Egal also, ob Sie an richtige Engel glauben oder sie als Metapher akzeptieren: Seien Sie willkommen!
Dieses Buch basiert übrigens, einfach weil es ja naheliegt, auf dem allgemeinen Verständnis engelhaften Wirkens, so wie wir es aus den religiösen Schriften kennen, die den meisten Gläubigen als heilig gelten. Tatsächlich tauchen Engel wirklich in beinahe allen Religionen auf. Auch das wollen wir uns hier zunutze machen. Engel sind sozusagen ein wunderbares Detail, in dem sich einmal alle Gläubigen einig sind, egal ob sie Christen, Juden, Moslems, Buddhisten oder Hindus sind.
Das ist nun bestimmt auch die richtige Stelle in diesem kleinen Vorwort, um zu Protokoll zu geben, dass ich selbst Christ bin. Ich werde es natürlich nicht verstecken können und übrigens auch gar nicht verstecken wollen. Ich hoffe also, es schreckt Sie nicht ab. Immerhin leben wir in Zeiten, in denen der Geruch des Fundamentalismus beinahe jeden umweht, der seinen Glauben deutlich ausspricht. Deshalb möchte ich Folgendes noch schnell loswerden: Ich verstehe den christlichen Glauben als etwas hochgradig Einladendes, nicht als etwas Ausgrenzendes. Ich glaube daran, dass Gott alle Menschen liebt und uns alle ständig umarmen möchte. Und ich glaube, dass Er die Schöpfungskraft und die Liebe und die Wahrheit ist! Aber ich würde nie so weit gehen, deshalb zu behaupten, dass ich die Liebe und die Wahrheit bin oder dass ausgerechnet ich die Weisheit mit besonders großen Löffeln gefuttert habe. Es führen sicher viele Wege »nach Rom« und es führen viele Wege zu Erkenntnis, Leichtigkeit und Freude. Wir alle sind auf wundervolle Weise unterschiedlich gemacht. Deshalb: Welcher auch immer Ihr Weg ist – solange er Sie zu aufrichtiger Liebe, zur Heilung Ihrer Lebenswunden und zu tiefer Lebensfreude führt, ist er für Sie der richtige. Doch viele von uns schlingern ja auf diesem Weg leider ganz schön herum. Ob wir nun Christen sind oder auf andere Weise »auf dem Weg«. Es ist nicht leicht, hier auf der Welt. Womit wir wieder beim Thema wären: Wie, um Himmels willen, können wir das Leben eigentlich lieben?
* * *
Kapitel 1
Raus aus dem Leistungsprinzip
Kürzlich habe ich meinen alten Bekannten Martin getroffen.
»Na, wie geht’s?«, fragte ich ihn, als wir uns auf der Straße begegneten.
»Gut, danke«, antwortete Martin, »ich habe da gerade einen Spitzenauftrag an Land gezogen.«
»Glückwunsch«, sagte ich.
Wir plauderten dann noch ein wenig über seinen Coup und verabschiedeten uns recht schnell wieder voneinander.
Normalerweise hätte ich über die Begegnung nicht weiter nachgedacht. Warum auch? Was soll denn Besonderes daran sein?
Die Antwort ist: überhaupt nichts!
Und genau das ist das Besondere daran.
Die meisten von uns beantworten nämlich die Frage danach, wie es uns geht, stets mit einer Aussage über das, was wir tun. Wir würden oft gar nicht erst auf die Idee kommen, auf ein »Wie geht’s?« in uns hineinzuhorchen und eine echte Auskunft über das zu geben, was uns wirklich bewegt und ausmacht.
»Natürlich nicht!«, höre ich schon die Protestrufe. »Das würde unseren Gesprächspartner ja auch völlig überfordern!« Und es ist wahr. Hätte Martin auf meine Frage entgegnet, dass es ihm gut geht, weil er sich mit sich selbst gerade einfach pudelwohl fühlt, hätte ich das zumindest ungewöhnlich gefunden. Wahrscheinlich sogar etwas befremdlich.
Wir sind durch die Generationen so geprägt, dass wir uns in erster Linie über das definieren, was wir leisten. Ob wir uns gut oder schlecht fühlen, hängt vor allem davon ab, ob wir in unseren eigenen und den Augen der Gesellschaft erfolgreich sind. Dabei geht es natürlich nicht nur um Aufträge und berufliche Fortschritte. Je nach Persönlichkeit, kann die Erfolgsdefinition auch abhängig sein vom perfekten Körper, vom teuren Auto oder der Beliebtheit im Freundeskreis. Und auch Verhaltensweisen, die im ersten Moment nur positiv erscheinen, können in Wahrheit Masken sein, die wir aufsetzen, um zu gefallen. »Ich will immer fröhlich wirken, weil die Menschen mich sonst nicht mehr mögen«, kann ein solches Muster sein. Oder: »Ich teile grundsätzlich die Meinung der anderen, damit ich nicht anecke.«
Was auch immer Ihr Wertemaßstab ist, unter dem Strich kommt dasselbe heraus: Wir sehnen uns nach Wertschätzung für das, was wir leisten.
