Unter den Göttern habe ich vor allem Odin zu danken, der mir die Fähigkeit gab, Wissen zu erwerben und es mitzuteilen, und unter den Menschen einigen Freundinnen und Freunden, die ich, so sie welche haben, mit ihren Ritualnamen anführe: Thorbern, dem Gründer des Odinic Rite Deutschland, und Folkhere, seinem Nachfolger als Erster Vorsitzender, die mich zur Arbeit an diesem Buch ermuntert haben; Solveig, die mit ihrer Erfahrung wesentlich zur Entwicklung des Ritualwesens im VfGH beigetragen hat, und Arwen, die meinen persönlichen heidnischen Werdegang sehr unterstützt hat; Stilkam für einige Textbeiträge und meiner Frau Claudia für Anregung und Kritik, für die Korrektur der Endfassung und für die Geduld, mit der sie die lange Arbeit daran ertragen hat.
Fritz Steinbock (Asfrid, VfGH)
Teil I
Grundlagen
Religion und Ritual
Fragte man in alter Zeit jemandem nach seiner Religion, hieß es nicht: „Woran glaubst du?“, sondern: „Welchen Göttern opferst du?“ Wie der Glaube im Christentum steht im Heidentum das Ritual im Mittelpunkt. Heidnische sind traditionelle Religionen: Sie sind nicht auf autoritäre Offenbarung und persönlichen Glauben gegründet, sondern auf eine organisch gewachsene Tradition, die neben der mythischen und ethischen in erster Linie eine kultische ist.
Religion im heidnischen Sinn ist Religionsausübung: religio nannten die Römer den Eid, eine heilige Pflicht und die Gewissenhaftigkeit, mit der sie befolgt wird. Der Philosoph und Politiker Cicero leitet das etymologisch unsichere Wort von relegere, dem Wiederholen der Ritualformeln aus alter Zeit, ab. Religion war für die Römer die kultische Tradition, mos maiorum, die Sitte der Vorfahren. Ebenso nannten die mittelalterlichen Nordgermanen das Heidentum ihrer Ahnen forn siðr, die „alten Sitte“ – immer noch dem heidnischen Sprachgebrauch folgend, der kein Wort für das hatte, was die Christen unter „Glauben“ verstanden, und Religion als Bestandteil von „Recht und Sitte“ (lög ok siðr) beschrieb.
Der Religionsgeschichtler Bernhard Maier sieht deshalb die germanische Auffassung von Religion überhaupt „wie im antiken Rom“. Hier wie dort erscheint sie ihm „weniger als eine Sache der privaten und persönlichen Überzeugung als vielmehr des gemeinschaftlich und öffentlich vollzogenen Kults“, worauf neben forn siðr auch andere nordische Bezeichnungen hindeuten: blótdómr und blótskapr, wörtlich „Opfertum“ und „Opferschaft“ für das Heidentum, für einen Heiden blótmaðr, „Opfermann“.
Im 19. Jahrhundert prägten dann dänische Historiker, um der Religion ihrer Vorfahren einen Namen zu geben, den Begriff Åsetro, der über die isländische Form Ásatrú zum heute geläufigsten Namen für das germanische Heidentum wurde: Asatru, wörtlich „Göttertreue“ – eine Bezeichnung, die indirekt auch wieder in die kultische Richtung weist, denn Treue muss sich durch Taten verwirklichen.
Kult und Ritual sind daher nicht bloße „Äußerlichkeiten“, auf die es weniger ankäme als auf die „innere Einstellung“, und sie sind auch nicht nur ein Ausdruck der heidnischen Religion, wie ein Wort ein Gefühl ausdrückt. Vielmehr sind sie das Heidentum – nicht das ganze, aber der Hauptteil und Wesenskern einer Religion, die sich als „alte Sitte“ und tätige „Göttertreue“ versteht.
Das Wesen des Rituals ist das Wesen des Heidentums selbst: Alles, womit man es charakterisieren kann, was es ausmacht und was ihm seinen Wert gibt, liegt auch im Ritual.
Ritual und Glaube
Im allgemeinen sind Menschen, die heidnische Rituale ausüben, auch „gläubige“ Heiden, das heißt, sie sind überzeugt, dass die Götter real sind und in der Welt wirken, dass ihr Charakter dem entspricht, was die Mythen von ihnen erzählen, und vieles mehr. Das erscheint uns natürlich und ist in den aktiven Heidengruppen von heute auch die Regel. In alter Zeit freilich waren es zwei Paar Schuhe.
Bernhard Maier, der als bislang einziger seriöser wissenschaftlicher Autor der Gegenwart auch die „innere“ Seite der germanischen Religion beleuchtet hat, weist ausdrücklich darauf hin, dass der christliche Glaubensbegriff auf sie nicht anwendbar ist: nicht nur, weil sie eine Sache des Kults war, „dessen Wirksamkeit man von der inneren Einstellung der Beteiligten unabhängig glaubte“, sondern auch, weil „die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft auf der Zugehörigkeit zu einem bestimmten sozialen und politischen Verband beruhte und daher nicht die formale Zustimmung zu irgendwelchen Glaubensinhalten voraussetzte.“ Religion war ein integrierter Teil des öffentlichen Lebens, der Tradition und Identität der Gemeinschaft, der man angehörte.
Man konnte daher sehr wohl eifrig an allen Ritualen der Gemeinschaft teilnehmen und trotzdem, wie manche Wikinger sagten, „nur an die eigene Kraft (mátt ok meginn) glauben“ oder wie der schon zitierte Cicero als Philosoph die Möglichkeit von Weissagungen bestreiten, aber als Politiker, der seine Verantwortung für die Gemeinschaft wahrzunehmen hatte, ein Amt als Orakelpriester annehmen und gewissenhaft ausüben. Julius Caesar, dessen diktatorische Ambitionen der Demokrat Cicero politisch bekämpfte, war sogar bekennender Atheist und bekleidete das Amt des pontifex maximus, des obersten Priesters der römischen Staatsreligion, ohne dass jemand daran Anstoß nahm.
Natürlich waren das Ausnahmen. Sie waren aber nur möglich, weil auch in der Regel jeder über die Götter glauben und denken konnte, was er wollte, solange er nur die Riten getreu und korrekt befolgte. Das mag oberflächlich scheinen, aber es ist die logische Konsequenz einer Religion, die sich als Religionsausübung versteht und den persönlichen Glauben nur als subjektiven Faktor sieht, der den einzelnen Menschen betrifft, aber nicht das Ritual, das in seiner konkreten, sichtbaren Ausführung eine objektive Beziehung zwischen der ganzen Gemeinschaft und den Göttern schafft – Göttern, die für die überwiegende Mehrheit der Menschen in alter Zeit so unzweifelhaft existierten wie die Welt, der sie angehörten, und die weder jemals gefordert noch es nötig gehabt hätten, dass man an sie „glaubt“ und sich zu Lehren bekennt, die vorschreiben, wie man sie sich vorzustellen hat.
Was heidnische Rituale nicht sind
Wenn Nichtheiden über heidnische Rituale, und besonders über Opfer, sprechen oder schreiben, ist häufig davon die Rede, dass sie dazu dienen würden, die Götter „günstig zu stimmen“ oder zu „besänftigen“. Das ist eine weit verbreitete Deutung, aber sie hat ihren Ursprung nicht im Heidentum, sondern in der biblischen Vorstellung eines Gottes, der den Ungehorsam der sündigen Menschheit mit ständigem Groll verfolgt und sich allen späteren Beteuerungen seiner Liebe zum Trotz nur dann wohlwollend zeigt, wenn er durch Demutsgesten und Sühneopfer besänftigt wird. Mag sein, dass auch andere antike Völker zu ihren Göttern ein ähnliches Verhältnis der Angst und des Misstrauens hatten. Den Germanen war es fremd.
In unserem Heidentum herrscht zwischen Göttern und Menschen im altgermanischen Sinn des Worts Frieden: ein Zustand familiärer Freundschaft und Wohlgesinntheit,