Die größte Versuchung ist Sahne aus der Sprühflasche. Wenn das typische Sprühgeräusch ertönt, sabbert er so, dass man damit die Sahelzone bewässern könnte. Und wenn ein Familienmitglied dann einen Löffel aus dem Schrank holt und etwas Sahne darauf spritzt, gerät er völlig aus dem Häuschen und tanzt seinen ganz persönlichen Sahne-Charleston: Er macht Sitz, er gibt Pfote, er macht Platz und schleckert währenddessen hektisch mit der Zunge, damit ihm nur ja von dieser Köstlichkeit nicht das kleinste Häppchen verloren geht.
Solo für Frauchen
Nicht alle Tänze mache ich mit Moritz gemeinsam. Ich habe auch meine Solo-Einlagen. Wenn ich mit ihm spazieren gehe, wenn wir mit ihm Freunde besuchen oder Gäste haben, verfalle ich sehr schnell in den verbalen Moritz-Walzer. Immer im Dreivierteltakt! Achten Sie auf den Refrain.
„Er hat dir bei der Begrüßung das gute Kaffeeservice vom Tisch gewedelt, obwohl du alles schon in die Mitte gestellt hast? – Tut mir leid.“
„Er hat den Grill umgeworfen und alle Würstchen einmal angeleckt? – Tut mir leid.“
„Er hat in eurem Gartenteich gebadet, nun sind Wasser und alle Fische draußen und nur der Hund ist noch drin? – Tut mir leid.“
„Er steht auf Ihrem kleinen Hund? – Das tut mir wirklich sehr, sehr leid, würden Sie mir nur rasch sagen, mit welcher Pfote?“
Abschlussball
Irgendwie hat mich Moritz schon intensiv auf seinen Rhythmus eingestimmt. Ich mag Leute, die ihn mögen. Es gibt wirklich nette Menschen, solche mit Hunden (auch mit kleinen Hunden) und solche ohne Hunde, die vor Freude juchzen, wenn sie seiner ansichtig werden und uns mit den Worten begrüßen: „Was für ein wunderbarer Bär! Darf ich den mal streicheln?“
Und der schönste Satz, den mir jemand im Hinblick auf Moritz sagen kann, ist folgender, geäußert mit fröhlichem Gesicht während des Begrüßungs-Cha-Chas – und damit sind wir wieder am Anfang! Sie erinnern sich: dieser Satz, als Sie Moritz und mir begegnet sind und Sie sagten: „Aber das macht doch gar nichts!“
Dann brauche ich keinen Moritz-Walzer mehr, keinen Samba und keinen Cha-Cha-Cha. Dann lasse ich die Leine locker, Sie dürfen ihn ausgiebig streicheln, er freut sich über Sie, Sie freuen sich über ihn, und ich freue mich von Herzen, einen so freundlichen großen Hund zu haben. Und achten Sie mal drauf, wenn wir dann weitergehen, Moritz und ich: Die nächsten Schritte sind ganz und gar im Takt. Fast wie beim richtigen Dogdancing.
Die kleine Wolke – oder der Fluch der Schönheit
Erika Schrenk
Das Dorf, in dem sich diese kleine Geschichte zutrug, liegt im Südosten von Mallorca. Zu unwichtig und unbedeutend, um touristische Ambitionen zu wecken. Die kleine Bar am Hafen ist das Wohnzimmer der alten Männer. Dort sitzen sie oft stundenlang vor der längst leer getrunkenen Tasse eines Cortados oder den letzten Tropfen ihres Tio Pepe schlürfend. Ihre alten Geschichten kennen sie schon auswendig und viel Neues kommt nicht dazu. Sie sind wie ein Haufen abgetragener Kleider, nicht mehr repräsentativ genug, um getragen, zu werden, aber doch zu gut, um sie wegzuwerfen.
Früher, als sie noch nicht so klapprig waren, fuhren sie mit ihren kleinen Llauts hinaus, warfen ihre Netze aus und kamen oft genug mit ansehnlichem Fang zurück. Heute sind sie Auslaufmodelle und vertreiben sich in der Bar ihre Zeit, wiewohl sie eigentlich von ihr vertrieben werden. Da ist der alte Pep, der Toni mit den noch immer pechschwarzen Haaren und dem Gesicht einer verschrumpelten Zitrone und Francesco mit der wie angewachsenen Baskenmütze.
