Unter den Schlagwörtern Digitalisierung und Automatisierung wird in vielen Branchen der zunehmende Einsatz von IT und Technologie verstanden. Wo vor einigen Jahren noch manuelle Tätigkeiten vorherrschten oder Aufgaben IT-unterstützt erledigt wurden, dominieren immer stärker Maschinen und technische Systeme. Roboter übernehmen in produzierenden Unternehmen immer mehr Aufgaben, leistungsfähige IT-Systeme drängen die menschliche Arbeit in Dienstleistungsunternehmen zurück.
Auch die IT selbst verändert sich massiv, vom Betrieb eigener Rechenzentren zum Cloud Computing, von Desktop PC zu mobilen Endgeräten, von Über-Nacht-Verarbeitung der Daten (Batchlauf) zu Echtzeit- oder Neartime-Daten, von Eigenentwicklungen zu Software as a Service.
Die Programmierung von Anwendungen wie auch die Entwicklung neuer technischer Lösungen wird durch Anforderungen ausgelöst. Diese Anforderungen stammen aus sehr unterschiedlichen Quellen. Häufig sind es Ziele des Managements oder Wünsche der Anwender (Mitarbeiter, Kunden), die umgesetzt werden sollen. Die Umsetzung erfolgt nicht durch diejenigen, die eine Anforderung haben, sondern durch technische Experten, meistens IT-Spezialisten. Business-Analysten können dazu beitragen, dass Änderungsvorhaben effektiv und effizient umgesetzt werden, indem sie als methodische Experten für Anforderungen eingesetzt werden.
Hohe Spezialisierung der Mitarbeiter in verschiedenen Disziplinen
Die zunehmende Spezialisierung betrifft sowohl die Fachabteilungen, in denen das Tagesgeschäft abgewickelt wird, als auch die Entwicklungsabteilungen. Das führt nahezu automatisch dazu, dass sich die Mitarbeiter in den verschiedenen Organisationseinheiten immer weiter auseinanderleben. Das beginnt bei einer unterschiedlichen Sprache – oft verstehen sich Anwender und Entwickler gar nicht mehr, weil jeder für den jeweils anderen „Fachchinesisch“ spricht. Aber auch die Denkweisen entwickeln sich oft in ganz andere Richtungen. Schließlich sind die Interessenlagen fast immer sehr unterschiedlich, was ebenfalls das gegenseitige Verständnis erschwert. Und nicht zuletzt machen die steigende Komplexität und die rasante Entwicklung der Technik die wechselseitige Verständigung immer schwieriger. Sich in eine Disziplin hineinzudenken bzw. einzuarbeiten erfordert immer mehr Zeit. Die fachlichen Aspekte zu durchdringen wird genauso herausfordernd wie den Überblick im IT- und Technologieumfeld zu behalten. Aus all diesen Gründen liegen fachliche Anforderungen „nicht auf der Hand“, und wenn sie bekannt sind, sind sie damit noch lange nicht für „Außenstehende“ verständlich; dies gilt auch für die Umsetzer und Entwickler von Lösungen zu diesen Anforderungen. Wegen dieser Verständigungsschwierigkeiten wird die Rolle des Business-Analysten immer wichtiger. Er dient als Brückenbauer zwischen Fachabteilung und IT.
Abb. G.01: Business-Analysten als Dolmetscher und Brückenbauer
Neben den Unterschieden zwischen Fachabteilung und IT gibt es oft auch Verständnishürden zwischen den Fachabteilungen selbst. Dies kann bei gemeinsamen Vorhaben, bei denen Anforderungen aus mehreren Fachabteilungen eingebracht werden, die Zusammenarbeit erschweren, wenn die Fachabteilungen die jeweils andere „Seite“ weder sachlich-fachlich verstehen noch deren Interessenlage nachvollziehen können oder wollen.
In beiden Fällen, also bei der Abstimmung der Fachabteilung mit der IT und bei der Kommunikation der Fachabteilungen untereinander, können Business-Analysten als „Dolmetscher“ und „Brückenbauer“ eine wesentliche Rolle spielen. Eine ihrer zentralen Aufgaben ist es, Anforderungen zu verstehen, zu hinterfragen, zu klären, zu dokumentieren, an Dritte zu kommunizieren und dafür zu sorgen, dass die Anforderungen den Zielen des Unternehmens dienen und dann auch zielgerichtet umgesetzt werden.
