Martin Kolozs
Bischof
Reinhold Stecher
Leben und Werk
INHALT ___
Vorwort Gedanken über die biografische Würdigung
1. „Mein kleines Paradies der Kindheit“: Aus den Wurzeln leben
2. „Nur apokalyptischer Schrecken“: Nationalsozialismus in Tirol und der Zweite Weltkrieg
4. Einflüsse auf Reinhold Stecher
Paulus Rusch und die Kirche im Gebirge
Das Zweite Vatikanische Konzil
„Ich wehre mich gegen eine Persönlichkeitszentrierung“: Kein Bischof des Einheitsformats
6. „So wird das Altern ein pastoraler Dienst“: Der Bischof im (Un)Ruhestand
7. In memoriam: Ein fiktives Interview mit Bischof Reinhold Stecher
Anhang
VORWORT ___
Gedanken über die biografische Würdigung
Zweifelsohne gehörte Bischof Dr. Reinhold Stecher zu den charismatischsten Persönlichkeiten der römisch-katholischen Kirche von Österreich und wird auch noch lange nach seinem Tod für sein vielfältiges Wirken und Schaffen über die Landesgrenzen Tirols hinaus aufrichtig verehrt werden. Er selbst beschrieb in seinem letzten Buch „Spätlese“ das Leben als ein Geschenk, das er in seiner ganzen Fülle von Gott ebenso demütig angenommen, als auch der Verehrung seines Erlösers Jesus Christus über neun Jahrzehnte hindurch gewidmet hat: „Der strahlende Unendliche, der bei mir, der bei uns ankommt, das ist das Ewige Wort, der Sohn. In Ihm wird der Ewige der nahe Gott, der Gott bei uns. […] Dass uns in Jesus Christus die unendliche Liebe so nahe rückt, sozusagen solidarisch bis zu unserer Armseligkeit als sterbliche und brüchige Wesen – das ist das tröstliche Geheimnis des Christentums.“1
Dieser Überzeugung seines Herzens folgend wurde Reinhold Stecher zu einem Volksbischof im ursprünglichsten Wortsinn und außerdem zu einem der meistgelesenen spirituellen Schriftsteller der Gegenwart, dessen Erfolg nicht ihm allein gereichte, sondern für zahlreiche karitative Zwecke im In- und Ausland verwendet wurde: „Diesen Traum [in einem Land leben zu dürfen, das anderen helfen kann] hat Gottes Vorsehnung mir in meinem Leben in ungeahnter Weise er füllt. Denn die Lawine des Segens rollt und rollt bis in diese Stunde.“2 Dadurch und durch vieles andere mehr, das in dieser Biografie zur Sprache kommen soll, ist Bischof Reinhold Stecher ein Theologe und Geistlicher geworden, der den Menschen seiner Diözese und überall sonst auf der Welt auf Augenhöhe begegnet ist, der es für wichtiger hielt, verstanden zu werden, als von der Kanzel herab zu dozieren, und der zeitlebens seinem Wahlspruch treu blieb: „Servire et confidere – dienen und vertrauen“.
Demnach gibt es unzählige Zeugnisse der persönlichen Begegnungen, der privaten Erlebnisse und einzigartigen Erinnerungen in Zusammenhang mit Bischof Reinhold Stecher sowie ein Vielfaches von Verschüttetem und Vergessenem, das nicht mehr erzählt werden kann und in dieser Darstellung darum fehlen muss. Denn: „Jeder Mensch bleibt ein Rätsel, und es sei mir gestattet zu sagen: ein Kreuzworträtsel – in dem das eine Wort das andere ausbaut und ergänzt, aber es gelingt wahrscheinlich nicht, alle Kästchen auszufüllen.“3 Dessen eingedenk und im Selbstverständnis, dass ein Leben nur dann vollkommen wiedergegeben werden kann, wenn man dafür ein Leben lang Zeit hat, hat der Verfasser alle ihm zugänglichen Quellen nach eingehendem Studium und im besten Wissen und Gewissen in seine Arbeit einfließen lassen, um diese erste biografische Würdigung von Bischof Dr. Reinhold Stecher vorlegen zu können.
Martin Kolozs
KAPITEL 1 ___
„Mein kleines Paradies der Kindheit“ 4 Aus den Wurzeln leben
Oft hat Bischof Reinhold Stecher den Baum als Sinnbild beschrieben und auf die entsprechenden Stellen in der Bibel verwiesen: „Eines hat der Herr vom Baum wie vom Weinstock betont: dass die Vielfalt eine geheimnisvolle Einheit bildet, dass sich alles aus einem Stamm verzweigt, und sein Leben aus Wurzeln erhält, die in der Tiefe verborgen liegen.“5
Im Leben von Reinhold Stecher war mit Gewissheit die eigene Familie eine dieser kraftspendenden Wurzeln, welche ihm