»Das habt Ihr auch. Und trotz allem seid Ihr hier.« Auf Myrthans weisem Gesicht erschien ein Lächeln.
Der Prinz zog die Augenbrauen zusammen. »Ja, aber es war meine freie Entscheidung. Ich habe sie gezwungen, mit mir zu kommen.«
Myrthan nickte. »Trotzdem, sie wird es noch einsehen, glaubt mir.«
Zwei Tage lang wanderte sie am Fuße eines gewaltigen Felsmassivs entlang, welches das Felsenreich von Fearánn trennte. Zunächst hatten sie überlegt, es zu überqueren, doch das hätte wohl länger gedauert und wäre anstrengender gewesen, als außen herum zu gehen. Zwischen Seora und Trian herrschte noch immer eisiges Schweigen, aber die Prinzessin hatte zumindest mit ihrem ständigen Genörgel aufgehört.
Am Abend des zweiten Tages hörte man von weitem ein Donnern. Ceara blickte sich um, konnte aber am wolkenlosen Himmel keine Anzeichen eines Gewitters erkennen. Außerdem war die Luft angenehm klar und eine leichte Brise wehte.
»Was ist das für ein Geräusch?«, fragte Ceara zu Daron gewandt, der neben ihr herlief.
»Das Meer«, antwortete er lächelnd.
Die Sonne ging glutrot im Westen unter, als sie schließlich eine felsige, steil abfallende Küste erreichten. Unter ihnen donnerte das Meer an die Klippen, zahllose Seevögel kreischten am Himmel und etwas weiter westlich sah man lange Sandstrände, die sich in felsige Buchten schmiegten. Dahinter erstreckten sich lichte Wälder, die in der untergehenden Sonne glitzerten. Hier und da hatten sich sogar schon einige Blätter bunt gefärbt.
»Das ist wunderschön.« Voller Staunen blickte Ceara auf das unglaublich blaue Meer hinab.
Daron schlang die Arme um sie. »Dort im Westen beginnt Fearánn. Ich war auf den nördlichen Hügeln nicht mehr …« Er stockte und seine Stimme wurde heiser. »… seitdem unser Dorf zerstört wurde. Ich hatte selbst vergessen, wie schön es hier ist.«
»Eines Tages möchte ich mit dir über diese Strände galoppieren. Meinst du, wir werden Morrigan und Cahan irgendwann wiedersehen?«
»Das wäre schön.« In melancholischen Gedanken versunken betrachtete Daron die untergehende Sonne. Auf ihrer Reise durch das ehemalige Elfenreich Myth´allan waren sie vor längerer Zeit zu den Elfenpferden gekommen, hatten diese jedoch zurücklassen müssen, als sie durch den verfluchten Wald von Drath´Mor gereist waren. So standen die beiden lange in der Abenddämmerung, während die anderen bereits ihr Nachtlager aufschlugen.
An diesem Abend beratschlagten alle, wie es weitergehen sollte. Ergon saß, sehr zum Ärger seiner Mutter, auf Cearas Schoß und lachte über die kleinen Zaubertricks, die Fio´rah ihm vorführte. Der Kleine hatte mittlerweile seine ganze Scheu verloren und schien sich richtig wohl zu fühlen.
»Wir brauchen nur noch zwei Runen«, begann Myrthan ernst und alle Gespräche verstummten. »Wie ihr wisst, befindet sich die eine Rune in Fearánn. Daron, du wirst wissen, wo Norns Auge liegt.«
Dieser nickte ernst, mit leicht angespanntem Gesicht.
Myrthan lächelte. »Ich befürchte, Ceara wird sich nicht davon abhalten lassen, dich zu begleiten?!«
Als sie grinsend nickte, zwinkerte Myrthan ihr zu, doch dann wurde er ernst. »Im Moment scheinen keine Orks in der Nähe zu sein. Aber Adamath und Krethmor werden vermuten, dass wir nach Fearánn flüchten wollen, also ist es nicht ganz ungefährlich. Wir sollten in kleinen Gruppen reisen. Ich werde versuchen, die Höhlenmänner aus Drago´llaman zusammenzutrommeln. Wenn wir erst alle Runen haben, müssen wir die Feuerquelle einnehmen. Wirst du die Fiiljas holen, Fio´rah?«
»Selbstverständlich, Myrthan!«
»Wir wissen nicht, wie wir auf die Feeninsel gelangen sollen«, fuhr Myrthan fort, »aber darum sollten wir uns später kümmern. Wir werden uns in dem Dorf am Rande von Myth´allan treffen, in das Daron damals die Flüchtlinge gebracht hat.