Neutrale, möglichst objektive Beurteilung von Veränderungen
Anforderungen und ihre Auswirkungen auf IT-Systeme, Geschäftsprozesse oder organisatorische Aspekte machen nicht an Abteilungsgrenzen Halt. Werden die Auswirkungen analysiert, die eine geplante Veränderung mit sich bringt, ergeben sich meistens sowohl positive als auch negative Effekte. Was für einen Fachbereich gut sein mag, kann durchaus für einen anderen Bereich mit Nachteilen verbunden sein. Business-Analysten nehmen grundsätzlich eine neutrale, ganzheitliche und fachbereichsübergreifende Perspektive ein. Eine Verbesserung an einer Stelle darf nur dann zu Verschlechterungen oder zu unerwünschten Änderungen an anderen Stellen im Unternehmen führen, wenn aus gesamtbetrieblicher Sicht die Vorteile deutlich überwiegen. Der Business-Analyst muss versuchen, mit allen Beteiligten gemeinsam Lösungen zu finden, die für das Unternehmen zielführend sind und die von allen mitgetragen werden können.
Aus der neutralen Position des Business-Analysten können auch die Wechselwirkungen mit anderen Projekten, mit anderen Vorhaben oder mit Geschäftsprozessen überprüft werden. Dies kann die Priorisierung der Anforderungen, deren Abstimmung im Gesamtkontext des Unternehmens und die effiziente Nutzung von Ressourcen erleichtern und verbessern.
Effiziente Nutzung von Ressourcen, insbesondere in der IT-Entwicklung
In den meisten Unternehmen gibt es mehr Anforderungen als durch bestehende Ressourcen, sei es interne oder externe IT-Entwicklung, zeitnah umgesetzt werden können. Eine Priorisierung der Anforderungen ist deswegen ein wesentlicher Bestandteil der Business-Analyse. Dabei sind die unterschiedlichen Interessen der Fachabteilungen zu berücksichtigen, die verständlicherweise meistens ihre eigenen Anforderungen höher priorisieren als die der anderen Fachabteilungen. Hinzu kommen technische Rahmenbedingungen, die eine rein fachliche Priorisierung der Anforderungen nicht zulassen. Auch hier erleichtert die neutrale Rolle des Business-Analysten eine sachgerechte und zielführende Lösung, die von allen getragen werden kann.
Zunehmende Veränderungsgeschwindigkeit und Komplexität im Umfeld der Unternehmen
Gesetzliche und regulatorische Auflagen, seien sie national oder international, nehmen in vielen Branchen zu. Das Wettbewerbsumfeld wird für viele Unternehmen schwieriger, sei es durch kleine und spezialisierte Mitbewerber oder durch große internationale Konzerne. Die technologischen Möglichkeiten nehmen ständig zu. Schnelle Produktentwicklungen oder -weiterentwicklungen, z.B. mittels agiler Vorgehensmodelle wie Scrum, werden immer häufiger eingesetzt.
Alle diese Entwicklungen führen dazu, dass die begrenzten Ressourcen bestmöglich genutzt werden – auch dabei kann der Business-Analyst einen wertvollen Beitrag leisten, weil er die Instrumente kennt, mit denen komplexe Problemstellungen effizient bearbeitet werden können.
Ein Stillstand eines Unternehmens ist in vielen Fällen ein Rückschritt, wenn das Umfeld sich weiterentwickelt. Daraus leitet sich ein weiterer Aspekt für die Existenzberechtigung der Business-Analyse ab.
Steigende und sich schnell wandelnde Erwartungen der Kunden
Steigende Erwartungen der Kunden sind wahrscheinlich die größte Herausforderung für Unternehmen. Mehr denn je müssen Erwartungen und Anforderungen externer Kunden an Produkte und Dienstleistungen erfüllt werden, wenn ein Unternehmen im Markt bestehen will. Durch die Spezialisierung in verschiedenen Disziplinen (siehe oben) haben meistens nur noch vergleichsweise wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen direkten Kontakt zum Kunden und kennen so aus erster Hand die Erwartungen. Aber nicht nur die Anforderungen der externen „richtigen“ Kunden müssen umgesetzt werden. Auch Abteilungen, die nicht direkt mit externen Kunden zu tun haben, tragen zur Wertschöpfung bei und haben Anforderungen, die erfüllt werden müssen.
Interne und externe Kunden haben steigende und sich wandelnde Erwartungen an Produkte und Dienstleistungen. Bei internen Kunden sind dies in der Regel (Zwischen-)Ergebnisse anderer Abteilungen, die als Input für die eigene Arbeit dienen. Letztlich dienen auch die „internen Kunden“ fast alle dem Markt, das heißt dem externen Kunden. Bei internen wie bei externen Kunden arbeiten Business-Analysten als Brückenbauer und Dolmetscher, um eine effektive und effiziente Zusammenarbeit zu gewährleisten. Sie helfen, dass aus Schnittstellen zwischen Abteilungen Nahtstellen werden.
Im Zentrum des unternehmerischen Handelns sollte jedoch der externe Kunde stehen und die Anforderungen im Unternehmen sollten sich an seinen Erwartungen ausrichten.
Die oben genannten Gründe für