Während ich den Hund abliebele, die Waffe ist ausreichend außer Griffweite sicher abgestellt, kommt mir auf kurze Entfernung noch eine Sau entgegen, die der Standlaut und mein Schuss wohl unsanft geweckt haben. Aber – die Flinte steht am Baum und Diana hat mich ja bereits sehr ausgiebig beschenkt!
Mit dem Hornsignal „Hirsch tot“ rufe ich meinen Weidgenossen herbei und er überreicht mir erleichtert über den guten Ausgang dieser Nachsuche den Bruch.
Daraufhin beantrage ich bei der Zuchtleitung „Teckel“ das Leistungszeichen „Schweiß Natur“ für Utz, das mir auch bestätigt wird. Der verantwortliche Bearbeiter teilt mir aber in einem Begleitbrief mit, dass man eine Nachsuche auf ein laufkrankes Stück Rotwild nicht unbedingt mit einem Teckel durchführen sollte. Recht hat er, aber es ist noch einmal gut gegangen und ich bin stolz auf meinen Hund. Was aber nicht heißen soll, dass der Teckel für die Nachsuche auf ein laufkrankes Stück der richtige Hund ist.
Die Länge der Nachsuche betrug insgesamt 1500 Meter, davon 500 Meter Riemenarbeit und 1000 Meter Hetze.
Keiler ist nicht gleich Keiler
Der Leser erinnert sich an den baumbestandenen Hang, der sich zwischen den Wiesen und der Barnim-Hochfläche entlang des Roten Luchs hinzieht. Er wird allgemein als die Bergschäferei bezeichnet, obwohl dieser Name eigentlich nur dem nahegelegenen ehemaligen Vorwerk zusteht. Im Tal die Wiesen und auf der Höhe die Felder machen diesen Hang zu einem vom Wild bevorzugten Einstand, da der Weg zur lockenden Äsung zu allen Jahreszeiten nach beiden Seiten nur kurz ist. Inmitten des Bestandes habe ich mir in einer alten knorrigen Kiefer einen bequemen Ansitz gebaut, wo ich auch eine kleine Kirre8 unterhalte. Kirren bedeutet für mich nicht, diese täglich zu beschicken, sondern nur hin und wieder etwas Freßbares zu hinterlassen. So bin ich mir sicher, dass die Sauen den Platz nicht vergessen. Der Sitz ist von einem Waldweg aus leicht zu erreichen und ich habe hier schon einige Male Weidmannsheil gehabt. Auch einen jagdbaren Keiler habe ich bei einem dreistündigen Mondscheinansitz bei zehn Grad minus hier schon erlegt.
Auch heute sitze ich weit vor dem Hellwerden auf dem Sitz und passe auf Sauen, die aus dem angrenzenden alten Eichenbestand, einem früheren Hutewald, gern auf dem Rückweg in ihren Tageseinstand hier vorbeiwechseln. Das Thermometer hat bei meinem Aufbruch in der Frühe Temperaturen um den Gefrierpunkt angezeigt und der wenige Schnee beginnt bereits zu schmelzen. Schon mit Beginn der Dämmerung sehe ich, dass ein schwächeres Stück Schwarzwild in der Nacht die Kirre besucht hat. Ich warte noch eine geraume Zeit, baume bei gutem Büchsenlicht ab und gehe die Fährte aus. Aus dem Eichenwald, dem sogenannten Tiergarten kommend, ist ein Überläufer9 über die Kirre hinweg in den sich anschließenden etwa 15 Hektar großen Dickungskomplex eingewechselt. Ich umschlage diesen, um festzustellen, ob die Sau die Dickung wieder verlassen oder sich eingeschoben hat. Da keine Fährte aus der Schonung hinausführt, will ich einmal versuchen, ob ich das Stück vor dem stellenden Teckel angehen kann. Bisher hatte ich keine Gelegenheit dazu, aber das geht auch nur mit einem Hund, der die Sau findet und dann auch stellt. Diese stille Jagd geht eigentlich so richtig gut nur mit dem Teckel, denn wenn sich eine gesunde Sau überhaupt stellen soll, tut sie das ganz sicher nur vor einem kleinen Hund, den sie nicht ernst nimmt. Und so kommt es dann auch, aber erst fahre ich nach Hause, um meine beiden Hündinnen nachzuholen. Einmal scheint mir der Erfolg der Sache dadurch sicherer zu sein und zweitens möchte ich diese nicht alltägliche Gelegenheit nutzen, um die Hunde an einer Sau arbeiten zu lassen.
Utz wird am Einwechsel der Sau zur Fährte gelegt und ich gehe am Rande der Dickung ein paar Meter weiter, wo ich auf einer Schneise, welche die ganze Dickung durchzieht, den Hund vielleicht sehen kann. Und richtig, keine hundert Meter von mir entfernt überfällt10 er die Schneise und dann dauert es auch nicht mehr lange und es ertönt sein wütender Standlaut. Die Hündinnen haben natürlich schon bemerkt, dass hier nicht Alltägliches geschieht und ziehen ungeduldig an ihren Leinen. Ich schnalle sie auf der Schneise und sie streben, so schnell sie können, dem Standlaut entgegen. Sie brauchen ja einige Zeit, um an den Ort des Geschehens zu kommen. So kann ich auf der Schneise leise nachziehen und stehe bald vor einem dreifachen Standlaut. Die Hunde umstellen einen dichten Schlehenbusch, der kaum fünf Meter im Durchmesser misst und machen auch Ausfälle in Richtung auf die Mitte des Busches. Das ist mir lieber und der Sache viel dienlicher, als wenn sie wild an die Sau herangehen würden. Von einem Wutz ist nichts, aber auch gar nichts, zu sehen. Ich rüde die Hunde an – nichts passiert. Erst beim dritten Fass-Kommando erhebt sich die Sau und ich habe sie nun voll im Blick. Kimme und Korn auf dem Blatt zusammenzubringen und den Abzug zu drücken sind eins und der Überläuferkeiler bricht im Schuss zusammen. Das ist in diesem Fall für die Hunde nicht ganz ungefährlich, aber ich weiß aufgrund des wütenden Standlautes aller drei Hunde genau, wo diese sich befinden. Und nur dann darf ich den Schuss wagen, ohne die Hunde zu gefährden. Sie zausen und rupfen an dem Wild, das durch unser gemeinsames Jagen zur Strecke kam. Kein eifersüchtiges böses Knurren oder wütendes Fassen untereinander trübt die Freude und den Stolz auf die Leistung meiner Hunde. Es war für mich immer faszinierend, wie sich meine Hunde bei der Jagd untereinander verhielten. Nahm ich einen von ihnen zum Ansitz mit und wir hatten Erfolg, durfte zuhause keiner der anderen Hunde an das Stück heran. Es hätte (und hat) böse Beißereien gegeben, wenn ich die Hunde da nicht auseinander halten konnte. War eine Nachsuche mit Hetze unter Beteiligung mehrerer Hunde erfolgreich, gab es nie Händel zwischen den Hunden.
Der gemeinsame Jagderfolg schweißte wohl auch meine bei Auseinandersetzungen sonstiger Art gewiss nicht zurückhaltenden Teckel zusammen.
Dieses Erlebnis des gemeinsamen Beutemachens wirkte noch lange in mir nach und so nahm ich ein Jahr später gern die Gelegenheit wahr, die sich mir fast an gleicher Stelle nochmals bot. Aber diesmal sollte alles ganz anders kommen.
Wieder pirsche ich bei leichtem Schnee morgens an dieser Dickung entlang und finde die Fährte einer sehr starken Sau, die in die Dickung eingewechselt ist. Wieder umschlage ich die Dickung. Keine Fährte führt heraus, der Keiler muss also noch drin stecken. Warum ich jetzt nicht eine oder mehrere Hündinnen nachhole, weiß ich nicht mehr. In der Hoffnung, den Erfolg vom letzten Jahr auch ohne meine „Weiber“ wiederholen zu können, lege ich Utz zur Fährte und lausche angestrengt in die Dickung. Nichts geschieht. Plötzlich steht der Hund am Dickungsrand und signalisiert mir ganz augenscheinlich, dass keine Sau zu finden ist. Das kann doch nicht sein, sollte ich die Fährte der Sau beim Auswechseln übersehen haben? Ich weise ihn nochmals ein und fordere ihn zum Suchen auf. Nach wenigen Minuten das Gleiche. Er ist nicht interessiert. Da ich mir ziemlich sicher bin, dass der Keiler noch steckt, will ich es nun aber genau wissen. Ich leine den Hund an und lege ihn wieder zur Fährte. Nach kaum einhundert Metern rumpelt ein starker Keiler vor uns aus einem Seggenhorst hoch und flüchtet in Richtung des mir wohlbekannten Schlehenbusches. Das klappt ja gut, denke ich und schnalle Utz. Mit Herrchen im Rücken geht der nun auch sofort hinterher und gibt bald Standlaut. Doch nur kurz, dann folgt eine kurze Hetze, aber bald verstummt der Rüde und kommt zu mir zurück. Ich habe nur eine Erklärung für sein Verhalten. Die Sau war ihm augenscheinlich zu groß und er zog es vor, zu blinken11. Ihn hatte wohl der Mut verlassen. Aber das soll ja beim Menschen in ähnlichen Situationen auch vorkommen. An mangelnder Schärfe kann es nicht gelegen haben. Er arbeitete zwar nicht so bedingungslos an Sauen, wie sein Nachfolger Dachsel, aber seine Schärfe hatte er schon