Ich schlage vor, dass Ihr Eure Frau dorthin bringt, Prinz Trian.«
Seora schnaubte entrüstet, sagte aber nichts.
»Meine Frau legt keinen Wert auf meine Gesellschaft«, antwortete Trian bitter, »ich werde ihr fünf meiner Soldaten mitgeben. Ich möchte mich Daron und Ceara anschließen, falls sie nichts dagegen haben.«
Seoras Blick schien ihn erdolchen zu wollen, doch er hielt ihm stand. Erst vorhin hatten sie wieder heftig gestritten.
»Nun gut, aber sie brauchen jemanden, der schon einmal in dem Dorf war, sonst finden sie nicht hin«, wandte der Zauberer ein.
»Ich werde mitgehen«, bot Bran an.
Unentschlossen blickte Alan von Bran zu Ceara. Diese sagte schließlich lächelnd: »Ich würde mich freuen, wenn du mit uns kommst, Alan.«
Alan nickte erleichtert. Also würden Bran, die Prinzessin und Ergon mit fünf Soldaten nach Myth´allan aufbrechen, Myrthan wollte sich als Drache verwandeln und die Höhlenmänner suchen. Fio´rah beschloss, die Fiiljas alleine zu holen, da sie meinte, ohne Begleitung schneller und unauffälliger zu sein. Ceara, Daron, Alan, Trian und die restlichen drei Soldaten vereinbarten, sich auf die Suche nach der Rune zu machen. So verbrachten sie die letzte gemeinsame Nacht zusammen.
Am Morgen verabschiedeten sie sich mit einem dumpfen Gefühl im Magen. Sie hofften alle inständig, sich bald in dem kleinen Dorf in Monalyth wiederzusehen. Seora flehte ihren Mann nun doch an, mit ihr zu kommen, aber Trian blieb hart.
»Ich denke, es tut uns ganz gut, wenn wir uns eine Weile nicht sehen. Die Soldaten werden gut auf dich und Ergon achten. Ich vertraue ihnen.«
Seora wollte empört etwas erwidern, überlegte es sich aber scheinbar doch anders. »Pass bitte auf dich auf und kehre gesund zu uns zurück«, sagte sie unter Tränen und umarmte Trian.
Der nickte ernst und nahm seinen kleinen Sohn beiseite, dem ebenfalls Tränen in den Augen standen. »Ich habe eine wichtige Aufgabe für dich. Du musst gut auf deine Mutter aufpassen, ja?«
Ergon versprach es und unterdrückte ein Schluchzen. Dann verschwanden alle in verschiedene Richtungen und Myrthan verwandelte sich unter dem staunenden Blick seiner Freunde in den wunderschönen Drachen, der anmutig in die beginnende Morgendämmerung nach Süden flog.
Daron, Ceara, Alan und Trian, sowie die drei Soldaten, wanderten den ganzen Tag an der Küste entlang und obwohl das Wetter schön war und die Landschaft atemberaubend, hingen die meisten von ihnen düsteren Gedanken nach. Die drei Soldaten, Morad, Geldan und Faras, waren ohnehin sehr schweigsam. Trian hatte ihnen das ›du‹ angeboten und gesagt, sie sollten ihn nun nicht mehr als Prinzen, sondern als Gefährten betrachten. Doch die Soldaten schienen sich dabei nicht wohl zu fühlen und hielten sich abseits.
Als sie am Abend ein Stück im Landesinneren zwischen lichten Buchen und Eichen lagerten, sah Prinz Trian sehr unglücklich aus.
»Ich hoffe, ich habe keinen Fehler gemacht, als ich Seora und Ergon allein gelassen habe. Vielleicht wird sie mir das niemals verzeihen.«
»Meinst du, sie lässt sich scheiden?«, fragte Ceara mit vollem Mund. Sie hatte gerade ein paar Beeren gepflückt, welche sie nun verspeiste.
Trian schaute sie mit zusammengezogenen Augenbrauen verständnislos an. »Was meinst du damit?«
Alan begann zu grinsen und Ceara erklärte: »Na ja, dass sie dich verlässt, eure Ehe auflöst.«
Sowohl Trian als auch Daron sahen sie derart fassungslos an, dass Alan laut zu lachen begann.
»Ich befürchte, das ist hier nicht üblich!«
»Eine Frau kann doch die Ehe nicht einfach auflösen!«, rief Trian empört.
»Dort wo ich herkomme aber schon«, erklärte Ceara.
»Und wo ist das?« Der junge Prinz wirkte vollkommen fassungslos.
Ceara warf Daron einen