Philipe, ein kompakter vierschrötiger Kerl, hatte einen kleinen Hund, ohne den er nirgendwo anzutreffen war. Mit viel Fantasie konnte man annehmen, dass seine Abstammung auf einen Pudel zurückzuführen war. Das Fell hatte die Struktur eines stark benutzten Flickenteppichs und wies interessante Farbtupfer auf, die es wohl beim Streichen der Boote abbekommen hatte. Ungeniert dessen durfte der Hund immer auf Philipes Schoß sitzen und beobachtete ungemein interessiert alle Vorgänge in der illustren Runde.
Die Tage tropften dahin, eintönig und einförmig, wie der Wasserhahn drinnen in der Bar. Aber einmal, da war alles anders. Sie saßen wie immer beisammen und schauten hinaus aufs Meer. Das Gespräch holperte träge dahin, als Philipe herbeischlurfte, mit hängenden Schulter, ein Gezeichneter. Ein kleiner weißer Flederwisch umtänzelte ihn. Philipe würdigte diesen keines Blickes. Was war Schreckliches geschehen? Wo war die kleine Pulga? Woher kam dieser neue Hund? Philipe stieß den Sessel mit dem Fuß beiseite und ließ sich krachend hineinfallen. Alle Blicke waren auf sein rotes, schweißnasses Gesicht gerichtet. Er wusste nicht, wohin er schauen sollte.
Inzwischen hatte sich der grobschlächtige Hund des Barbesitzers mit seinen zu kurz geratenen Beinen interessiert der Szene genähert. Fasziniert, aber mit bewundernder Zurückhaltung und verdrängtem Verlangen pirschte sich der schwarze Pock wie ein alter Professor, der eine seiner hübschen Kommilitoninnen betrachtet, an dieses unvergleichlich grazile Wesen heran und schnupperte vorsichtig, hinten und vorne, das atemberaubende Parfum. Sein dicker Schwanz pendelte erst zaghaft hin und her, dann immer schneller, bis er zuletzt wie ein rasender Trommelschlegel herumwirbelte. Sein Körper spannte sich, er drückte seine Brust heraus und fühlte sich in diesem Augenblick unwiderstehlich. Hätte er statt der krummen Beine zwei Hände zur Verfügung gehabt, er hätte sich genüsslich den angegrauten Schnauz gestrichen. Dabei gab er japsende Laute von sich und sprang herum wie eine alte Kuh. Tja, er verstand eben was von Weibern! Er war seit jeher ein glühender Verehrer von Pulga, stand nicht auf der Leitung und reagierte.
Das weiße Hündchen versuchte unterdessen vergeblich, auf Philipes Schoß Platz zu nehmen. Dieser wusste das Bestreben mit weit gespreizten Beinen erfolgreich zu verhindern und blickte mit verbittertem Gesicht in die Runde. Er begegnete verwunderten und fragenden Blicken. Beschämt und zornig spuckte er auf den Boden und bellte buchstäblich die Worte heraus: „Mi hija“, meine Tochter, „ha provocado este escandalo“, sie hat diesen Skandal verursacht! Das Prusten, Krächzen und Gurgeln der belustigten Kumpane war kaum zu überbieten. Dies war ja kein Hund, dies war ein kleines, lächerlich aufgeputztes Geschöpf und hatte keine Ähnlichkeit mehr mit dem Hund des alten Fischers. Zu beiden Seiten ihres kahl geschorenen Schnäuzchens wies Pulga nun ein flaumiges Haarbällchen auf, das ihr ein äußerst affektiertes Aussehen gab. Der Körper war bis hinunter zu den spitzen kleinen Pfoten mit aufgeplustertem Gewölle bedeckt. Das Lächerlichste aber war das dünne kahle Schwänzchen, dessen Ende einer neckischen Puderquaste glich. Das Gewieher und Gelächter der Männer lockte den Kellner Pons aus seinem Gehäuse, und weil er von der Tragödie keine Ahnung hatte, versuchte er sofort, den neuen Hund zu verscheuchen. Streuner gab es ja genug, und wie der aussah, gehörte er sicher keinem Einheimischen, das war eher das Anhängsel eines Touristen.
Für Philipe war das Maß nun voll. Er verschmähte den in Aussicht gestellten Herbas, der als Trost für sein maßloses Missgeschick spendiert wurde, und stapfte müde davon. Ein alter Mann, dem man schlimm mitgespielt hatte, umtanzt von einem flauschigen Hündchen, das um einen Blick und um ein Wort seines geliebten Herrn bettelte. Eine kleine Wolke, der der Himmel abhanden gekommen war.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу