„Sky hat mir kein Sterbenswörtchen erzählt“, grinste sie. Dann fuhr sie fort: „Weißt du, dass du dich so mit meinem Hund beschäftigt hast, finde ich toll. Manchmal habe ich mich gewundert, dass er abends müde, ruhig und ausgeglichen unter meinem Schreibtisch lag, obwohl ich ihn so viele Stunden alleine gelassen hatte. Es ging leider nicht anders in der letzten Zeit. Eine Arbeitskollegin ist nun schon etliche Wochen krank, das bedeutete für mich, einiges an Überstunden ableisten zu müssen. Zum Glück ist nun eine Aushilfe eingestellt, aber wenn du mit Sky vielleicht weiterhin ein Mal in der Woche … “
Sarahs Blick wurde traurig. Sie schaute auf Karin und dann auf ihren vierbeinigen Freund.
„Ein Mal in der Woche?“
„Ja, aber nur wenn du die Zeit hast und es dir nicht zu viel wird. Bezahlen würde ich dir auch etwas, als kleine Taschengeldaufbesserung.“ „Er freut sich jeden Tag so auf mich – und ich mich auch auf ihn! Ich nehme doch kein Geld dafür, dass ich mit ihm spiele.“ Dann gab sie sich einen Ruck und traute sich zu fragen: “Kann ich auch öfter kommen?“
„Aber sicher!“, lachte Karin. Sie nahm Sarah in den Arm und drückte sie leicht an sich. „Wann immer du willst, ihr seid wohl richtige Freunde geworden, nicht wahr?“
Das Mädchen nickte. Sie setzten sich ins Gras und Karin erzählte Sarah von Sky. Er sei vor zwei Jahren als Notfall zu ihr gekommen. Sie hätte auf einer Tierschutzseite im Internet den dringenden Aufruf gelesen, einem armen Collie, der in Spanien in der Tötungsstation abgegeben worden war, vorübergehend einen Pflegeplatz zu geben, und sich sofort gemeldet. Von da an wäre Sky immer bei ihr gewesen. Sie hätte sich nicht mehr von ihm trennen können, obwohl er eigentlich zu dem Zeitpunkt gar nicht in ihr Leben passte. Viel Arbeit und zwei Umzüge machten es nicht immer leicht, dem Collie gerecht zu werden. Im nächsten Jahr sei ein mehrmonatiger Auslandsaufenthalt geplant, wohin solle sie dann mit Sky?
Sarah schaute Karin an: „Na, zu mir.“ Karin lächelte über so viel Enthusiasmus, merkte aber sofort, dass es dem Mädchen durchaus ernst war. Am selben Abend erzählte Sarah ihrer Mutter, was geschehen war. Die Mutter gab nach längerem Drängen ihrer Tochter die Erlaubnis, Sky in Karins Abwesenheit aufnehmen zu dürfen. Die beiden Frauen lernten sich ein paar Tage später bei Kaffee und Kuchen kennen. Auch Sarahs Mutter erlag dem Colliecharme, dem sich wohl kaum einer so leicht entziehen kann. Sarah und Sky blieben Freunde fürs Leben, und selbst als die zu einer hübschen, jungen Frau herangereifte Sarah ihr Studium in einer anderen Stadt aufnahm, ließ sie es sich nie nehmen, Sky zu besuchen, wann immer es ging. Sky war mittlerweile alt geworden. Die Hinterläufe waren steif und seine Lefzen umspielte ein weise ausschauendes Altersgrau. Bis zuletzt bezauberte er durch sein Wesen, seine immer freundliche Ausstrahlung und seinen Charakter.
Drei Tage vor Weihnachten bekam Sarah einen Anruf von Karin: „Willst du ihn noch mal sehen? Es geht zu Ende mit ihm. Er hat keine Kraft mehr. Ich denke, wir sollten ihm weiteres Leid ersparen. Er hat es einfach nicht verdient, noch mehr Schmerzen aushalten zu müssen.“
„Ich bin schon auf dem Weg, Karin. Wir gehen zusammen zum Tierarzt. Sky soll uns beide bis zuletzt riechen, fühlen und um sich haben dürfen.“
Sie fuhr die weite Strecke, ohne eine Pause zu machen. Noch am selben Tag wurde Sky erlöst und ging über die Regenbogenbrücke. Sarah weinte um ihren Freund, doch sie hatte ihn noch einmal sehen, streicheln und halten können. Er hatte es wohl gespürt, denn sein Abschiedsblick war voller Dankbarkeit. Ein letztes Mal ließ er die Zunge seitlich aus dem Maul hängen und das Grinsen des jungen Hundes von einst blitzte auf. Später traten in Sarahs Leben immer wieder Collies, die auf irgendeine Art und Weise in Not geraten waren. Sky jedoch vergaß sie nie, ganz im Gegenteil, er war und blieb der Urvater all seiner Nachfolger. Durch ihn war Sarah „auf den Collie“ gekommen.
Danke, Sky! – FÜR ALLES.
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