Nicht für das, was wir sind.
Als ich studierte, hatte ich eine Kommilitonin namens Sandra. Sie war eine durchschnittlich hübsche junge Frau, sympathisch, aber nicht weiter auffällig. Wir sahen uns gelegentlich, hatten einige gemeinsame Kurse, aber ich habe sie eigentlich nicht weiter beachtet und auch sonst zeigte kaum jemand gesteigertes Interesse an ihr.
Das änderte sich schlagartig, als in der Uni-Zeitung ein Bericht über sie veröffentlicht wurde. Während wir anderen Studenten nebenbei kellnern gingen oder Zeitungen austrugen, war sie, so erfuhren wir überrascht aus dem Artikel, Synchronsprecherin beim Fernsehen. Und mehr noch: Sandra war sogar die deutsche Stimme einer der beliebtesten amerikanischen Serien-Darstellerinnen überhaupt. Heiliger Strohsack! Wir hatten ja keine Ahnung gehabt!
Und plötzlich sahen wir unsere vermeintliche Durchschnitts-Kommilitonin mit ganz anderen Augen. Plötzlich schauten wir uns nach ihr um, wollten mit ihr ins Gespräch kommen und nahmen ihre Meinung ernst. Sie schien uns sogar attraktiver als vorher und gehörte über Nacht zu den beliebtesten Frauen der Uni.
Dabei hatte Sandra sich ja gar nicht verändert. Sie war die Gleiche, die sie auch vorher gewesen war. Aber auf der unsichtbaren Skala in unseren Köpfen, die den Wert eines Menschen an Äußerlichkeiten misst, war sie durch diese neue Information doch rasant nach oben geschnellt.
Diese Werteskala, mit der wir Menschen taxieren, steckt in jedem von uns. Oft ganz unbewusst ordnen wir neue Bekanntschaften in dieses Raster ein: Wie erfolgreich ist mein Nachbar? Wie wortgewandt der neue Kollege? Wie attraktiv die Verkäuferin in der Bäckerei?
Wir geben den Menschen um uns herum einen Wert, der eindeutig von den Idealen unserer Gesellschaft und unserer persönlichen Wahrnehmung abhängig ist.
Und wir vergleichen auch unseren eigenen vermeintlichen Wert mit dem, den wir auf diese Weise unseren Mitmenschen zugeordnet haben.
Wenn jemand innerhalb dieses Leistungssystems einen scheinbar höheren Wert hat, als wir selbst, entstehen entweder Neid und Konkurrenzdenken oder Bewunderung und der Wunsch, von diesem Menschen anerkannt zu werden, um von seinem »Glanz« etwas abzubekommen und darin selbst ein wenig baden zu können.
Damals an der Uni waren wir alle jedenfalls plötzlich wahnsinnig stolz darauf, von Sandra angelächelt zu werden. Mit ihr ins Gespräch vertieft gesehen zu werden, sorgte dafür, dass auch die eigene Beliebtheit größer wurde. Also versuchten eine Menge Leute, sich mit ihr ins Gespräch zu vertiefen! Auch wenn wir eigentlich total langweilig fanden, was sie zu sagen hatte. Aber dann später zu erzählen: »Jaja, als ich vorhin mit Sandra gesprochen habe, da hat sie gesagt …«, und die bewundernden Blicke der anderen dafür zu ernten, war wie eine wunderbare Selbstwert-Spritze für die eigene Seele.
Rückblickend erscheint mir diese Anekdote aus der Uni eigentlich ziemlich albern. Einerseits. Ich sage mir, dass wir damals eben jung waren und ich inzwischen ja viel reifer geworden bin und die Dinge natürlich längst ganz anders sehe. Ich tröste mich damit, dass es mir jetzt wohl egal wäre, ob irgendeine Bekannte einen tollen Job hat oder nicht.
Aber dann ist da das Andererseits. Und das hält mir vor Augen, dass ich zwar tatsächlich älter und hoffentlich auch wirklich etwas weiser geworden bin, aber dass diese merkwürdige Skala in meinem Kopf nach wie vor ganz schön aktiv ist, auch wenn sie inzwischen vielleicht nicht mehr nach exakt denselben