliches Merkmal eigenverantwortlicher Menschen.
3. Generalisierungen
Nichts haftet mehr als Generalisierungen und Etikettierungen, von Fliegenfängern einmal abgesehen. Sie bringen Kinder dazu, Vorurteile über sich zu entwickeln. Dabei ist unwichtig, ob es sich um richtige oder unrichtige Beobachtungen handelt. Sie müssen ja darauf reinfallen. Schließlich sind wir die Größeren und Klügeren! Hier einige Beispiele.
„Schatz, du bist einfach ein Langsamleser, da kann man nichts machen.“
„Du bist der Schlauste in der Familie.“
„Also, wenn du etwas anfasst, geht es in die Brüche. Mister Destruktiv!“
Solche Etikettierungen geben zukünftigen Ausflüchten und Rechtfertigungen Nahrung. Ein Kind hat zugegeben: „Meine Eltern nennen mich manchmal fett und faul, und das nütze ich als Entschuldigung aus, wenn ich mich vor etwas drücken will. Ich geb‘ ihnen dann zu verstehen: he, so bin ich eben, was kann ich dafür!“ Etikettierungen verwirren Kinder. Sie machen es ihnen schwer, zu sich selbst zu finden.
Und dann gibt es Verallgemeinerungen:
„Immer verlierst du alles! Sei froh, dass dein Kopf festsitzt, sonst würdest du den auch noch verlieren!“
„Los, komm schon! Trödle doch nicht immer so herum!“
„Du kannst aber auch gar nichts richtig machen.“
Verallgemeinerungen enthalten meistens Wörter wie „immer“ und „nie“. Sie nehmen den Kindern jeden Schwung, sich anders zu verhalten. Sie haben dann das Gefühl, es handle sich um Eigenschaften, gegen die sie nichts ausrichten können und deshalb bräuchten sie sich gar nicht weiter bemühen. Im Grunde nimmt es ihnen die Mühe ab, sich zu fragen, wer sie sind. Selbstbestimmte Kinder gehen von sich selbst aus. Ihr Selbstwertgefühl nährt sich aus keiner fixen Idee, sondern leitet sich aus tatsächlichen Leistungen, Sinnerfahrungen, Begabungen, Wünschen und Interessen ab. Sie tragen individuell zur Gemeinschaft bei.
Bedeutung von Geschwistern
Geschwister können die besten Freunde oder die größten Feinde sein (je nach Tageszeit). Und auf jeden Fall haben Geschwisterbeziehungen große Bedeutung. Sie sind sehr vielschichtig. Daher sollte man sich ihre Dynamik klarmachen und bewusst damit umgehen. Sie wird zum Großteil dadurch bestimmt, dass die Geschwister um die Zuneigung und Anerkennung der Eltern wetteifern. Je mehr Konkurrenz unter ihnen herrscht, desto außengeleiteter wird ihr Umgang miteinander. Sie reagieren dann mehr aufeinander als dass sie voneinander lernen.
Kinder versuchen im Konkurrenzkampf um die meiste Aufmerksamkeit in der Familie, ihre Geschwister und uns zu manipulieren. Damit dieses Machtspiel zwischen Geschwistern und Eltern nicht ausufert, sollten wir uns möglichst aus den Streitigkeiten unserer Kinder heraushalten. Wir sollten keine Partei ergreifen und nicht intervenieren (außer im Notfall), weil uns die Kinder sonst als äußeren Einfluss definieren und mit ihm rechnen. Wir verhindern dann, dass sie ihr Verhältnis unabhängig von uns regeln. So entwickelt sich nur schwer eine innige Beziehung zwischen ihnen.
Ich finde, Geschwister haben die wunderbare Möglichkeit, sich gegenseitig in ihrer Entwicklung zu fördern. Sie können voneinander lernen. Doch müssen die Kinder das selbst wollen. Es funktioniert nur, wenn sie selbstbewusst mit ihren Eigenarten umgehen können und jeweils ihren inneren Dialog pflegen. Wir sollten diesen inneren Dialog fördern, indem wir uns nicht in ihre Zwistigkeiten einmischen, sie nicht miteinander vergleichen und nicht voreinander in Schutz nehmen. So werden sie weniger geneigt sein, sich gegenseitig nachzuahmen, nur um uns besser zu gefallen.
Hier sind einige Vorschläge, wie sich der Konkurrenzkampf zwischen Geschwistern in gesunde Bahnen lenken lässt, so dass sie negative Reaktionen überwinden und zu mehr Eigenverantwortlichkeit finden.
Wir sollten ihnen nicht sagen, dass wir sie gleich gern haben, denn so müssen sie annehmen, wir hätten keine besondere, persönliche Beziehung zu ihnen. Ich sage meinen Kindern, dass ich sie jeweils auf ganz einmalige Weise liebe.
Wir sollten uns darum bemühen, die Kinder nicht miteinander zu vergleichen. Selbst versteckte Andeutungen können gravierende Auswirkungen haben.
Wir sollten versuchen, niemanden zu bevorzugen! Das ist manchmal schwierig. Denn machen wir uns doch nichts vor, fast immer fühlen wir uns zu einem von ihnen besonders hingezogen.
Noch einmal, wir sollten uns nicht in die Streitereien unserer Kinder einmischen, es sei denn Knochenbrüche oder andere schwere Körperverletzungen drohen. Und das kommt eigentlich ganz selten vor. Dieses Gewährenlassen bedeutet, dass wir keine Partei ergreifen. Wenn Johnny ankommt und sich beschwert, Bobby sei ganz gemein zu ihm gewesen und hätte ihn ins Schienbein gekickt und an den Haaren gezogen, dann wäre es ein Fehler etwa so zu antworten: „Ich weiß Johnny. Ich hasse es, wenn Bobby dir so weh tut, aber er tut sich momentan in der Schule sehr schwer. Vielleicht hat er einfach nur schlechte Laune. Ich an deiner Stelle ginge ihm lieber aus dem Weg.“ Man sollte es eher mit folgender Antwort versuchen: „Es tut mir leid, dass dir weh getan wurde, aber ich weiß, dass du das mit deinem Bruder selbst auf die Reihe kriegst. Es ist deine Angelegenheit, nicht meine.“
Wir sollten unsere Kinder zu einem positiven Miteinander anregen. Zum Beispiel könnten wir das ältere Kind dem jüngeren eine Gutenachtgeschichte vorlesen lassen. Oder wir könnten anregen, dass das jüngere Kind beim Ausmalen einer Karte für ein Schulprojekt hilft, wenn es dies schon kann.
Wir sollten unsere Kinder darauf hinweisen, dass Auseinandersetzungen auch ihre positiven Seiten haben, und für die Meinungsbildung und Identitätsfindung gut sind, solange sie sich im Rahmen halten.
Wenn Kinder ihre gegenseitigen Antipathien vortragen, sollten wir diese nicht entschuldigen oder verurteilen, weil das als Parteinahme wahrgenommen wird. Wir sollten uns neutral verhalten und ihren Gefühlen Verständnis entgegenbringen. Hier ein Beispiel: Rachel: „Mutti, Jimmy hat meiner Lieblingsbarbypuppe den Kopf abgerissen und wollte Rover damit füttern!“ Mutti: „Es tut mir leid, dass du und Jimmy euch nicht vertragt. Ich kann deine Bestürzung verstehen.“
Es ist gut, die Kinder etwas gemeinsam erledigen zu lassen, damit sie Zusammenarbeit lernen. „Wie wär’s, wenn ihr beide zusammen die Spülmaschine ausräumen würdet?“ „Rohin, beschäftigst du dich bitte mit Sarah, während ich telefoniere?“
Liegen die Geschwister altersmäßig sehr weit auseinander, könnten wir den älteren Aufsichtsfunktionen übertragen. Sie könnten manchmal auf die Rasselbande aufpassen oder den jüngeren Geschwistern hin und wieder beim Lernen helfen. „Tommy, du hast dein Einmalseins schon auswendig gelernt. Kannst du mit Adam die Leselernkarten durchgehen?“
Verletzt sich eines der Kinder, könnten wir die anderen die Wunde mit versorgen lassen, und so ihr Mitgefühl fördern. „Sarah, dein Bruder ist vom Fahrrad gestürzt. Kannst du bitte die Wunde zudrücken, bis ich den Verband geholt habe?“ Wenn unsere Kinder merken, dass sie von ihren Geschwistern gebraucht werden, trägt das zur Vertiefung ihrer Beziehung bei.
Wir sollten versuchen, unsere Kinder nicht zu etikettieren. („Josh ist unser kleiner Gelehrter!“ oder „Joe ist ein solcher Störenfried!“)